Europäischer Rechnungshof: Lücken und Unstimmigkeiten beeinträchtigen den Erfolg der Politik beim Ökolandbau

Ein vom Europäischen Rechnungshof veröffentlichter Bericht äußert Zweifel an der Wirksamkeit der EU-Förderung für den ökologischen Landbau. Die derzeitige Strategie weise erhebliche Mängel auf, und es gebe für die Bio-Branche weder eine Vision noch Ziele über 2030 hinaus. Zwar habe dank der jährlichen EU-Milliarden die ökologisch bewirtschaftete Fläche zugenommen, doch werde den Anforderungen und dem Bedarf des Sektors zu wenig Beachtung geschenkt. Infolgedessen sei die biologische Produktion nach wie vor ein Nischenmarkt, und die Prüfer warnen, dass die EU ihre entsprechenden Ausbauziele wohl deutlich verfehlen dürfte. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) begrüßt den Bericht des Rechnungshofes. Nach Asicht der Europaabgeordneten Maria Noichl (SPD) legt der Rechnungshof „den Finger in die Wunde“ und für den grünen EU-Abgeordneten Martin Häusling zeigt der Bericht Missstände auf, die „die Branche mürbe machen“.

Der ökologische Landbau ist laut Rechnungshof ein wichtiger Bestandteil der EU-Strategie "Vom Hof auf den Tisch" und spiele auch bei der Verwirklichung der ehrgeizigen Umwelt- und Klimaziele der EU eine Rolle. Zwischen 2014 und 2022 erhielten die europäischen Landwirte rund 12 Milliarden Euro an Fördergeldern aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), um auf Bio-Landbau umzustellen bzw. bei ökologischen Anbauverfahren zu bleiben. Bis 2027 sollen dafür weitere knapp 15 Milliarden Euro fließen. In den EU-Ländern wird jedoch in unterschiedlichem Umfang Bio-Landbau betrieben: So reicht die ökologisch bewirtschaftete Fläche von weniger als 5% in den Niederlanden, Polen, Bulgarien, Irland und Malta bis zu über 25% in Österreich.

"Die europäische Landwirtschaft wird umweltfreundlicher, und der ökologische Landbau spielt dabei eine Schlüsselrolle. Für einen dauerhaften Erfolg reicht es jedoch nicht, sich auf die Ausweitung der ökologisch bewirtschafteten Flächen zu konzentrieren. Es muss mehr getan werden, um den Sektor als Ganzes zu unterstützen. Dazu gehört die Entwicklung des Marktes und die Steigerung der Produktion", so Keit Pentus-Rosimannus, für die Prüfung zuständiges Mitglied des Rechnungshofs. "Anderenfalls laufen wir Gefahr, ein System mit Schlagseite zu schaffen, das vollständig von EU-Mitteln abhängig ist, anstelle einer florierenden Branche, die von gut informierten Verbrauchern getragen wird."

Die Prüfer stellten fest, dass bei der GAP-Förderung Umwelt- und Marktziele ausgeblendet werden können. Beispielsweise könnten Landwirte auch dann EU-Mittel erhalten, wenn sie keinen Fruchtwechsel durchführen oder Tierschutzstandards nicht einhalten – beides eigentlich Grundprinzipien des ökologischen Landbaus. Außerdem sei es laut den Prüfern gängige Praxis, dass für den Anbau von Bio-Kulturen Genehmigungen für die Verwendung von konventionellem Saatgut erteilt werden. Zudem gebe es derzeit keine Möglichkeit zu messen, inwiefern der Öko-Landbau vorteilhafter für die Umwelt ist.

Mit der GAP-Förderung sollten die Zusatzkosten und Einkommensverluste ausgeglichen werden, die Landwirten durch die Umstellung von konventionellem auf biologischen Landbau entstehen. Dass ökologisch produzierende Landwirte jedoch keine Bio-Erzeugnisse herstellen müssten, um EU-Gelder zu erhalten, trage dazu bei, dass Bio-Produkte nach wie vor nur einen sehr kleinen Marktanteil hätten mit nicht mehr als 4% des Lebensmittelmarktes der EU.

Die Prüfer stellen die EU-Strategie in diesem Bereich ganz allgemein infrage: Auch wenn der derzeitige Aktionsplan eine Verbesserung gegenüber dem vorherigen darstelle, fehlten darin wichtige Elemente. So enthalte auch der aktuelle Plan weder angemessene und quantifizierbare Ziele für den Öko-Sektor noch Möglichkeiten zur Messung der Fortschritte. Darüber hinaus weisen die Prüfer darauf hin, dass es keine strategische Vision für die Zeit nach 2030 gibt, die der Branche eine solide Planung für eine erfolgreiche Zukunft ermöglichen würde.

In der Praxis bestehe das einzige – im Übrigen nach Ansicht des Rechnungshofes unverbindliche – Ziel der EU darin, die ökologisch bewirtschaftete Fläche zu vergrößern. Allerdings gebe es bei der Entwicklung des Bio-Landbaus und den Bestrebungen, ihn auszuweiten, erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen EU-Ländern, sodass die EU Gefahr laufe, ihr Ziel – 25% biologisch bewirtschaftete Fläche bis 2030 – zu verfehlen. Um wieder auf Kurs zu kommen, so die Mahnung der Prüfer, müsste sich die Rate der Umstellung auf biologische Landwirtschaft in Europa verdoppeln.

BÖLW: Bund und Länder verfolgen Öko-Ziele nur halbherzig

Der BÖLW begrüßt den Öko-Bericht des EU-Rechnungshofes. “Es ist richtig, dass der Europäische Rechnungshof die EU-Kommission dazu auffordert, den Öko-Landbau zum Erreichen wichtiger Umweltziele besser zu unterstützen und das Farm-to-Fork-Ausbauziel von 25 Prozent verbindlich zu machen. Die Möglichkeiten der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) – etwa auch zur Förderung von Marktteilnehmern in Verarbeitung und Handel – werden dazu in der Tat nicht ausreichend genutzt. Gezielt Bäuerinnen und Bauern für höhere Umweltleistungen zu honorieren, entspricht auch den Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft und des „strategischen Dialogs“ der EU“, erklärt Peter Röhrig, geschäftsführender BÖLW-Vorstand.

Der BÖLW teilt auch die Schlussfolgerung, dass die EU-Kommission einen langfristigen Aktionsplan braucht, um Bio zu entwickeln – über den derzeitigen Horizont bis 2030 hinaus.

„Der Rechnungshof nimmt auch die Mitgliedstaaten in die Pflicht. Deutschland muss seine Bio-Strategie mit finanziellen Ressourcen unterfüttern und dabei die gesamte Lebensmittelkette für die Bio-Entwicklung in den Blick nehmen. Nur mit einer starken Bio-Verarbeitung und einem starken Bio-Handel sind die Bio-Ziele zu erreichen. Dass Deutschland bis 2027 die GAP-Mittel für den Biosektor nur für maximal 14 Prozent Bio-Fläche eingeplant hat, zeigt, wie halbherzig Bund und Länder sowohl das EU-Ausbauziel von 25 Prozent als auch das Regierungsziel von 30 Prozent verfolgen“, so Röhrig.

Noichl: In Deutschland ranklotzen

Die SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl unterstreicht anlässlich des Berichts: "Der Europäische Rechnungshof legt den Finger in die Wunde: Dem Bio-Sektor in der EU fehlt es an Planungssicherheit. Die EU-Förderung wird nicht zielgenau eingesetzt. Der Öko-Sektor spielt aber eine Schlüsselrolle bei der Transformation hin zu einer nachhaltigeren Agrarwirtschaft. Der designierte Kommissar Hansen hat heute seine ersten Hausaufgaben bekommen."

Die nationalen Aktionspläne müssen laut Noichl nun auf den Prüfstand. Ebenso müsse Sorge dafür getragen werden, dass die Vorschriften des ökologischen Landbaus in den Mitgliedstaaten konsequent umgesetzt werden. Eine unterschiedliche Anwendung der Vorschriften führe zu Wettbewerbsverzerrung. Die Kommission müsse das unverzüglich angehen.

"Wir müssen auch dringend dafür sorgen, dass wir eine bessere Datenlage bekommen, damit Fortschritte besser messbar gemacht und Umwelt- und Marktziele in die Förderung integriert werden können. Die fehlende Datenlage ist aber nicht nur ein Problem des Öko-Sektors, sondern generell in der Landwirtschaft. Genau dafür macht sich die sozialdemokratische Fraktion seit Jahren stark, genauso wie für eine zielgenauere Förderung, die mehr kleinen und mittleren Betrieben zugutekommen würde und einen effektiveren Einsatz der Steuergelder.Insbesondere in Deutschland müssen wir nun ranklotzen. Hier wird lediglich ein Anteil von 9,8 % der landwirtschaftlichen Gesamtfläche ökologisch bewirtschaftet. Das ist lediglich der 15. Platz im europäischen Vergleich", so Noichl.

Häusling: Ökolandbau dringend ausbauen

Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zitiert den grünen EU-Abgeordneten Martin Häusling mit den Worten, dass der Rechnungshof Missstände aufgezeigt habe, die „die Branche mürbe machen“. „So unambitioniert wie die EU-Kommission bislang agiert, lässt sich das 25-Prozent-Ökolandbau-Ziel sogar auf lange Sicht nicht erreichen“, kritisiert Häusling gegenüber dem RND. Das Verfehlen dieses Zieles wäre aber fatal, denn aus Klima- und Umweltgründen müsse gerade der Ökolandbau dringend ausgebaut werden. Häusling fordert daher attraktivere Bedingungen für einen Bio-Umstieg. „Leistungen, wie der Verzicht auf chemisch-synthetische Düngemittel und Pestizide, die die Biolandwirtschaft für die Umwelt erbringen, müssen vergütet werden, sie ersparen uns Jahr für Jahr gesellschaftliche Kosten in der Nachsorge.“ Auch das Mehr an Tierschutz werde bislang nicht angemessen vergütet.

 

Die Rate der Umstellung auf ökologische/biologische Bewirtschaftungsverfahren müsste sich laut Sonderbericht des Europäischen Rechnngshofes verdoppeln, damit das 25%-Ziel bis 2030 erreicht wird. Quelle: Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes

Die Rate der Umstellung auf ökologische/biologische Bewirtschaftungsverfahren müsste sich laut Sonderbericht des Europäischen Rechnngshofes verdoppeln, damit das 25%-Ziel bis 2030 erreicht wird. Quelle: Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes

Die Rate der Umstellung auf ökologische/biologische Bewirtschaftungsverfahren müsste sich laut Sonderbericht des Europäischen Rechnngshofes verdoppeln, damit das 25%-Ziel bis 2030 erreicht wird. Quelle: Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes