Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ Krisen begleiten unseren Weg, heißt es. Auch die „Marktpartner der Landwirtschaft“ – wie sie sich selbst nennen - treffen die aktuellen Veränderungen der Märkte und der Kundenbewegungen. Während in der Coronazeit vor allem der Lebensmittelhandel vom Wandel des Einkaufsverhalten mit hohen Gewinnen profitierte, nutzten manche Nahrungsmittelindustrielle im ersten Jahr des Ukrainekrieges die Schwierigkeiten der Lieferketten oder sektorale Mangellagen.
In diesem Jahr der hohen Inflation trennte sich aber bei Handel und Industrie Spreu vom Weizen. Auch internationale Konzerne haben mit erheblichen „Herausforderungen“ zu kämpfen. Einige Unternehmen des vor- und nachgelagerten Sektors werden hier etwas näher beobachtet.
Bayer: Restrukturierung des Konzerns
Gerade noch hatte sich die Bayer AG über neun gewonnene Prozesse in den USA im Zusammenhang mit den gesundheitlichen Folgen durch die Nutzung von Glyphosat gefreut, als wieder drei Klagen verloren gingen mit über 300 Mio. € Strafschadenersatz. Dabei wurden bis Mitte des Jahres bereits 113.000 von 160.000 Klagen beigelegt, viele sind noch in Revision, aber der Verlust ist immens und ein Ende nicht absehbar, auch wenn sich der Konzern optimistisch gibt für die weitere Klageserie.
Jetzt kommen auch noch schlechte Zahlen für das dritte Quartal hinzu. Wie der Konzernvorstand mitteilte, wurde ein Verlust von 4,7 Mrd. € (nach einem Gewinn von 546 Mio. € im Vorjahresquartal) eingefahren, besonders im Agrargeschäft von „Crop Science“. Zwar wurden in allen Regionen höhere Absatzmengen verzeichnet, die aber die Preisrückgänge von Glyphosat-Produkten nicht ausglichen. Glyphosat verlor die Hälfte des Umsatzes. Insgesamt brach bei Herbiziden der Umsatz geradezu ein. „Fast 50 Mrd. € Umsatz, aber null Cashflow – das ist einfach nicht akzeptabel“ beschrieb Vorstandschef Anderson die Lage. Er kündigte eine Restrukturierung des Konzerns an – einschließlich einer Streichung mehrerer Führungsebenen und eines Abbaus von vielen Stellen. Eine Dreiteilung des Konzerns sei zwar vom Tisch, aber auch die Abtrennung der Landwirtschaftssparte eine mögliche Option.
Jedenfalls ist die andauernde Börsen-Kritik an der Übernahme von Monsanto (Kaufpreis: 66 Mrd. US$) und dessen Hauptprodukt Glyphosat wieder aufgeflammt.
BASF, Syngenta und BayWa mit Umsatz- oder Gewinnrückgängen
Nach Rekordpreisen und Profiten im Gefolge der Preisexplosion von Düngemittel durch den Ukrainekrieg hat die Zurückhaltung der Landwirtschaft auch bei anderen globalen Konzernen zu heftigen Verlusten im Absatz geführt. Bei BASF gingen die Umsätze im dritten Quartal um 18% zurück, trotzdem konnte der Gewinn durch Abbau von Lagerbeständen und gesunkenen Rohstoffpreise verbessert werden.
Der Pflanzenschutz- und Saatguthersteller Syngenta hatte dagegen nicht nur ein Umsatzminus, sondern auch einen Gewinneinbruch zu verzeichnen. Der zum chinesischen Staatskonzern „Chemchina“ gehörige ehemalige Schweizer Konzern mit Sitz in Shanghai und Verwaltungszentrale in Basel musste in den ersten neun Monaten einen Rückgang im Umsatz um 6% und beim Gewinn um 22% mitteilen. Als Begründung wurden für Europa die hohen Zinsen und die geringe Kaufbereitschaft der Landwirte angeführt.
Syngenta ist die Nr. 3 (Umsatz ca. 28 Mrd. €) auf dem globalen Markt für Saatgut und Pestizide – nach Bayer/Monsanto und Corteva (DuPont/Dow Chemical). Mit der BASF, die 2018 ins von Bayer übernommene Saatgutgeschäft einstieg, teilen sich die vier Konzerne laut Pestizidatlas (Böll-Stiftung) mind. 70% der weltweiten Pestizidmarktes. Der Saatgutsektor ist zu über 60% unter der „Viererbande“ aufgeteilt. Die hohe Konzentration ist Ausdruck der Oligopolisierung, die durch die Verkettung von Saatgut und Pestiziden mittels gentechnischer Produkte in den letzten zwei Jahrzehnten vorangetrieben wurde. Fast alle gentechnisch veränderten Pflanzen werden von den drei größten Konzernen entwickelt und angeboten. Sie sind natürlich die Haupttreiber für die „neue Gentechnik“.
Ähnlich schwache Zahlen musste die BayWa AG nach den Ausnahmeprofiten des Vorjahres bei einer Halbierung des Gewinns vermelden. Nur ca. 1% EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) ist für die Chemiebranche enttäuschend (üblicherweise mind. 10%), aber nach dem sehr guten Vorjahr operativ verkraftbar, so der Vorstand. Man sei gerade auch in Deutschland breit aufgestellt und könne einzelne schwächelnde Bereiche ausgleichen.
Der größte Schweinekonzern Smithfield mit hohen Verlusten
Mit Problemen ganz anderer Art hat zurzeit der zur Chinesischen WH-Group (Wanzhou Holding, Umsatz ca. 28 Mrd.US$) gehörende US-Konzern Smithfield zu kämpfen. Mit 47 Mio. Schweinen im Jahr liegen allein die Schlachtungen des chinesischen Giganten auf deutschlandweitem Niveau. Die Sauenzahl beträgt 1,23 Mio. Sauen - auf der Höhe der gesamten Sauenzahl in Deutschland. Eine schwache Nachfrage gepaart mit gestiegenen Kosten hat in den ersten neun Monaten den Smithfield-Umsatz auf 18 Mrd. US$ fallen lassen. Die Verluste des Fleischgiganten stiegen in dieser Zeit auf 520 Mio. US$. Da die Schweinepreise inzwischen auf 1,40 €/kg rutschten, sind auch die weiteren Perspektiven nicht rosig. Die Kosten müssen runter, was für die Schweinehalter keine gute Nachricht ist. Entsprechend ist der Schweinebestand in den letzten drei Jahren um 7% gesunken. Nach Berechnungen des globalen Zuchtunternehmen „Genesis“ würden die US- Schweinehalter an jedem Schwein 30 € verlieren, was sich im Jahr auf 3 Mrd. € summieren würde. Eigentlich könnten die Schlachtkonzerne wegen der niedrigen Erzeugerpreise noch gute Margen erzielen. Da sie aber durch den hohen Anteil der vertikalen Integration des Sektors (man spricht von über 80%) selbst viele eigene Schweine produzieren, sind sie auch von den Dumpingpreisen betroffen. Der Preisverfall nützt natürlich dem Export – vor allem nach Mexiko, während der begehrte chinesische Markt selbst mit den niedrigen Preisen kaum bedienbar ist, weil es Brasilien noch günstiger kann und Peking selbst in einer Überproduktion steckt und schon Fleisch vom Markt nimmt und einlagert. Auch im Reich der Mitte verliert der Mutterkonzern WH wie die anderen großen börsennotierten Konzerne reichlich Geld. Genesis spricht von 5 bis 10 Mrd. € für die 20 größten Schweineunternehmen in diesem Jahr. Noch bedenklicher sei der hohe Schuldenstand von 57 Mrd. €.
Erwartet wird weiterhin ein niedriger Schweinepreis, was die europäischen Möglichkeiten für den (Drittlands-)Export weiter einschränkt. Gegen die extrem billigen Produktionskosten von USA und Brasilien kann kein europäischer Händler konkurrieren.
Nun ist auch noch auf der konzerneigenen größten Smithfield-Farm in Rumänien die Afrikanische Schweinepest ausgebrochen. 18.000 Schweine mussten gekeult werden. Weitere Smithfield-Betriebe wurden in die Sperrzone eingeschlossen.
Danish Crown mit bescheidenem Gewinn und Personalabbau
Aber auch die großen westeuropäischen Schweineexporteure sind in Not. Die EU-Schlachtungen sind in 2023 um 8% zurückgegangen. Besonders trifft es Dänemark, dessen Schlachtungen sich um fast 20% reduzierten. Dansk-Exporte nach China fielen um 24%. Eigentlich rettete die dänischen Erzeuger nur der Ferkelverkauf nach Spanien, weil die iberische Ferkelproduktion durch mannigfaltige Krankheiten heimgesucht ist (Rosalia). Da unser nördlicher Nachbar mit über 600% Selbstversorgung zum Überleben verkaufen muss, versucht sich der quasi-Monopolist (ca. 80% Anteil) Schlachtkonzern Danish Crown in Dumping-Preise zu retten. Etwa 30 bis 40 € pro Schwein zahlt er unter EU-Durchschnittsnotierung. Das verstärkt aber den Schweineschwund. Dabei leben laut dem globalen Schweineportal 333 schon etwa 50% der Schweine in Beständen von 10.000 Schweinen. Auch diese Größenvorteile nützen nichts, wenn die Preise die Kosten nicht decken. Zugleich sinkt die Auslastung der Schlachtbetriebe weiter. Betriebsschließungen und verkürzte Schichten sind die Folge. Die zwei Standortaufgaben in Deutschland sollen einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet haben. Jetzt haben die genossenschaftlichen Mitglieder aus Absatznot zugesagt, in 2024 rund 11 Mio. Schweine zu liefern (nach ca. 12 Mio. in diesem Jahr). Man sei weiter international nicht wettbewerbsfähig. Deshalb sollen durch ein Effizienzprogramm 200 Mio. € im Jahr eingespart werden. Aber man könne die Probleme nicht durch Einsparungen allein lösen, so Chef Jais Valeur. Oder durch niedrige Preise, ergänzen Marktkenner. Es müssten vermehrt Produkte mit Nachhaltigkeitswert in Europa abgesetzt werden. Damit trifft Danish Crown sich auf dem EU-Markt mit Deutschland, Holland, Spanien usw. und will z.B. verstärkt auf Tierwohl, Bio und „Klimawohl“ setzen, um die höheren Produktionskosten abzudecken. Das Umbaukarussell der Fleischbranche dreht sich EU- weit.
Auch Friland, die Biofleischtochter, die auch auf dem deutschen Markt stark operiert, hat im Ende September abgeschlossenen Geschäftsjahr einen deutlichen Umsatzrückgang zu verzeichnen. Der Umsatz ging um 13% auf 123 Mio. € zurück. Der schwächere Absatz in Dänemark (minus 11%), aber auch im Export sei verantwortlich, so Friland-Geschäftsführer Claus Hein. Viele Monate habe es ein Überangebot gegeben. „Ein turbulentes Jahr, von Unsicherheit und Inflation geprägt,“ so sein Fazit. Für die Zukunft sei er aber optimistisch, da der USA- Markt gut laufe.
Für 2022/23 mussten die Bio-Schweinehalter einen Preiseinbruch von 33 ct/kg auf 3,19 €/kg hinnehmen. Damit wären die deutschen Bioerzeuger sicherlich auf den Barrikaden. Hier liegt und lag der Preis mind. 1 Euro höher. Die dänischen Bioschweine und -ferkel drücken massiv auf den heimischen Markt, der eher knapp versorgt ist. Ohne das Bekenntnis des Handels zu 5xD, d.h. heimische Erzeugung von Geburt bis zur Theke, wird „unser“ Preis kaum zu halten sein, wenn ein immer größerer Teil des Bio-Fleisches über LEH und Discount vermarktet wird.
Der Marktbeobachter sieht mit großer Sorge, wie sich die globalen „Marktpartner“ immer weiter konzentrieren. In einigen Märkten (Saatgut, Pestizide, Dünger) bilden sie bereits Oligopole. Andere Weltmärkte globalisieren sich weiter. Bei aller berechtigter Kritik an Großstrukturen und großen Tierhaltungen in Deutschland muss man zur Kenntnis nehmen, dass die betrieblichen Strukturen zwischen Flensburg und Garmisch im internationalen Maßstab der Industrienationen noch recht bäuerlich organisiert sind. 200 Sauen oder 70 Milchkühe sind immer noch familienbetrieblich geführt und vergleichsweise (zu USA, Spanien, Holland, Dänemark, Brasilien, Russland, China) eher klein. Wenn man ökologische Anforderungen oder Klimaresilienz als Maßstab nimmt, und nicht allein den Billigpreis, gibt es viele gute Gründe, die bäuerliche Landwirtschaft zu verteidigen. Wen aber hinter jeder größeren Rinder- oder Schweineherde schon Massentierhaltung und Tierquälerei anekelt, der wird sich in Zukunft bei Hochhäusern für Tiere oder Laborfleisch finden.