„Die Politik und einige Ernährungswissenschaftler empfehlen einen Ernährungswandel, um Ressourcen zu schonen, die Umwelt zu entlasten und die Gesundheit zu fördern. Die Ziele sind grundsätzlich gut, für die angestrebten Maßnahmen jedoch fehlt an vielen Stellen die wissenschaftliche Evidenz.“ Das teilen das Agrar- und Ernährungsforum Nord-West e.V., der Bundesverband Rind und Schwein e.V., der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Deutsche Verband Tiernahrung e.V., der Milchindustrie-Verband e.V. sowie der Verband der Deutschen Fleischwirtschaft e.V. mit und verweisen dabei zum Beleg ihrer Aussagen auch auf ein Zitat der Präsidentin der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), verschweigend, dass auch sie eine Unterstützerin eines Ernährungswandels ist.
Hinsichtlich der geforderten Veränderungen im Ernährungssystem wird häufig auf die aktuellen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und der sog. EAT-Lancet-Kommission sowie auf die daraus abgeleitete Planetary Health Diät verwiesen, so die genannten Verbände. Beide Ernährungsempfehlungen gehen ihrer Ansicht nach durch die übermäßig starke Betonung einer pflanzlichen Ernährung jedoch an der Lebenswirklichkeit vorbei und bergen das Risiko einer Mangelernährung. Mit den aktuellen Empfehlungen habe sich die DGE von ihrer eigentlichen Kernkompetenz entfernt, indem sie sich nicht nur mit der Nährstoffversorgung und Gesunderhaltung des Menschen beschäftigt, sondern auch Ziele des Green Deal berücksichtigt.
Die deutsche Landwirtschaft zählt, so die Verbände, zu den effizientesten Agrarregionen der Welt mit hohen nationalen Standards. „Tierhaltung und Pflanzenbau bedingen einander im natürlichen landwirtschaftlichen Nährstoffkreislauf; der tierische Wirtschaftsdünger ist die Basis für das Pflanzenwachstum. Nutztiere spielen außerdem eine wichtige Rolle in der Ressourcenverwertung. Pro Kilogramm pflanzlichem Lebensmittel entstehen aus dem Anbau und der Verarbeitung pflanzlicher Rohprodukte rund 4 Kilogramm nicht essbare Pflanzenmasse. Nutztiere erzeugen daraus hochwertige Lebensmittel. Weiterhin ist die Tierhaltung essenziell für die Bewirtschaftung von Grenzstandorten und die Pflege von Kulturlandschaften. Tierhaltung ist also viel mehr als Lebensmittelerzeugung“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Verbände. Ihrer Ansicht nach bringt es Dr. Margareta Büning-Fesel, die neue Präsidentin der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, im Interview mit Ökolandbau.de auf den Punkt: „Wenn wir ab morgen alle nach den neuen DGE-Empfehlungen oder der Planetary Health Diet einkaufen würden, dann wären die Regale in den Supermärkten schnell leer. Denn viele der empfohlenen Lebensmittel werden bisher weder in Deutschland noch weltweit in ausreichender Menge angebaut.“ Verschwiegen wird an dieser Stelle, dass die Präsidentin sich in dem Interview ausdrücklich zu einem Ernährungswandel bekennt, indem unter anderem das hier verwendete Zitat folgendermaßen weitergeht: „Das heißt: Nicht nur auf den Tellern, sondern auch auf unseren Feldern, im Lebensmittelhandwerk, in Industrie und Handel sowie in der Gemeinschaftsverpflegung ist eine Veränderung dringend notwendig. Die größte Herausforderung und das Wichtigste ist, dass wir die Erderwärmung begrenzen. Denn sowohl Hitze und Trockenheit als auch die vielen Überflutungen derzeit werden ganz wesentlich durch die Klimakrise bedingt. Modellierungen zeigen: Es ist möglich, 10 Milliarden Menschen gesund und nachhaltig zu ernähren. Das braucht einen radikalen Umbau der Landwirtschaft in vielen Regionen.“
Für die Verbände ist eine Proteinversorgung über heimische pflanzliche Lebensmittel nicht zu erreichen. Eine Stigmatisierung bestimmter tierischer Lebensmittelgruppen wie Fleisch, Milch und Milchprodukte sei wissenschaftlich nicht gerechtfertigt.