"Chance verpasst, Herr Minister Özdemir"

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat am vergangenen Freitag den überarbeiteten GAP‑Strategieplan für Deutschland bei der Europäischen Kommission zur Genehmigung eingereicht. Der hat nach Ansicht von Özdemir „eine klare Botschaft: mehr Umweltschutz, mehr Nachhaltigkeit, starke Betriebe und attraktive ländliche Räume.“ Die AbL sieht in dem Plan demgegenüber „keine klare Zukunftsperspektive“ für viele Bäuerinnen und Bauern und spricht von einer „verpassten Chance“. Bioland kritisiert, dass die Nachbesserung am nationalen GAP-Strategieplan das Zwischenziel 12 Prozent Öko-Fläche bis 2027 ausgibt und damit Bund und Länder ihre eigenen Ziele ignorieren.

Für das Bundeslandwirtschaftsministerium ist der jetzt eingereichte GAP-Strategieplan ein „großer Schritt in Richtung Planungssicherheit für die Landwirtinnen und Landwirte“.  Aufbauend auf dem ursprünglichen Entwurf, der in seiner Grundausrichtung erhalten bleibe, sei im GAP-Strategieplan auf Basis der Brüsseler Anmerkungen insbesondere bei Klima-, Umweltschutz und dem Erhalt der Biodiversität nachjustiert worden.

„Unser ‚GAP-Strategieplan 2.0' sendet eine klare Botschaft: mehr Umweltschutz, mehr Nachhaltigkeit, starke Betriebe und attraktive ländliche Räume. Damit unterstützen wir den notwendigen Transformationsprozess der Landwirtschaft, stärken die Resilienz der landwirtschaftlichen Betriebe und unterstützen die Landwirtschaft, die Folgen der Klimakrise zu bewältigen. Deshalb haben wir auch die GLÖZ-Standards und die Öko-Regelungen weiterentwickelt. Besonders wichtig ist mir, die Umsetzbarkeit durch die Landwirtinnen und Landwirten dabei immer im Blick zu haben", erklärt Minister Özdemir.

Fast 300 Bemerkungen der EU-Kommission zum im Februar erstmals eingereichten GAP-Strategieplan seien in den vergangenen Monaten mit den Ländern und innerhalb der Bundesregierung verhandelt, mit der Kommission informell vorabgestimmt und schließlich in den Strategieplan eingearbeitet worden. Özdemir: „Was wir jetzt in Brüssel einreichen ist mit der Kommission intensiv abgestimmt. Wir rechnen daher mit einer zügigen Genehmigung durch Brüssel noch im Spätherbst – jetzt sind wir auf der Zielgeraden." Parallel würden jetzt die notwendigen Anpassungen in den nationalen GAP-Verordnungen vorbereitet, die dann noch im Herbst im Bundesrat behandelt werden sollen, so Özdemir.

Ausblickend betonte Bundesminister Özdemir, dass nach Genehmigung des GAP-Strategieplans ein nationaler Begleitausschuss von Wirtschaft-, Sozial- und Umweltpartnern eingerichtet werden soll, der die Umsetzung und Weiterentwicklung des GAP-Strategieplans flankiert. Özdemir weiter: „Wir wollen aus der Umsetzung des GAP-Strategieplans lernen. Dafür werden wir eine begleitende Evaluierung durchführen, um künftig Förderinstrumente noch zielgerichteter auszugestalten. Damit leisten wir auch wichtige Vorarbeiten, die als Grundlage für die Weiterentwicklung der GAP nach 2027 dienen sollen. Unser Ziel ist, dass künftig gesellschaftliche Leistungen der Landwirtschaft noch besser honoriert werden."

AbL: Das BMEL beschränkt sich auf das absolut notwendige Minimum an Anpassungen

Deutliche Kritik an dem eingereichten Plan kommt vom AbL-Bundesvorsitzenden Martin Schulz. „Die kommende Reform der GAP verfehlt nicht nur die Ziele im Bereich des Klima- und Umweltschutzes, sondern ist auch unsozial und bietet für viele Bäuerinnen und Bauern keine klare Zukunftsperspektive. Minister Özdemir hatte nach der Bundestagswahl die reale und große Chance, die Fehlentscheidungen seiner Vorgängerin zu korrigieren und die GAP ökologischer und gerechter zu machen. Dies hat er klar versäumt“, so Schulz, der seine Kritik um die folgenden Forderungen ergänzt: „Die Komplexität der GAP ist nicht mehr zu vermitteln. Das gilt von der Praxis über die Beratung und Verwaltung bis in die Politik. Mit der kommenden Reform 2027 muss daher ein komplett neues und nachvollziehbares System aufgesetzt werden. Ziel dieses Systems muss eine gerechte Entlohnung von Klima-, Umwelt- und Tierwohlleistungen sein. Das AbL-Bonussystem und die Gemeinwohlprämie des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege (DVL) liefern hierfür eine hervorragende Grundlage. Minister Özdemir wäre daher gut beraten, wenn er diese Modelle zum Ausgangspunkt der im Koalitionsvertrag vereinbarten Erarbeitung eines neuen Konzeptes für die GAP machen würde, welches im kommenden Jahr vom BMEL vorgestellt werden soll. Die jährlichen Anpassungsmöglichkeiten der bald beginnenden Förderperiode müssen genutzt werden, um den grundlegenden Umbau der GAP einzuleiten. Konkret bedeutet dies, das Budget der Öko-Regelungen stückweise anzuheben, eine zusätzliche Öko-Regelung für die Weidehaltung von Milchkühen einzuführen und für eine zielgerichtete Verteilung der Mittel der sogenannten Basisprämie, z.B. durch eine deutliche Erhöhung der Umverteilungsprämie für kleine und mittlere Betriebe, zu sorgen.“

Die Bundesregierung hatte erstmalig am 20.02.2022 ihren GAP-Strategieplan bei der Europäischen Kommission eingereicht. Am 20.05.2022 übersandte diese, im sogenannten „Observation Letter“, wiederum Anmerkungen zum Plan, stellte „eindeutige Mängel“ fest und forderte Nachbesserungen. Anstatt diese Steilvorlage, so der AbL, für eine progressive Anpassung der GAP aufzunehmen, beschränkte sich das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf das absolut notwendige Minimum an Anpassungen. Von einer Genehmigung des jetzt erneut eingereichten Strategieplanes muss nach Ansicht der AbL alleine aufgrund des viel zu engen Zeitplanes und des über Jahre verschleppten Prozesses des BMEL ausgegangen werden.

Bioland: Nachgebessert? Am Ziel vorbei!

Bioland verweist auf das im Strategieplan neue Zwischenziel auf dem Weg zu 30 Prozent Bio bis 2030: 12 Prozent Öko-Fläche bis 2027. Damit verschlechtere der neue gemeinsame Plan von BMEL und Ländern den bis dahin ausgegebenen Zielwert von 14 auf 12 Prozent (zu Zielen und Stand der Länder siehe die nebenstehende Tabelle). Die Ursache für die Herabsetzung des Zielwerts sind laut Bioland Berechnungsfehler in der ursprünglichen Kalkulation. “Bei einer Ausgangsbasis von 11 Prozent Öko-Fläche heute wäre ein Zuwachs auf 14 Prozent innerhalb der nächsten fünf Jahre schon viel zu wenig gewesen. Die 12 Prozent konterkarieren das 30-Prozent-Ziel jetzt allerdings noch viel deutlicher”, kommentiert Bioland-Präsident Jan Plagge. “Die Bundesländer scheinen ihre eigenen Zielwerte zu ignorieren. Denn sie sind letztendlich für das nun noch niedrigere Ziel verantwortlich, da sie im Strategieplan ihre Flächen- und Budgetplanung für den Ökolandbau selbst melden.”

Zu Jahresbeginn wurden bundesweit rund 1,8 Mio. Hektar ökologisch bewirtschaftet. Das 30-Prozent-Ziel bis 2030 entspricht einer Öko-Fläche von etwa 5 Mio. Hektar. „Um in den nächsten 8 Jahren auf 30 Prozent Bio-Fläche zu kommen, brauchen wir einen jährlichen Zuwachs von rund 400.000 Hektar”, rechnet Plagge vor. “Mit dem Schneckentempo, das sich aus dem Zwischenziel ergibt, kommen wir da bei weitem nicht hin.” Plagge appelliert an die Bundesregierung, zur Not auch alternative Wege zu suchen: “Wenn die Bundesländer offensichtlich nicht mitziehen, dann muss der Bund eigene Mittel für den Bio-Ausbau bereitstellen, denn sonst kann die Konsequenz nur das Scheitern des 30-Prozent-Ziels sein.” 

Insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Situation müsse die Politik dafür sorgen, dass der Bio-Ausbau nicht steckenbleibt. Bioland-Präsident Plagge unterstreicht: “Gerade jetzt zeigen sich die besonderen Stärken des Ökolandbaus, der mit Kreislaufwirtschaft und flächengebundener Tierhaltung das deutlich resilientere System ist. Die Politik darf nun nicht den Fehler machen, aufgrund der schwierigen Lage mit steigenden Preisen und Absatzrückgängen im Lebensmittelmarkt, die Bio-Transformation zu verlangsamen. Ganz im Gegenteil, sie muss die Betriebe jetzt noch besser unterstützen, damit der Ausbau schneller gelingt.”

Hintergrundinformationen des BMEL

Das BMEL hat in einer Mitteilung die folgenden Hintergrundinformationen zu den Anpassungen im GAP-Strategieplan im Vergleich zur Ersteinreichung veröffentlicht.

Folgenden Anpassungen wurden bei der Wiedereinreichung des deutschen GAP-Strategieplans bei der Ausgestaltung der Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ) vorgenommen:

  • Der Schutz von Feuchtgebieten und Mooren (GLÖZ 2) wird gestärkt. So darf insbesondere die Neuanlage von Entwässerungsanlagen nur nach Genehmigung im Einvernehmen mit den Umweltbehörden in den jeweiligen Ländern erfolgen.
  • Zum Risiko der Bodenerosion (GLÖZ 5) durch Bodenbearbeitung wird mit Augenmaß und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Böden bundesweit bei den Schutzmaßnahmen nachgesteuert.
  • Zur Mindestbodenbedeckung (GLÖZ 6) werden sowohl für bestimmte Dauerkulturen mit einer vorhandenen Begrünung als auch für Ackerland Anforderungen eingeführt, um den Schutz in den sensibelsten Zeiten zu verbessern.
  • Die Regelungen für den Fruchtwechsel (GLÖZ 7) sehen vor, dass mindestens auf einem Drittel der Flächen ein jährlicher Wechsel bei der Hauptkultur erfolgen muss und auf mindestens einem weiteren Drittel dieser Wechsel jährlich oder spätestens nach drei Jahren mit einer Zwischenfrucht oder einer Begrünung infolge einer Untersaat erfolgen kann. Auf dem verbleibenden Drittel reicht ein Fruchtwechsel im dritten Anbaujahr.
  • Zur Steigerung der positiven Umweltwirkungen von Brachflächen (GLÖZ 8) wurde das Datum der frühestmöglichen Wiederaufnahme des Anbaus vom 15. August auf den 1. September verschoben außer für Winterraps und Wintergerste. Neben der Selbstbegrünung der Flächen wird nun auch eine aktive Begrünung erlaubt, allerdings nicht mit landwirtschaftlicher Kultur in Reinsaat.

Bei den Öko-Regelungen wurden folgende wesentliche Anpassungen vorgenommen:

  • Die Prämienhöhe für die Öko-Regelung 2 „Vielfältige Kulturen im Ackerbau" wurde von 30 auf 45 Euro je Hektar jährlich angehoben, um einen höheren Anreiz für die Teilnahme zu setzen. Dies kann die Importabhängigkeit von Eiweißpflanzen verringern.
  • Mit dem Ziel der Senkung von Treibhausgasemissionen bzw. der Anreicherung von Kohlenstoff im Boden wurde bei der Öko-Regelung 4 „Extensivierung des Dauergrünlandes" ein grundsätzliches Pflugverbot im Antragsjahr eingeführt.
  • Bei der Öko-Regelung 1b zu Brache und Blühstreifen wurden die nichtproduktiven Zeiträume im Grundsatz verlängert. Eine aktive Begrünung von Brachflächen darf auch bei der Öko-Regelung nicht mit landwirtschaftlicher Kultur in Reinsaat erfolgen. 

Hinsichtlich der Interventionen der 2. Säule wurden folgende wesentliche Anpassungen vorgenommen:

  • Es konnte perspektivisch mit der Europäischen Kommission geklärt werden, dass die Auszahlung der Ökolandbau-Prämie auch auf Brachflächen möglich ist und diese grundsätzlich auch mit den Öko-Regelungen nichtproduktiver Flächen und Blühstreifen kombinierbar ist. Nach Überprüfung der kalkulatorischen Grundlagen und einer entsprechenden Änderung des GAP-Strategieplans wird die zusätzlich Förderung auf den genannten Flächen ab 2024 angestrebt.
  • Interventionen in der 2. Säule wurden insgesamt zielgerichteter ausgestaltet, um die angestrebten Ziele besser zu erreichen. Damit gingen viele technische Anpassungen und zusätzliche Erläuterungen zur Befriedigung des Informationsbedarfs der Europäischen Kommission über die geplante regionale Umsetzung in den Ländern einher. So wurde im Hinblick auf Klimaziele eine neue Intervention mit einem Einkommensausgleich für Aufforstung geschaffen. Zudem wurden in anderen Bereichen mehrere Teilinterventionen angelegt, um eine zielgerichtetere Ausgestaltung der Fördermaßnahmen zu ermöglichen.
  • Darüber hinaus wurden zahlreiche Anpassungen vorgenommen, um Möglichkeiten bzw. Beschränkungen beim Dünge- und Pflanzenschutzmitteleinsatz in Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen zu präzisieren.
  • Mit dem Ziel der Stärkung der Beiträge zur Erreichung von Umwelt- und Klimazielen wurden die Kombinationsmöglichkeiten von Interventionen unter Wahrung des Verbots der Doppelförderung weiter gestärkt.