AbL: Kanzler Scholz beugt sich der Agrarindustrie!

Die Bundesregierung hat sich dafür entschieden, die von der EU-Kommission vorgeschlagene Möglichkeit der Aufweichung von GLÖZ 8 in Deutschland 1:1 umzusetzen. Ein Ausgleich dieser massiven Aufweichung des Umwelt- und Klimaschutzes an anderer Stelle (Öko-Regelungen) wurde hingegen vertragt. Das teilt die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft mit und erklärt, dass Kanzler Scholz sich damit zu Gunsten der Streichung der Agrardieselbeihilfe einseitig auf die Seite der Agrarindustrie und Ernährungswirtschaft geschlagen hat und gegen die Empfehlungen seiner eigenen Fachminister Özdemir und Lemke gehandelt hat. Diese hatten sich bereits letzte Woche darauf verständigt, die Aufweichung von GLÖZ 8 durch zusätzliche Öko-Regelungen auszugleichen. Kanzler Scholz stellt sich mit dieser Entscheidung zudem klar gegen die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) aus dem Jahr 2021, die eine Rücknahme von Grundanforderungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) klar mit einer Stärkung freiwilliger Maßnahmen im Bereich des Umwelt-, Klima-, und Tierschutzes (Öko-Regelungen) verbindet.

Ottmar Ilchmann, Landwirt aus der Fachgruppe GAP des AbL-Bundesverbandes kommentiert: „Kanzler Scholz hat sich heute vollständig dem Druck der Agrarindustrie und deren Strippenziehern Friedrich Merz und Joachim Rukwied gebeugt. Die Ampel bezahlt die Streichung der Agrardieselbeihilfe, die in ihrer jetzigen Form vor allem flächenstarken Großbetrieben dient, damit doppelt und dreifach. Die Entscheidung des Kanzlers entbehrt jeder Vernunft und diskreditiert die Zukunftskommission Landwirtschaft. Wer glaubt, er täte uns Bäuerinnen und Bauern etwas Gutes, indem er ökologische Mindeststandards einseitig schleift, ohne den Arten- und Klimaschutz an anderer Stelle sicherzustellen, verkennt, dass gerade die Landwirtschaft essenziell auf ein funktionierendes Ökosystem angewiesen ist. Da die GAP-Gesetzgebung ungeachtet dieser Entscheidung in Kürze trotzdem geöffnet werden muss, haben Minister Özdemir und Ministerin Lemke die Chance, in den kommenden Wochen wenigstens Schadenbegrenzung zu betreiben, indem sie einen ambitionierten Gesetzentwurf inklusive einer zusätzlichen Öko-Regelung für die Weidehaltung von Milchkühen auf den Tisch legen.“

Paket von Minister Özdemir rechnet sich!

Noch in der letzten Woche hatte Minister Özdemir ein Paket zur nationalen Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union angekündigt, das neben der Ausnahmeregelung für GLÖZ 8 auch eine Anhebung des Budgets für die Öko-Regelungen umfassen sollte. Daraufhin erfolgte Berechnungen von Fallbeispielen der AbL zeigten, dass sich ein entsprechendes Vorgehen für die meisten landwirtschaftlichen Betriebe auch betriebswirtschaftlich auszahlen würde.

Dazu erklärte Ottmar Ilchmann: „Unsere Kalkulationen machen deutlich, dass wir Bäuerinnen und Bauern von dem geschnürten Paket zur GAP in Summe voraussichtlich auch wirtschaftlichen profitieren würden. Wer sich gegen dieses Paket stellt, nimmt damit nicht nur billigend in Kauf, dass die Bundesregierung an der Verpflichtung zur Bereitstellung von vier Prozent an Hecken, Bäumen oder Brachen festhalten könnte, sondern schadet der Landwirtschaft langfristig auch wirtschaftlich.“

In Ihren Kalkulationen ist die AbL davon ausgegangen, dass die meisten Landwirtinnen und Landwirte GLÖZ 8 über den Anbau von Zwischenfrüchten erfüllen werden. Entsprechend steht Ihnen ein Umfang von vier Prozent an „zusätzlicher“ Ackerfläche zur Verfügung, auf der noch in diesem Frühjahr Sommerkulturen angebaut werden können. Stellt man den damit verbundenen Mehrertrag einer Reduktion der Basisprämie von rund 13 €/ha gegenüber (dies entspricht einer Erhöhung des Öko-Regelungsbudgets von rund fünf Prozent) bleibt bei den meisten Sommerkulturen unter dem Strich immer noch ein klares Plus im Deckungsbeitrag. Noch nicht mit eingerechnet sind die zusätzlichen Einkommensquellen durch ausgeweitete oder neue Öko-Regelungen.

NABU sieht kein politisches Rückgrat für die Natur

Aus Sicht von NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger ignoriert die jetzt erfolgte Ampelentscheidung die Folgen der Naturkrise und löst darüber hinaus keines der Strukturprobleme der Landwirtschaft: “Kaputte Böden, belastetes Wasser, schwindende Insektenpopulationen und ein Klima außer Rand und Band - seit Jahrzehnten überfordern wir die Belastbarkeit unseres Agrarökosystems. Jetzt sollen wieder die Brachen geopfert werden, die eigentlich ein Versuch waren, das System wieder auf ein Wirtschaften mit der Natur, statt gegen sie umzustellen. Ein ökologischer Rückschritt ohne fachliche Begründung, der allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Natur- und Klimakrise widerspricht. Vor diesem Hintergrund ist die Abschaffung der Umweltstandards bei gleichzeitiger Beibehaltung der pauschalen Flächenprämien eine reine Verschwendung von Steuergeldern”, so Krüger. Dieser Beschluss der Bundesregierung ist für den NABU-Präsidenten nicht nur ein herber Rückschlag für die Artenvielfalt, er stehe mit dem einseitigen Abbau von Mindeststandards und ohne den Ausbau weiterer freiwilliger Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität innerhalb der GAP auch im Widerspruch zu den Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft.

Unionsminister und Bauernverband begrüßen die Entscheidung

Hessens Landwirtschaftsminister Ingmar Jung (CDU) hat die Entscheidung der Bundesregierung begrüßt, dass in diesem Jahr die Stilllegungspflicht bei der Ackerfläche entfällt und es auch keine zusätzliche Kürzung der Basisprämie für die Landwirte gibt. Damit sei das Bundeslandwirtschaftsministerium im Wesentlichen einer Forderung der unionsgeführten Landwirtschaftsministerien der Länder gefolgt.

Ebenfalls begrüßt hat die Entscheidung der Bundesregierung, die Vorschläge der EU zu „GLÖZ 8“ auch in Deutschland 1:1 umzusetzen, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied: „Die Bundesregierung hat verstanden, dass wir Bauern keine weitere Benachteiligung und damit Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit akzeptieren werden. Wir bewerten es positiv, dass die Bundesregierung und die Fraktionen die Zeichen der Zeit erkannt haben. Wir erwarten, dass die Wettbewerbsgleichheit auch bei zukünftig anstehenden politischen Entscheidungen berücksichtigt wird.“