EU-Agrarminister setzen mehrheitlich falsche Prioritäten

Der EU-Agrarrat, das Treffen der Landwirtschaftsminister:innen der EU-Mitgliedstaaten, hat auf seiner Sitzung am vergangenen Montag ein Papier der belgischen Ratspräsidentschaft mit dem Titel „Schlussfolgerungen zur Zukunft der Landwirtschaft in der EU“ debattiert. Aufgrund der fehlenden Zustimmung Rumäniens wurden die Schlussfolgerungen der endenden belgischen Präsidentschaft letztlich nur als „Schlussfolgerungen des Vorsitzes“ und nicht sämtlicher EU-Länder veröffentlicht. Der Schwerpunkt des Dokumentes liegt nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) dabei klar auf einer weiteren Intensivierung der Produktion und dem Ausbau der globalen „Wettbewerbsfähigkeit“. Die AbL kritisiert diese offenkundige Prioritäten-Verschiebung innerhalb der Europäischen Agrarpolitik, weg vom gesellschaftlich gewollten und notwendigen ökologischen und sozialen Wandel unserer Ernährungssysteme hin zur Intensivierung der Landwirtschaft scharf. Gleiches gilt für die offenbar erfolgte Zustimmung zum Papier durch Bundesminister Özdemir. Diese passt keineswegs zu dem regelmäßig vom Minister selbst ausgegebenen Ziel, dass die Vereinfachung der Agrarpolitik nicht mit einer Absenkung der ökologischen Wirksamkeit einhergehen dürfe.

„Der Umbau der Landwirtschaft hin zu mehr Klima-, Arten- und Tierschutz sowie einer fairen Entlohnung von Bäuerinnen und Bauern ist kein Selbstzweck, sondern Grundlange für eine zukunftsfähige Landwirtschaft mit vielen und vielfältigen landwirtschaftlichen Betrieben“, erklärt Ottmar Ilchmann, AbL Sprecher für Agrarpolitik. Das rückwärtsgewandte Streben nach Kostenführerschaft auf dem Weltmarkt und die damit verbundene Produktionsintensivierung führe letztlich zu sinkenden Erzeugerpreisen, von denen vor allem die Agrar- und Ernährungsindustrie profitiert. „Auf so eine ‚Wettbewerbsfähigkeit‘ können wir verzichten. Was wir Bäuerinnen und Bauern stattdessen brauchen sind gerechte Marktregeln, die es uns ermöglichen, mit dem Handel und der Verarbeitung auf Augenhöhe zu verhandeln und einen konkreten ambitionierten Fahrplan für die Ökologisierung der GAP, auf den wir uns einstellen können.“

Das Agrarrat-Papier benennt laut AbL die Notwendigkeit, mittel- und langfristig Lösungen für die Herausforderungen der Bäuerinnen und Bauern zu finden, nachdem die im Schnellverfahren vorgenommenen GAP-Änderungen hierfür keine ausreichenden Antworten bieten. Es bescheinigt der Ernährungssicherheit ein „zentrales strategisches Interesse“ der EU angesichts diverser u.a. geopolitischer Krisen. Durch eine überproportionale Priorisierung von Wettbewerbsfähigkeit, wie sie nach Ansicht der AbL den von 25 EU-Staaten unterstützten Schlussfolgerungen der belgischen Ratspräsidentschaft und leider auch dem Arbeitsprogramm der kommenden ungarischen Ratspräsidentschaft zu entnehmen ist, werden die vielen sozialen und ökologischen Krisen und Herausforderungen leider gegeneinander ausgespielt. Ernährungssicherheit wird aber eher über kurze und regionale Vermarktungswege erreicht, da diese besonders krisenfest sind und daher angestrebt werden sollten, anstatt auf den globalen Agrarhandel zu setzen.

Auch positive Aspekte im Papier

Das Papier enthält auch positive Aspekte, wie die Empfehlung einer für Bäuerinnen und Bauern einkommenswirksamen Entlohnung ihrer öffentlichen Leistungen. Auch die geforderte bessere Unterstützung von Junglandwirt*innen ist zu begrüßen, so die AbL. Die Notwendigkeit für ein gerechtes Einkommen durch eine Verbesserung der Position von Bäuerinnen und Bauern innerhalb der Lieferkette wird ebenfalls benannt, ohne jedoch konkrete wirksame Schritte zu benennen.

Leider, so die AbL, wird auch eine Offenheit für Innovation wie Biotechnologie geäußert, ohne beispielsweise die Notwendigkeit für agrarökologische Innovationen zu benennen. Bedauerlicher ist für die AbL auch, dass die Beratung zu diesen Schlussfolgerungen zur Zukunft der Landwirtschaft der EU als nicht-öffentlicher Punkt der Agrarrat-Sitzung stattfand.

Konkrete Handlungsempfehlungen für die Zukunft der Landwirtschaft in der EU legt nach Ansicht der AbL das Positionspapier der Verbändeplattform zur GAP nach 2027 „Zukunft gestalten: Gemeinsam für eine krisenfeste, ökologischere und gerechte Landwirtschaft und Agrarpolitik - Ziele, Forderungen und Vorschläge der Verbände-Plattform für die GAP-Reform nach 2027 und Schritte des Übergangs“ vor.