Elefantenhochzeit der Molkereikonzerne Theo Müller und FrieslandCampina

Das Bundeskartellamt hat das Vorhaben des Molkereikonzerns Theo Müller freigegeben, Marken und Produktionsstätten für zahlreiche Molkereiprodukte von Royal Friesland Campina zu übernehmen. Dazu gehören insbesondere die Marken „Landliebe“ und „Tuffi“. Wegen wettbewerblicher Bedenken in Teilbereichen erfolgte die Freigabe nur nach Zusagen der Beteiligten.

Dazu erklärt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Die Unternehmensgruppe Theo Müller verfügt bei Molkereiprodukten durch ihre umfassende Produktpalette und die Bekanntheit ihrer Marken über eine starke Marktposition. Auf den Märkten für Milchreis, frische Milchmischgetränke und Basismilchgetränke ist die Müller-Gruppe mit weitem Abstand marktbeherrschend. Diese schon heute überragende Marktstellung wäre durch die Übernahme der Bereiche von Friesland Campina weiter verstärkt worden. Allerdings ist es Unternehmen in der Fusionskontrolle möglich, Zusagen vorzulegen, die unsere Bedenken ausräumen. In diesem Fall sorgen die Zusagen dafür, dass sämtliche problematische Überschneidungen entfallen. Der gesamte Geschäftsbereich „Tuffi“ von Friesland Campina wird an eine unabhängige dritte Molkerei veräußert. Zudem wird die Theo Müller-Gruppe exklusive, unwiderrufliche und unbefristete Markenlizenzen an der Marke „Landliebe“ erteilen. Damit stellen wir sicher, dass unabhängige Dritte die Marktposition von Friesland Campina in diesen Bereichen einnehmen und der Wettbewerb somit erhalten bleibt.“

Die Unternehmensgruppe Theo Müller und Royal Friesland Campina sind Molkereien, die Milch und Milcherzeugnisse wie z.B. Joghurt, Desserts, Milchmischgetränke (z.B. Kakao und Vanillemilch), Butter, Sahne und Basismilchgetränke (z.B. Buttermilch und Kefir) herstellen. Die Unternehmensgruppe Theo Müller vertreibt ihre Produkte unter den Marken „Müller“, „Weihenstephan“ und „Sachsenmilch“. Zu den bekanntesten Marken von Royal Friesland Campina gehören „Landliebe“ und „Tuffi“. Die Unternehmensgruppe Theo Müller erzielte im Geschäftsjahr 2021 weltweit Umsätze von ca. sieben Mrd. Euro, Friesland Campina über elf Mrd. Euro. In Deutschland gehören beide Unternehmen zu den größten zehn Molkereien.

Bei den Ermittlungen des Amtes lag laut Kartellamt zunächst ein besonderes Augenmerk auf der Abgrenzung der relevanten Märkte für verschiedene Dessertprodukte. Im Grundsatz wird auf die Austauschbarkeit der Produkte aus Sicht der unmittelbar Nachfragenden, also hier des Lebensmitteleinzelhandels, abgestellt. Im vorliegenden Fall wurde zudem die Austauschbarkeit aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher untersucht und in die sachliche Marktabgrenzung einbezogen. Sehen die unmittelbar Nachfragenden wie auch die Verbraucherinnen und Verbraucher ein Produkt als austauschbar an, wird es in den gleichen Markt miteinbezogen. Um diese zentrale Frage zu klären, hat das Amt neben umfangreichen Befragungen von Marktteilnehmenden ergänzend eine empirische Analyse vorgenommen (sog. Event-Analyse). Diese zieht Daten über Preisveränderungen bzw. Rabattierungen bestimmter betroffener Produkte heran, um anhand der Reaktion der Nachfrage die Austauschbarkeit verschiedener Produkte aus Sicht der Konsumenten zu analysieren (wechseln die Verbraucherinnen und Verbraucher zwischen Produkten oder eher nicht).

Im Ergebnis wurden separate sachliche Märkte für Milchreis, frische Milchmischgetränke und Basismilchgetränke abgegrenzt. In räumlicher Hinsicht sind diese Märkte mit nur geringen Importmengen national abzugrenzen. Nach den Ermittlungen liegt der Marktanteil der Müller-Gruppe in allen drei problematischen Bereichen – frische Milchmischgetränke, Milchreis und Basismilchgetränke – bei über 60 Prozent. Damit ist die Schwelle für eine vermutete Marktbeherrschung von 40 Prozent deutlich überschritten. Durch die Übernahme der Marken von Friesland Campina kommt es laut Kartellamt zwar lediglich zu geringen bzw. geringfügigen Marktanteilsadditionen, diese hätten aber gleichwohl (u.a. aufgrund des Potentials der Marken „Landliebe“ und „Tuffi“) die Marktbeherrschung von Theo Müller weiter verstärkt. Sämtliche problematische Überschneidungen würden jedoch durch die Zusagen der Beteiligten entfallen. Die Zusagen gehen nach Ansicht des Kartellamtes sogar über die zur Beseitigung der wettbewerblichen Bedenken erforderlichen Maßnahmen hinaus.

Die Zusagen von Theo Müller betreffen einerseits die Veräußerung des gesamten Geschäftsbereichs „Tuffi“ an eine unabhängige dritte Molkerei und andererseits die Erteilung von Markenlizenzen an der Marke „Landliebe“. Die Lizenzen werden exklusiv, unwiderruflich und unbefristet zum Vertrieb von Milchreis und frischen Milchmischgetränken unter der Marke „Landliebe“ erteilt. Dadurch wird sichergestellt, dass lediglich die Lizenznehmerin, nicht aber Theo Müller selbst, Milchreis und frische Milchmischgetränke unter der Marke „Landliebe“ vertreiben kann. Zudem hat die Lizenznehmerin die Möglichkeit, sowohl ihre bisherigen Produkte weiter anzubieten als auch neue Produkte unter der Marke „Landliebe“ in den von der Lizenz abgedeckten Bereichen auf den Markt zu bringen. Mit der Übernahme der Marke „Landliebe“ durch ein drittes Unternehmen kann daher laut Kartellamt der Wettbewerb auf diesen Märkten aufrechterhalten werden.

Zur Wirksamkeit des Zusagenpaketes hat das Bundeskartellamt im Rahmen eines Markttests Ermittlungen durchgeführt, die seine Eignung zur Behebung der wettbewerblichen Probleme bestätigt haben. Dem Bundeskartellamt sind sowohl für den Geschäftsbereich „Tuffi“ als auch für die beiden Lizenzen der Marke „Landliebe“ potentielle, interessierte Erwerberinnen bzw. Erwerber aufgrund von Absichtserklärungen bekannt. Die Zusagen wurden anstelle der üblichen aufschiebenden Bedingungen im vorliegenden Fall ausnahmsweise als auflösende Bedingungen formuliert; d.h. die Übernahme kann mit Wirkung dieser Entscheidung sofort vollzogen werden. Sollten die Zusagen nicht nach den Maßgaben der Entscheidung des Amtes erfüllt werden, würde die Freigabewirkung entfallen und der Zusammenschluss mithin als untersagt gelten. Dabei wurde berücksichtigt, dass die beteiligten Unternehmen auf die Einlegung von Rechtsbehelfen gegen den Beschluss und die Bedingungen verzichtet haben. Sie erklären damit allerdings ausdrücklich nicht, dass sie zwingend mit allen von der Beschlussabteilung in der Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen übereinstimmen.

Für die weiteren von dem Zusammenschluss betroffenen Molkereiprodukte wie unter anderem frische Milch, H-Milch, Joghurt, Pudding, Grießpudding, Quark, Butter und Sahne kommt es durch den Zusammenschluss ebenfalls zu teilweise signifikanten Marktanteilszuwächsen für die Unternehmensgruppe Theo Müller. Der gemeinsame Marktanteil liegt nach Ansicht des Kartellamtes jedoch unter der Vermutungsschwelle für eine marktbeherrschende Stellung von 40 Prozent. Hier ergeben sich nach den Ermittlungen keine wettbewerblichen Bedenken, die eine Untersagung des Zuerwerbs in diesen Bereichen rechtfertigen könnten. Das Vorhaben kann daher für die übrigen betroffenen Bereiche ohne Bedingungen oder Auflagen vollzogen werden.

 

28.02.2023
Von: FebL/PM

Das Bundeskartellamt hat unter Auflagen der Übernahme von Marken und Produktionsstätten von Friesland Campina durch die Unternehmensgruppe Theo Müller zugestimmt. Foto: Bundeskartellamt