Was ist auf dem Milchmarkt los? Börsenpreis steigt – Bauernpreis nicht

Der Milchmarkt gibt den Experten zurzeit einige Rätsel auf. Und der Ärger der Bauern steigt. Seit Monaten steigt der Weltmarktpreis, seit Wochen besteht ein selten großer Abstand zwischen Börsenmilchwert und Auszahlungspries für die Erzeuger. Aber der Milchpreis der Bäuerinnen und Bauern bewegt sich seitwärts und gegenüber dem Vorjahr sogar eher rückwärts. Milchpreis an der Börse zieht an
Spätestens seit Anfang des Jahres zogen die Preise für Butter, Milchpulver und andere Milchprodukte (außer Käse) an den europäischen Terminbörsen und im europäischen Großhandel deutlich an. Der Börsenmilchwert des ife-Instituts in Kiel, ein Früherkennungswert für Preise, der täglich aus den Terminmarktpreisen von Butter und Magermilchpulver berechnet wird, belegt, dass sich die ökonomische Verwertung von Milch erheblich verbessert hat. Der Börsenmilchwert ist ebenfalls steil angestiegen und zeigt am Terminmarkt für April fast 38 Cent/ kg an – mit Tendenz nach oben. Damit hat sich der Abstand zum Auszahlungspreis erneut erhöht und dürfte etwa 4-5 Cent betragen. Auch der zwischen den Molkereien gehandelte Spotmilchpreis wird je nach Region mit 35-36 Cent angegeben. Für die heimischen Milcherzeuger hat sich aber bisher außer vollmundigen Versprechungen („Für die nächsten Monate sieht es besser aus“) nichts geändert. Auch DBV- Milchsprecher Karsten Schmal konstatiert, „die Laune ist im Keller. Die Erlöse sind mit 31 bis 34 ct/kg niedrig.“ Trotzdem könne es nach seinen Worten noch ein stabiles Jahr werden. „Bulliger“ Weltmarkt
Auch am Weltmarkt stehen die Zeichen weiterhin auf sehr freundlich, „bullig“ wie es in Börsenkreisen heißt. Die wichtige globale Handelsauktion GDT (Global Dairy Trade) in Neuseeland zeigte sich im April konstant und konnte den Siegeszug des letzten Jahres stabilisieren. Der Milchpreisindex der Auktion stieg gegenüber dem April 2020 (900 Punkte) auf etwa 1.300 Punkte. Für den Anstieg sorgten eigentlich alle Milchprodukte von verschiedenen Milchpulvern bis Butter und Käse. Besonders die Ausfuhren nach China sind der Treiber. Analysten des größten Milchkonzerns Fronterra zeigten sich überrascht und erfreut. „Die globalen Exportpreise gehen durch die Decke,“ fassten sie die Lage zusammen. Ihre neueste Preisprogose des Gesamtjahres 2021 für die Landwirte hatten sie im März um 5% angehoben. Rangliste der Molkereien und Einkommen
Die Molkereien zeigen sich davon bisher unbeeindruckt. Das belegen die Veröffentlichungen einiger Informationsdienste (wie AMI) bzw. Medien in ihren regelmäßigen Milchpreisvergleichen (wie immer im Nachhinein, denn bei Milch gibt es keine Notierung bei Lieferung!). Trotz vielfach verschachtelter Abzüge (für Grund- und Stoppkosten, Mengenstaffelung) und Zuschläge (S-Klasse, Qualitätsklassen, GVO-freie Fütterung), die einen einfachen Vergleich der Molkereipreise (bewusst?) erschweren, bemühen sie sich um Transparenz. „Es gibt fast so viele Zuschlagsarten und Berechnungsmethoden beim Milchpreis wie Molkereien selbst. In aller Regel lassen sich daher Milchpreise nicht vergleichen,“ schreibt z.B. agrarheute über die Probleme bei der Standardisierung ihres Milchpreisspiegels. Danach liegen im Februar die Milchwerke (MW) Oberfranken mit netto 36,5 ct/kg an der Spitze vor den MW Berchtesgadener Land 36,4, Campina/Tuffi 36,1 und Hochland 36,0 ct. Am Ende rangiert die Molkerei Rücker, Wismar mit 31,0 hinter frischli, Niedersachsen 31,7 und der größte deutschen Molkerei DMK, die immerhin etwa 22% des Milchmarktes beherrscht, mit ebenfalls 31,7 ct. Zwischen den ersten und letzten Molkereien öffnet sich also eine Differenz von ca. 5 Cent. Das macht bei einer Milchlieferung eines durchschnittlichen deutschen Betriebs (68 Kühe bei 8.500 Liter pro Kuh) von monatlich 47.600 Litern einen Unterschied von 2.380 € aus. Nur durch das Glück (oder Pech) eines mehr oder weniger leistungsstarken Abnehmers schwankt das Einkommen um knapp 30.000 € im Jahr. Molkerei Milcobel macht die Schotten dicht
Die aktuelle Situation und die Aktionen der Milchbäuerinnen und -bauern führen in vielen Molkereien zur Unruhe. Gerade angesichts des Booms der internationalen Märkte, die sonst gern als Argument für Preisrückgänge dienen, verstehen die Milcherzeuger den Widerstand auch „ihrer“ Genossenschaften gegen Preiserhöhungen nicht mehr. In der letzten Woche ist die größte Molkereigenossenschaft Belgiens, Milcobel besonders in die Schlagzeilen geraten. Das Unternehmen, das mit 1,7 Mrd. kg Milch etwa 40% des belgischen Milchaufkommens verarbeitet, verbietet ihren Mitgliedern vom 5. April bis zum 1. Juli den Austritt aus der Genossenschaft, wie die holländische Bauernzeitung „Boerenbusiness“ berichtet. Grund ist die Kündigungswelle vieler Milchbauern, weil die Milchpreise am Boden sind. Milcobel lag trotz zweier Preiserhöhungen im Januar/ Februar immer noch auf dem letzten Platz im internationalen Vergleich und zahlte 30,62 Cent – mehr als 10% unter dem Durchschnitt. Rund 200 Mio. Liter sind schon gekündigt und Milcobel befürchtet einen Exodus bis zu 600 Mio. Liter. Dann wäre die Molkerei in ihrer Existenz gefährdet. Der Kündigungsstopp sei die Notbremse gewesen, heißt es aus Molkereikreisen. Auch Campina zieht stramm
Zur Kasse gebeten werden auch die Mitglieder der niederländischen Molkerei FrieslandCampina (Marke u.a. „Landliebe“). Die Beteiligung der genossenschaftlichen Bauern soll neu strukturiert werden. Wer mehr Milch liefern will, muss künftig Lieferzertifikate kaufen. Ziel ist die Verbesserung des Eigenkapitals, eine Erhöhung der Rücklagen auf 60% und die Verknüpfung der Anlieferung an eine Kapitalbeteiligung. „Auch die Gewinnverwendung soll neu geregelt werden,“ schreibt das Unternehmen. Es soll mehr Geld im Unternehmen bleiben. Dafür wird die Begrenzung des einzelbetrieblichen Milchmengenwachstums aufgehoben. Ende 2019 hatte die Molkerei beschlossen, in den Jahren 2021 und 2022 die Steigerung der Gesamtmenge auf 1,3% pro Jahr zu begrenzen. Falls die gesamte Anlieferung das verbindliche Wachstum überschreite, haben die individuellen Überlieferer einen Abzug von 10 Cent hinzunehmen. Dieses System soll nun geändert werden. Die „Reform der zukunftsfähigen Mitgliederfinanzierung“ wird ab dieser Woche im Mitgliederdialog zur Diskussion gestellt. Die Entscheidung soll im Juni fallen.