Die EU-Kommission hat am 31. Januar 2024 vor dem Hintergrund und in Reaktion auf die Bauernproteste vorgeschlagen, dass Landwirtinnen und Landwirte in diesem Jahr von dem verpflichtenden Mindestanteil an Brachflächen zum Schutz der Artenvielfalt und Böden (GLÖZ 8) abweichen können und weiterhin für ihre GAP-Direktzahlung in Betracht kommen. Sie sollen die Anforderungen dafür erfüllen, wenn sie auf 7 Prozent ihrer Ackerflächen stickstoffbindende Pflanzen (wie Linsen oder Erbsen) und/oder Zwischenfrüchte anbauen (anstatt 4 Prozent ihres Ackerlandes brachliegend oder unproduktiv zu halten). Während Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sich für den Vorschlag einsetzen will, übt die AbL deutliche Kritik. Kein Verständnis für die Position des Ministers zeigt auch der Deutsche Naturschutzring (DNR).
Aus Sicht der AbL birgt der Vorschlag der EU-Kommission die Gefahr, den bürokratischen Aufwand für die landwirtschaftlichen Betriebe und die Agrarverwaltung nochmals stark zu verschärfen. Ob der Anbau von Leguminosen als Alternative zur Bereitstellung von Brachflächen und Landschaftselementen in Deutschland überhaupt genutzt werden kann, ist vor dem Hintergrund der Förderung des Leguminosenanbaus in den Öko-Regelungen und der 2. Säule aus Sicht der AbL zweifelhaft. Sicher sei hingegen, dass sich der administrative Mehraufwand im Falle einer Umsetzung nennenswert erhöhen würde.
Und: Für viele Betriebe wird die Option des Anbaus von Zwischenfrüchten voraussichtlich nicht gut umsetzbar sein, da sie nicht über eine ausreichende Anbaufläche verfügen, so die AbL. Diese müsste im Gegensatz zu den 4 Prozent an nicht produktiven Flächen aufgrund des Anrechnungsfaktors 0,3 insgesamt gut 23 Prozent der Ackerfläche ausmachen. Dadurch käme diese Ausnahmeregelung vor allem dem intensiven Maisanbau zugute. Sehr viel sinnvoller als eine indirekte Förderung des Anbaus von Mais wäre eine Honorierung der Betriebe, die seit Jahren über einen hohen Flächenanteil an Landschaftselementen verfügen, ohne diesen in Wert setzen zu können.
Ottmar Ilchmann, Landwirt und Mitglied der Fachgruppe GAP der AbL führt aus: „Das medial groß ausgeschlachtete Entgegenkommen der Europäischen Kommission gegenüber den protestierenden Bäuerinnen und Bauern ist Augenwischerei. Der bürokratische Mehraufwand für alle Beteiligten steht voraussichtlich in keinem Verhältnis zum Nutzen. Das trifft insbesondere dann zu, wenn man den Schaden für den Artenschutz mit einrechnet. Betriebe ohne einen nennenswerten Anteil an Sommerungen werden die vorgeschlagenen Optionen zudem kaum nutzen können. Minister Özdemir, der den Vorschlag der Europäischen Kommission eilig begrüßt hat, sollte gut darüber nachdenken, ob sich die kurzfristig vorgeschlagene Anpassung letztlich wirklich lohnt. Sollte er an seiner Position festhalten, muss er umso mehr die Frage beantworten, wie er den Artenschutz in der Landwirtschaft kurzfristig sicherstellen möchte. Aus Sicht der AbL ist dies nur durch eine substanzielle Ausweitung der Öko-Regelungen zu erreichen.“
Unklarheiten ergeben sich laut AbL auch für Öko-Regelung 1, da die Bereitstellung von 4 Prozent an Landschaftselementen oder Brachflächen in den Grundanforderungen (Konditionalität) quasi das Eingangstor für die Förderung von Brachflächen in dieser Öko-Regelung darstellt. Unklar ist auch, wie mit den Brachflächen der ökologischen Vorrangflächen aus dem Jahr 2022 verfahren werden soll, die bei der Aussetzung der Stilllegung im Jahr 2023 erhalten bleiben mussten.
Özdemir will für den Vorschlag werben
In Reaktion auf den Vorschlag der EU-Kommission hat Minister Özdemir erklärt: „Ich werbe innerhalb der Bundesregierung dafür, dass wir dem Vorschlag der EU-Kommission zu den Brachflächen zustimmen. Zugleich stellen sich für uns Fragen der Umsetzung und für unseren GAP-Strategieplan, denn wir brauchen auch weiterhin einen effizienten und effektiven Schutz der Artenvielfalt, die schließlich auch ein unverzichtbarer Produktionsfaktor für unsere Landwirtschaft ist. Wir können nicht die eine Krise auf Kosten einer anderen lösen.“
DNR: Özdemir knickt vor Agrarlobby ein
Deutliche Kritik an dem Vorschlag und der Reaktion des Ministers zeigt der DNR. „Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir knickt vor dem Druck der Agrarlobby ein und opfert ohne Not ein wichtiges Instrument zur Schaffung von ökologischen Rückzugsflächen in unseren Agrarlandschaften. Mit der Ankündigung, den Vorschlag der EU-Kommission zur Aussetzung der Stilllegungspflicht zu unterstützen, bricht Özdemir auch sein Versprechen aus dem Jahr 2022, dass die bisherige Ausnahme ausdrücklich nur für das Jahr 2023 galt. Damit fällt er auf das längst überwunden geglaubte Niveau der Agrarpolitik aus der letzten Legislaturperiode zurück“, erklärt DNR-Präsident Kai Niebert. „Der Vorstoß ist umso unverständlicher, da sich die Agrarmärkte im letzten Jahr deutlich erholt haben und es keine sachliche Begründung für eine Freigabe der Brachen gibt. Ein Aussetzen der Brachepflicht bedeutet daher einen maximalen ökologischen Schaden bei minimalem ökonomischem Nutzen für die Landwirtschaft. Wir appellieren an Bundesminister Özdemir, an den bisherigen Regelungen festzuhalten und sich für zukunftsfähige Lösungen einzusetzen, die Naturschutz und Landwirtschaft gleichermaßen voranbringen“, so Nieber.