Milchmarkt im Umbruch - zum Beispiel FrieslandCampina

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ Der Bauer kümmert sich um seinen Acker, hält sein Vieh instand, zahlt Steuer... und hängt vom Milchpreis ab, wusste schon Bert Brecht vor 100 Jahren. Das hat auch heute noch mehr als ein Körnchen Weisheit, auch wenn es angesichts der Spezialisierung der Höfe nicht mehr für alle zutrifft. Aber wer macht den Milchpreis? Die Molkereien zeigen auf den LEH, der wiederum auf die Milchwirtschaft weist. Und die Bauern wissen nicht so richtig. Sie fühlen sich als das schwächste Glied, dem der Rest übrig bleibt, wenn alles verteilt ist, zumal sie keine Rechnungen schreiben können, sondern ihnen der Milchpreis in der Regel im Nachhinein mitgeteilt wird – anders als z.B. im Fleischmarkt.

Einkommen bricht ein – Milchmenge leicht sinkend

Umso schwerer trifft es diese Höfe und Regionen, dass nach dem guten Jahr 2022 inzwischen der Milchpreis wieder auf Talfahrt ist und unter Produktionskosten liegt. Nach einer Vorschätzung für das laufende Wirtschaftsjahr 2023/24 werden sich die Gewinne der Milchviehbetriebe mehr als halbieren. Der Preis ist bundesweit 2023 um ca. 20-25% gefallen auf 43 bis 45 ct/kg je nach Zulagen, im Norden stärker als im Süden. Im Januar lag er bei knapp 44 Cent mit leichter Aufwärtstendenz. Laut top agrar Milchwert (berechnet aus Börsenwert von Fett und Eiweiß) steigt der absicherbare Preis bis Juni auf 49 Cent und liegt im zweiten Halbjahr über 50 ct/kg. Aber der Börsenwert ist noch nicht in der Geldbörse der Milchbauern. Aber die Chancen stehen nicht schlecht - wenn man sie nutzt.

Hintergrund dieser möglichen positiven Entwicklung sind die sinkenden Anlieferungen seit November. 2023 gab es noch ein Plus von 1,5% (konventionell 1,2%, Bio 4,9%) von Molkereien erfasster Menge, auch schon niedriger als die Jahre zuvor. Laut der Erhebung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) war die Steigerung aber kein Trend, sondern wohl eine Reaktion auf die guten Preise bis Anfang 2023. Insgesamt ist bei sinkenden Kuhzahlen (und den schlechten Preisen!) in nächster Zeit eher von reduzierten Mengen auszugehen, was den Spielraum für Preiserhöhungen erweitert.

Weltmarkt im Aufwind

Bei Molkereiprodukten kommt weiterhin viel auf die Preise am Weltmarkt an. Immerhin wird ca. 50% der deutschen Milch exportiert, wenn auch das meiste in den EU-Binnenmarkt. Die geopolitischen Unsicherheiten bieten große Risiken. Relevant sind dabei die Auktionen der globalen Handelsplattform Global Dairy Trade (GDT), die zwar von Neuseeland dominiert wird, aber auf die EU als dem größten Player am Weltmarkt ausstrahlt. Der Index für alle Produkte stieg Ende Februar auf den höchsten Wert seit Oktober 2022. China ist nicht mehr der allein entscheidende Player auf dem Drittlandsmarkt, aber der größte Importeur von Basisprodukten, d.h. das Reich der Mitte beeinflusst weiterhin unseren Milchpreis, aber nicht mehr so dominant. Der asiatische Markt ist heftig umkämpft - mit Handelsvorteilen für Neuseeland (Nr.1), Australien und den USA. Immerhin hat der neuseeländische Monopolist Fonterra bereits Preisaufschläge angekündigt. Denn auch dort sind die Kuhzahlen gesunken, weil die Erzeuger mit verschärften Produktions- und Umweltauflagen zu tun haben. Die Milchproduktion sei bestenfalls stabil, so der ozeanische Molkereiverband.

Milchkonzerne zwischen Weltmarktboom und Marktdifferenzierung

Hierzulande tun sich manche Molkereien schwer, ihre Produktion nach dem Weltmarktboom neu auszurichten. Vor allem die norddeutschen Milchkonzerne sind im Preis geradezu abgestürzt. Das Deutsche Milchkontor (DMK, 5 Mrd. € Umsatz, global Nr.10 der Milchverarbeiter), lange Jahre Abstiegskandidat, ist nach vergleichsweise guten Zahlen in 2022 mit in der Spitze von 60 Cent wieder auf einen hinteren Rang gerutscht. „Im Schnitt des Jahres 2023 sind wir noch bei mehr als 40 ct/kg Milch“, so Geschäftsführer Klaus Hein, nachdem man im Herbst auf 34,1 Cent abgetaucht war. Auch der dänisch-schwedische Konzern Arla kommt mit diversen Qualitätszuschlägen im Dezember auf gut 40 Cent und liegt auf den letzten Plätzen. Arla, weltweit mit 13 Mrd.€ Umsatz auf Platz 6 mit Vertrieb in 100 Länder der Welt, spricht von zwei unterschiedlichen Halbjahren. Besonders das erste Halbjahr 2023 habe sie stark betroffen, aber seit Sommer sei man positiv gestimmt, weil das Markengeschäft wieder anziehe. Das sei gerade in Deutschland bei hoher Inflation unter Druck gewesen, weil der Kunde zu Handelsmarken gegriffen habe. Für 2024 erhofft sich Arla ein leichtes Umsatzplus.

Besonders schlimm hat es FrieslandCampina (FC, Umsatz wie Arla) getroffen. Jahrelang waren die Holländer auf dem deutschen Markt Spitzenzahler. Der neue im Juni eingesetzte Krisenmanager Van Karnebeek musste ein enttäuschendes Ergebnis verkünden. Der Geschäftsbericht für 2023 weist einen Rückgang des Betriebsergebnisses um 84 Prozent auf 75 Mio. Euro und unter dem Strich einen Verlust von 149 Mio. Euro aus. Im Vorjahr wurde noch ein Nettoergebnis von plus 292 Mio. Euro bilanziert. Die übliche Nachzahlung an die Bauern wurde gestrichen und 500 Mitglieder (5%) kündigten ihren Vertrag. Grund seien zu lange hohe Zahlungen an die Erzeuger. Außerdem hätten hohe Bestände verbilligt verkauft und Margenverluste bei Markenprodukten hingenommen werden müssen. Hinzu seien einmalige Restrukturierungskosten von 136 Mio. € gekommen. Verknüpft werden alle weiteren Maßnahmen mit einem Kostensenkungsprogramm, dem bis 2025 weltweit 1.800 Arbeitsplätze zum Opfer fallen. Die Krise ist bei weitem nicht überwunden.

FrieslandCampina mit Millionenverlusten in Deutschland - „Landliebe“ immer in roten Zahlen

Die Gerüchte über eine Fusion mit Arla weisen beide Konzerne zurück. Arla habe auch keine Betriebe abgeworben, betont deren Aufsichtsratsvorsitzender. Einen nicht geringen Anteil am schlechten Ergebnis bei FC haben einmalige Kosten, die u.a. beim Verkauf des Deutschlandgeschäfts an Müller-Milch anfielen. Damit hat FC nach Ausführung der neuen Führung ein „verlustreiches Abenteuer“ beendet, das kurzfristig Umsatzverluste von 300 bis 500 Mio. € bringt. Müller hat Ende 2022 die drei Werke in Heilbronn, Köln und im Odenwald übernommen. Köln wurde sofort geschlossen, demnächst werden auch die beiden anderen Standorte dicht gemacht gegen den Widerstand der Gewerkschaft NGG, die Müller vorwirft, mit einem Schnäppcheneinkauf nur einen Konkurrenten vom Markt eskortiert zu haben. Produziert wird alles an den bisherigen Müller-Standorten.

Für das Ex-Vorstandsmitglied Hans Stöcker der Milchgenossenschaft FC war der Verkauf ein Schock, den er am Anfang gar nicht glauben wollte, wie er in einem Interview mit dem westfälischen Wochenblatt berichtete. „Das tut mir in der Seele weh.“ Die Entscheidung sei bitter, aber nachvollziehbar. Denn man habe es 20 Jahre nicht geschafft, mit „Landliebe“ und den Werken gute Zahlen zu schreiben. Dabei war nicht „Landliebe“ das Problem. „Die Marke hat schon Geld verdient, die Molkereistruktur war das Problem. Wir hatten ein Festkostenproblem.“ Außerdem habe man nicht als Dienstleister für den LEH auftreten und unter großem Preisdruck Handelsmarken produzieren wollen. „Wir wollten mit unseren eigenen Molkereimarken dazu in Konkurrenz treten. Das funktioniert im deutschen Markt nur mit ganz wenigen starken Marken, unter anderem von Müller.“ Zurzeit verlieren aber die Marken gegen die Eigenmarken des Handels. Die alten Werke wurden zunehmend zum Problem. Zu wenig Investitionen, begrenzte Standortentwicklung und unpassende Produktverarbeitung gaben den Ausschlag. Deutsche Mitgliedermilch wird weiterhin abgeholt.

Differenzierung und Kooperation

Inzwischen wurde ein Austausch mit Hochwald (Hunsrück) vereinbart. Fusionen werden bei der Größe kartellrechtlich nicht möglich sein. Also muss die Zusammenarbeit besser werden. Es geht um Kostensparen. Deshalb produziert z.B. DMK Mozzarella für FC. Die horizontale Kooperation ist auch eine Antwort auf die vertikale Integrationsschritte des LEH. Jüngstes Beispiel ist der Einstieg von Lidl in die Eisproduktion im Kreis Heinsberg, mit der der Discounter die mächtige Marktposition der DMK bei Eis unterläuft.

Der Austausch ist auch ein Weg in die Zukunft, wenn der Handel immer mehr Milchprodukte aus verschiedenen Tierhaltungsstufen nachfragt und nicht jede Molkerei alle Sortimente aus jeder Stufe produzieren kann oder will. „Wir wollen zu viele Milchströme vermeiden“, so der Ex-Vorstand. Handelsstufe 3 für Tierwohl werde man irgendwie machen, aber die 3 Cent Zuschlag kaum zahlen können.

Stattdessen setzt FC ähnlich wie Arla auf Nachhaltigkeitsprogramme mit Schwerpunkt auf CO2-Reduktion, weil das der Handel und vor allem die Banken abfragen. Stöcker: “Tierwohl ist nur im deutschen Einzelhandel ein Thema, das allerdings bleiben wird. CO2 spielt in allen Ländern der Welt eine Rolle. Deshalb hat CO2 Priorität.“ Aber ob man damit Geld verdienen kann?

Für den Marktbeobachter sind die unterschiedlichen Strategien in der Molkereiwirtschaft hochbedeutend für den zukünftigen Milchpreis. Weltmarktorientierte Verarbeiter stellen sich anders auf als heimische Markenproduzenten. Differenzierungen spielen bei allen eine Rolle, aber wieder unterschiedlich. Die Anforderungen haben die Erzeuger umzusetzen. Bäuerliche Lieferanten sind klug beraten, sich damit auseinanderzusetzen, um nicht falschen Strategien ihrer Marktpartner aufzusitzen, die letztlich sie bezahlen werden. Es reicht endgültig nicht mehr, Milch abzuliefern, sondern tatsächlich aktiv zu verkaufen. Dazu gehören die politischen Marktordnungsbedingungen (§148 und 210), aber auch das Einmischen in die konkreten Anforderungen und Ziele. Auch die Abnehmer fordern „Bürokratie“. Dagegen hilft keine Treckerdemonstration. Die Aufgaben werden nicht weniger.

Termin-HINweis: "Tierwohl- und Klimaleistungen honorieren - Strategien für kostendeckende Erzeugerpreise umsetzen" lautet das Thema der Kooperationsveranstaltung der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und der KLVH Hardehausen am Montag, 4. März 2024
9.30 – 16.00 Uhr, zu der eine Anmeldung zur Online-Teilnahme bis zum 1. März noch möglich ist. Dazu eine Mail an milchtagung2024[at]abl-ev.de schicken, eine Bestätigung und in der Folge den Link zur Teilnahme erhalten. Ein Flyer mit dem Programm findet sich hier.

29.02.2024
Von: Hugo Gödde

Unruhige Zeiten bei FrieslandCampina. Foto: FrieslandCampina