Biomarkt erholt sich – wird alles wieder gut?

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ Dass der Biomarkt mal so sehr von der Inflation abhängig ist, hätten vor ein paar Jahren auch Ökonomen nicht unbedingt vorhergesehen. Im April hat sich die Inflationsrate bei 2,2% stabilisiert. Zugleich erholt sich auch der Biomarkt in der Breite. Der Wachstumstreiber Discount schreibt weiterhin gute Zahlen, aber auch der Naturkosthandel hat im ersten Quartal fast 5% zugelegt. Die schwarzen Wolken von 2022/ 23 scheinen sich erst einmal zu verziehen. Nicht nur die preisbedingten Umsätze, auch die Absätze steigen leicht an. Selbst viele Direktvermarkter sehen zuversichtlicher in die Zukunft. Die bäuerlichen Erzeuger trauen dem „Marktwetter“ noch nicht. Es könnte auch ein kurzer Sonnenschein nach der längeren Regenperiode sein. Und ob es sich auch lohnt, hängt ja von den Erzeugerpreisen ab und nicht nur von der Stimmung der Absatzakteure.

Bio-Milch stabil schlecht

Der Bio-Milchmarkt kommt aus einer schwierigen Phase. War der Milchpreis über Jahre ein Hort der Stabilität, geriet er in der Zeit der Kostensteigerungen und der Absatzkrise 2023 in Turbulenzen. Dabei war der Erzeugerpreis im Jahresschnitt 2022 auf den Rekordwert von 58 ct/kg angezogen und hatte ordentliche Einkommen beschert. In 2023 sank er (nur) um ca. 1 Cent, aber angesichts der explodierten Kosten für Futter, Energie, Bauten, Personal usw. wurde der Orientierungspreis von Bioland/Naturland oder Milk Board um mehr als 10 Cent verfehlt, lag also ca. 20% unter Kostendeckung. Genau so bedeutend war die erstmalige Überschussproduktion. Denn während die Anlieferung um fast 5% anstieg, schaltete der Absatz den Rückwärtsgang ein, was Forderungen erschwerte. In diesem Jahr kommt der Markt erst allmählich in Bewegung. Der Auszahlungspreis verharrt laut Bioland-Informationen bei gut 55 ct/kg, während die Erzeuger nach Berechnungen der Bioverbände eigentlich 69,6 ct/kg erzielen müssten. Die Umstellungsrate ist gerade in der Bio-Milchregion Bayern sehr verhalten. Milch und Grünland ist der wichtigste Träger des Bioanbaus. Wenn sie kriseln, kränkelt auch die Umstellung auf Öko.

Bio-Schweinefleisch knapp und gefragt

Anders verhält es sich beim Schweinefleisch. „Bioschweine laufen gut,“ heißt es bei den Erzeuger(gemeinschaften). Trotz eines Markttrends zu mehr veganer Ernährung schwimmt der Absatz auf einer Welle der Knappheit. Ferkel sind gesucht und mit 160 bis 170 € auch teuer. Die Schweinepreise steigen moderat, aber das Futter ist um 15% günstiger geworden. Der Verkauf vor allem im LEH/Discount (bitte beachten: Nische von 1% Marktanteil) wird eher ausgedehnt und soll möglichst aus heimischer Erzeugung bestückt werden, wofür aber die Warenverfügbarkeit nicht ausreicht. Deshalb gehen die Importe niederländischer und dänischer Ferkel erst allmählich zurück. In 2022/23 wurde der Bio-Schweinefleischmarkt noch zu ca. 30% aus Dänemark und Holland versorgt. Die Bioverbandszugehörigkeit bleibt durch die vertraglichen Regelungen von Aldi/Lidl bis Rewe/Edeka wichtig, so dass Warenströme von EU-Bio zu den Verbänden fließen. Die vom LEH geforderte deutsche Herkunft (5xD, von der Geburt bis zur Theke) ist kaum einzuhalten, urteilen die Marktkommentatoren der AMI. Die Ferkelerzeugung bleibt der Engpass des Marktwachstums. Da die Wurstsortimente an Bedeutung gewinnen, kann auch die Inwertsetzung des ganzen Tieres gesteigert werden. „Hauptsache ein Bioschwein“ macht sich wieder in der Branche breit.

Andererseits: 29,90 € für ein Kilo Bioschnitzel, wie diese Woche bei tegut (und vom 6. bis 11. Mai in Aktion für 24,90 €/kg), müssen erst mal bezahlt werden.

Bio-Rindfleisch spürbar gefragt

Noch im Herbst sprachen Experten von einem „überversorgten“ Rindermarkt. Bauernlieferungen mussten oft geschoben werden. Das hat sich gewandelt. Die Nachfrage zieht wieder an, auch wenn die Erzeugerpreise noch 20 ct/kg unter Vorjahr und mehr als 1 €/kg unter dem Rekordhoch vom Frühjahr 2022 liegen. Offensichtlich zeigt die Ankündigung von Aldi und Co. Wirkung, ab sofort frisches Rindfleisch nur noch aus Haltungsstufe 3 oder 4 (Bio) zu beziehen – so Erklärungen in der Bio-Szene. Gerade für den „Renner“ Hackfleisch wird wohl auch häufig Bioware genommen, um Mengen zu ziehen. Ob das nur für eine Übergangsphase gilt oder der Markt wieder ins Gleichgewicht kommt oder gar dreht, wird sich noch zeigen.

Interessant ist, dass die Discount-Initiative auch den konventionellen Rindermarkt differenziert. Ab Anfang Mai wird es eine eigene Notierung der VEZG (Vereinigung der Erzeugergemeinschaften) für Haltungsform 3 geben. Der Marktbeobachter wird nächste Woche berichten.

Bio-Getreide: Hoffen und Bangen für die neue Ernte

Das Getreidejahr 2023 war zum Vergessen. Schwierige Erntebedingungen, mäßige Erträge, abgestrafte Qualitäten und schlechte Preise. Brotgetreide war knapp, aber trotzdem der Preis nicht ausreichend. Das Angebot an Futtergetreide ist immer noch zu groß für die schwache Nachfrage. Der Preis sank steil auf 250 €/t für EU-Bio und 290 € für Verbandsware; 30% und mehr unter Vorjahr, da die Bio-Tierzahlen für diese Menge zu gering ist. Ohne die Tiere wäre die Ware verstärkt in Biogasanlagen gegangen. Einige Erzeuger halten noch alterntige Ware (z.B. Dinkel) zurück in der Hoffnung auf bessere Preise.

Bio-Kartoffeln gut im Preis

Der Markt für Bio-Kartoffeln hat das schwierige letzte Erntejahr gut bestanden. Das Angebot ist gut bedarfsdeckend bis weit in den Mai, auch wenn vermehrt Qualitätsprobleme auftauchen. Der Zeitraum für importierte Bio-Ware bzw. Frühkartoffeln wird dadurch immer enger. Bald wird man ganzjährig heimische Bio-Kartoffeln anbieten können. Der Erzeugerpreis ist erstaunlich und liegt nach zweimaligen Lageraufschlägen bei ca. 75 €/dt (Vorjahr 55 €). Auch der Absatz hat sich nach einem Einbruch in 2023 seit Jahresbeginn positiv entwickelt. Selbst der Markt für Chips und Pommes kommt ganz allmählich voran, liegt aber noch bei trostlosen 1% am Produktenmarkt.

Ob das Wachstum in diesem Sektor (gerade bei diesen Preisen) so weitergeht, bleibt umstritten. Nur eine strenge Anbaudisziplin gepaart mit Investitionen in Lagertechnik wird das Angebot im Gleichgewicht mit der Nachfrage halten und auskömmliche Preise ermöglichen.

Bio-Eier wieder im Kommen, aber die Marge?

Seit dem Weihnachtsgeschäft sind Bio-Eier wieder zurück. Nach einem schwachen bis verheerenden Absatz in 2023, der viele Ställe leer ließ, ist die Auslastung der Kapazitäten deutlich verbessert. Produktion und Verkauf ziehen an. Zu Ostern konnten nicht alle Anfragen erfüllt werden. Der Eierpreis stieg um 1 bis 2 Cent. Aber Bio-Hühnerhalter dürfen nicht unterschätzen, dass Freilandeier inzwischen eine echte (Preis-)Konkurrenz sind. Auch wenn der Preis im Laden Richtung 50 Cent orientiert, passt der Gewinn nicht. Laut Berechnung von Beratern liegt die Marge bei Eiern aus Bodenhaltung um 20% höher als bei Bio-Eiern. Das Bio-Futter, die Bio-Junghennen und die teils verpflichtende Aufzucht von Bruderhähnen verteuern die Produktion erheblich. Das können große Betriebe besser wegstecken. In die staatliche Meldestatistik gehen nur Betriebe über 3.000 Hühnerhaltungsplätze ein. Bei Bio sind das 616 Betriebe, die im Schnitt über 12.000 Hennen halten. Für kleinere Betriebe bleibt die aufwendige, aber lukrativere Direktvermarktung.

Der Marktbeobachter sieht erst einmal wieder eine bessere Lage auf dem Biomarkt. Nach der Inflations-Absatzkrise von 2022/23 hellt sich in mehreren Produktbereichen die Stimmung auf, vor allem dort wo der Einzelhandel Tempo macht. Mutmachen und Perspektive sind zurzeit gern gehört und dabei kann der Bioanbau eine wichtige Rolle spielen – auch im Hinblick auf politisch vernachlässigte Klima- oder Diversitätsanforderungen. Deshalb ist keine Häme angesagt, wie sie sich in manchen Agrarblättern und Landwirtschaftsgruppen ausgebreitet hat. Aber die vorsichtigen Erfolgsmeldungen haben einen Pferdefuß, weil sie stark auf den Lebensmittelkonzernen beruhen. Manche Verbandsfunktionäre halten sie für den Schlüssel zum Erfolg, andere trauen deren Treue- und Liebesschwüren nicht. Die Nagelprobe kommt noch. Jedenfalls ändert sich das Verbändewesen schon nachhaltig. Doch das ist noch ein anderes Thema.