FDP blockiert weiter den Umbau der Nutztierhaltung

Als „Wahlkampfgetöse“ bezeichnet Jochen Borchert, Vorsitzender des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung (Borchert-Kommission) in einem Interview mit top agrar die Vorschläge der niedersächsischen FDP-Landtagsfraktion, die Bewegung der FDP in Sachen Finanzierung des Umbaus nahelegten, zumal die Vorschläge mit „führenden Köpfen“ der Bundes-FDP abgesprochen gewesen sein sollten. Ein „führender Kopf“, wenn er denn dazu gezählt werden darf, hat sich nun gemeldet und ist dem Eindruck von Bewegung entschieden entgegengetreten. Im Interview mit Agra Europe (AgE) bekräftigt der landwirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Dr. Gero Hocker, die ablehnenden Haltung gegenüber Vorschlägen, den Umbau der Tierhaltung mit weiteren öffentlichen Mitteln zu unterstützen. Die FDP-Niedersachen erwähnt Hocker dabei nicht.

Bei der Frage der Finanzierung des Umbaus ist für Jochen Borchert das Problem die Bundes-FDP. „Während SPD und Bündnis90/DieGrünen sowohl unseren Mehrwertsteuer-basierten Finanzierungsvorschlägen als auch einer nutzer- bzw. mengenbezogenen, staatlichen Tierwohlabgabe folgen können, blockiert die FDP weiterhin die Frage der Finanzierung von Tierwohlmaßnahmen in landwirtschaftlichen Betrieben. Insbesondere das Modell der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte lehnen die Liberalen kategorisch ab“, erklärt er im Interview mit top agrar. Mit Hochdruck werde demgegenüber, so Borchert, im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) an Lösungen gearbeitet und der Minister sei weiterhin offen für die Vorschläge der Borchert-Kommission. „Wir sprechen aktuell intensiv darüber, wie die drei Haltungsstufen ausgestaltet werden sollen und bis wann wie viel Prozent der deutschen Schweinehaltung in die jeweiligen Stufen überführt sein sollen“, so Borchert. Sein Eindruck sei, dass das BMEL einem Fondsmodell eher skeptisch gegenüberstehe Juristen „klipp und klar“ sagen, dass eine staatlich verordnete Sonderabgabe für einen Tierwohlfonds verfassungswidrig wäre, und auch ein privater Fonds, in den alle Verkäufer von tierischen Lebensmitteln - Supermärkte, Kantinen, Metzger, Hofläden usw. - einzahlen müssten, sei nicht die Lösung, denn die Verwaltungs- und Handlingskosten seien viel zu hoch und gingen in die Millionen.

„Am Ende hat es die FDP in der Hand: Will sie die landwirtschaftlichen Unternehmer im Land halten, muss sie sich bei der Finanzierungsfrage endlich bewegen. Mehr Tierwohl geht nur, wenn der Staat seine Finger im Spiel behält und den Umbau langfristig absichert. Die Wirtschaft allein kann das nicht regeln“, so der Kompetenznetzwerk-Vorsitzende abschließend.

Doch bewegen will sich die FDP offensichtlich nicht und sieht darin sogar einen Erfolg. „Es kann auch ein Erfolg sein, wenn etwas nicht umgesetzt wird, weil es aus unserer Sicht falsch ist“, erklärt Gero Hocker im AgE-Interview zur Blockade-Haltung seiner Partei und hält sowohl eine Steuerfinanzierung über eine höhere Mehrwertsteuer als auch eine Abgabe für ungeeignet zur Finanzierung des Umbaus in der Nutztierhaltung. Und weil das im Gegensatz zu den Ergebnissen der Borchert-Kommission steht, spricht er diesen die „Praxistauglichkeit“ ab. „Die große Leistung dieser Kommission und ihres Vorsitzenden besteht darin, dass alle Akteure an einen Tisch gebracht wurden und man sich auf ein Konzept geeinigt hat. Ich bezweifele aber, dass dieses Konzept dauerhaft praxistauglich ist“, so Hocker.

Ob diese Haltung bei Bauern und Bäuerinnen auf Zustimmung stößt, darf bezweifelt werde. Nach noch vor gar nicht langer Zeit großen Zustimmungswerten zugunsten der FDP gerade auch aus den Reihen der Landwirtschaft, sind diese in jüngster Zeit deutlich zurückgegangen.   

Und mit Blick auf die niedersächsische FDP-Vorschläge gilt, was Jochen Borchert im Interview mit top agrar äußert: „Das ist ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver der niedersächsischen Landes-FDP. Denn in Niedersachsen finden am 9. Oktober Landtagswahlen statt.“