GLÖZ-Standards, Ökoregelungen, Kombitabellen – seit diesem Jahr läuft bei der EU-Agrarförderung einiges anders als bisher. Am 15. Mai endete die erste Antragsfrist mit den neuen Regelungen. Einige Maßnahmen, die als Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen (AUKMs) aus der zweiten Säule bekannt sind, tauchen nun auch in den neu einzuhaltenden Standards für einen „Guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand“ (GLÖZ) der Konditionalität in der ersten Säule auf und in verschärfter Form dann doch wieder bei den AUKMs. Das ist nicht das Einzige, was im ersten Moment verwirren kann. Die benötigten Informationen – z. B. die Liste mit den Kennarten für die entsprechende Ökoregelung – seitens der Verwaltung standen den Betrieben aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit in vielen Regionen erst sehr spät zur Verfügung. Oft haperte es auch an der Funktion der Online-Antragstellungsprogramme, die insbesondere nicht auf betriebsindividuelle Besonderheiten hin ausgelegt sind.
Die Einjährigkeit der Ökoregelungen wurde insbesondere von konventionell wirtschaftenden Betrieben positiv bewertet, da so bestimmte Verfahren ohne mehrjährige Verpflichtungen ausprobiert werden können. Die zunehmende „Ökologisierung“ der GAP ohne eine entsprechende Einkommenswirksamkeit wird jedoch von einigen Betrieben auch kritisch gesehen. Bei entsprechend steigenden Opportunitätskosten besteht die Gefahr, dass immer mehr Betriebe aus dem System der GAP aussteigen und sich somit auch nicht mehr dessen Kontroll- und Sanktionsmechanismen mit entsprechend hohen Grundanforderungen unterwerfen.
Für Grünland schwierig
Für Milchbauer Ottmar Ilchmann aus Niedersachsen ist es schwer, geeignete Ökoregelungen zu wählen, die den Wegfall der ehemaligen Greening-Gelder kompensieren könnten. Da seine Kühe auf den meisten Grünlandflächen weiden, lässt er keine fünf Prozent Altgrasstreifen stehen, die er mit zusätzlichem Aufwand auszäunen müsste. Dafür reichen auch die geplanten 900 Euro pro Hektar nicht aus – noch dazu, weil im Jahr 2023 die GLÖZ-Vorgabe von vier Prozent nichtproduktiver Fläche und Fruchtwechsel kriegsbedingt ausgesetzt wurde. Auch die vielfältige Fruchtfolge ist für seinen Futterbaubetrieb ungeeignet, da Ackergras, Kleegras und Wechselgrünland als die gleiche Kultur zählen, außer wenn der Leguminosenanteil im Kleegras mehr als die Hälfte ausmacht. Der stets schwankende Anteil könnte bei einer Kontrolle darunterliegen, dieses Risiko nimmt Ilchmann nicht in Kauf. Auch die anderen Ökoregelungen passen nicht zu seinem Betrieb. Eine Extensivierung seines Grünlandes kommt für ihn nicht in Frage und die Kennarten habe man oder man habe sie nicht, das sei eher ein Glücksfall und könne kurzfristig nicht durch eine Bewirtschaftungsänderung herbeigezaubert werden. Als Ausgleich kommen bei ihm nun stattdessen verstärkt AUKMs der zweiten Säule zum Tragen, insbesondere die für Niedersachsen neue Sommerweideprämie für Milchkühe.
Ähnlich geht es auch vielen anderen konventionellen und ökologischen Grünlandbetrieben. Schon beim Beschluss des deutschen GAP-Strategieplans Ende 2022 war klar, dass es weiterer Ökoregelungen für das Grünland bedarf und auch explizit die Weidehaltung durch bundesweit einheitliche Regelungen gefördert werden müsste. Diesbezüglich sieht es allerdings bislang nicht danach aus, als ob die Bundesregierung bereits in diesem Jahr von der Möglichkeit einer Änderung des Strategieplans in Abstimmung mit der EU-Kommission Gebrauch machen wird, da erst einmal die Evaluation der Antragstellung abgewartet werden solle. Dieses Jahr wird allerdings das Bild, wie gut oder häufig welche Ökoregelung angenommen wurde, gerade aufgrund der GLÖZ-Ausnahmeregelungen verzerrt sein. Das wird bei möglichen Rückschlüssen auf zukünftige Förderhöhen und Erweiterungen des Angebotes berücksichtigt werden müssen. Für diejenigen, die dennoch Ökoregelungen beantragen, könnte es bei einer Unterbeanspruchung der angebotenen Maßnahmen zu einer Anhebung der Förderhöhe um bis zu 30 Prozent kommen.
Bedarf an Anpassungen
Grundsätzlich ist der Tenor in Gesprächen mit Bäuerinnen und Bauern, dass von einem Bürokratieabbau bislang nichts zu merken sei und die Umstellung eher noch zu einer Verkomplizierung geführt habe. Auch steht für viele nach wie vor der Wunsch nach besseren Preisen im Vordergrund, gepaart mit der Hoffnung, dadurch weniger auf die EU-Förderung angewiesen zu sein, unter anderem weil man durch die Unterschrift unter den inzwischen elektronischen Antragsformularen aufgrund der Sanktionsandrohungen gefühlt mit einem Fuß im Gefängnis stehe. Dieses Gefühl wird auch durch die zunehmende Überwachung z. B. per Satellitenüberflug oder die zunehmenden Anforderungen an die Dokumentation von Maßnahmen verstärkt. Ein weiteres Gefühl, das den Wunsch nach fairen Preisen und weniger Abhängigkeit von der EU-Förderung entstehen lässt, ist der Mangel an Wertschätzung der täglich geleisteten Arbeit, deren Erlös oft nicht zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausreicht, sondern durch die Einkommensgrundstützung aufgestockt werden muss. Das zeigt, welch langer Transformationspfad weg von einer unqualifizierten Einkommensstützung hin zu einer wertschätzenden Honorierung für die geleisteten Umwelt- und Gemeinwohlgüter, die nicht über den Produktpreis abgebildet werden können, noch vor uns liegt.
Weitere Hemmfaktoren in der neuen GAP sind zum einen der Anstieg des Kontroll- und Sanktionsrisikos bei zunehmender Maßnahmenvielfalt und zum anderen die häufige Durchführung von Gesamtkontrollen bei Einzelmaßnahmenkontrollen. Bei der Maßnahmengestaltung machen besonders Stichtage und Prozentzahlen das Betriebsmanagement unflexibel und führen zum Teil zu unvorhersehbaren unverschuldeten Verstößen, wenn beispielsweise aufgrund der trockenheitsbedingten Futtersituation auf den Weideflächen eine Beweidung bis zum 15. September nicht gewährleistet werden kann. Auch die zunehmende Digitalisierung, die oft der Versuch einer Antwort auf die Forderung nach Bürokratieabbau ist, macht denen zu schaffen, die beispielsweise kein Smartphone nutzen können oder wollen und somit auch nicht ohne Weiteres Kennartenfotos mit Geoinformationen erstellen können, welche in manchen Bundesländern als Nachweis vorgeschrieben sind.
Den Bedarf an Anpassungen, Vereinfachungen und Verbesserungen des deutschen GAP-Strategieplans haben auch die Erfahrungen der Antragstellung wieder aufgezeigt, er ist mehr oder weniger bekannt. Nun kommt es auf den politischen Veränderungswillen an, möglichst frühzeitig entsprechende Weichen zu stellen, damit die Bäuerinnen und Bauern sich darauf einstellen und vorausschauend planen können.