Quo vadis deutsche Schweinehaltung? - Schweinemarkt kommt nicht aus den roten Zahlen

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde

Keine Besserung ist auf dem Schweinemarkt in Sicht. Seit Monaten steigen die Kosten für die Schweinehaltung, während die Erlöse sich nach einem kleinen Hoch im März/April wieder auf dem Rückzug befinden. Nach dem kurzen Frühling mit einem Erzeugerpreis von 1,95 €/kg fiel die Notierung Mitte Mai auf 1,80 €/kg und versucht mit großer Anstrengung, dieses Niveau gegen den wöchentlichen Senkungsdruck der vom Handel getriebenen Industrie wenigstens zu verteidigen. Noch gelingt das, aber bei kräftig rückläufigem Absatz.

Noch schlimmer trifft es mal wieder die Ferkelerzeuger. Erneut geht der Einbruch voll auf ihr Konto. Nach 60 € pro Ferkel um Ostern rutschte der Preis aktuell auf 40 Euro. Wieder ist es den Mästern gelungen, den zusätzlichen Verlust zu kompensieren auf den Schultern der Sauenhalter, dem letzten Glied in der Kette.

Legt man Berechnungen der KTBL bzw. der Landwirtschaftskammern zugrunde, fehlen überschlagsmäßig etwa 60 bis 80 € am Schwein, von dem die Ferkelerzeugung etwa zwei Drittel trägt. Es ist leicht zu verstehen, dass es für die Schweinehalter keinen Sinn macht, quasi Eintrittsgeld für die Arbeit im Stall zu zahlen. Die Folge ist ein deutlicher Rückgang der Produktion seit Neujahr um ca. 10% gegenüber Vorjahr. Offensichtlich reicht es noch nicht. Man muss nicht auf die Zahlen der Mai-Viehzählung warten, um den fortschreitenden Strukturbruch zu kennzeichnen. Für die Betroffenen eine ganz schwierige Zeit. Der AbL-Vorsitzende Martin Schulz drückt aus, was alle denken: “Es gab immer mal schlechte Phasen. Aber so eine Krise wie jetzt, die hatten wir noch nie.“

Absatz stark rückläufig

Auch Erzeugerpreise unter Kostendeckung („Billigfleisch“) konnten den Absatz nicht ankurbeln. Wie immer wartet die gesamte Branche auf den Schwung der Grillzeit, der aber bisher ausbleibt. Im ersten Quartal wurde laut Marktzahlen von Konsumforschern (GfK) der Fleischeinkauf deutlich eingeschränkt. Rindfleisch liegt 20% im Minus und Schweinefleisch 16% gegenüber 2021, obwohl die Verbraucherpreise für Schweinefleisch in dieser Zeit nur um 2% stiegen. Im April erhöhte sich das Schweinefleisch um 11%, was im Verbund mit der allgemeinen Inflationsrate (Energie u.a.) erneut einen Absatzrückgang einleitete. Der Handel versucht sich mit vielen Aktionsangeboten auf Kosten der Hersteller entgegenzustellen. Bisher vergeblich. Aus der Fleischindustrie ist zu hören, dass man auch mit deutlich niedrigeren Schlachtzahlen ausreichend versorgt würde. Einzelne reduzieren bereits ihre Schlachttage oder Schichten.
Insgesamt ist der Fleischverzehr weiter rückläufig, was besonders das Schweinefleisch betrifft. Marktexperten rechnen mit minus 6-10% in diesem Jahr.

Export ist eingebrochen

Noch stärker ist der Export sowohl in Drittländer als auch nach Europa zusammengefallen. Wie Statistiker ermittelt haben, führte Deutschland im ersten Quartal 24% weniger aus als im Vorjahrsquartal. Die Exporte in Drittländer brachen gar um 44% ein. Im Verhältnis zu 2020 verblieb gerade einmal ein Volumen von einem Viertel.
Die Niederlande und Italien sind inzwischen die größten Ausfuhrländer. Aber in die EU geht viel weniger. Inzwischen liegt die deutsche Notierung wieder auf EU-Level, so dass im Export ohne Preiszugeständnisse wenig läuft.

Auch Schlachtunternehmen mit Problemen

Dieser Einbruch geht auch an der „roten“ (Fleisch)-Seite der Branche nicht vorbei, die nach guten Jahren (Chinageschäft) mit roten Zahlen kämpft. Die Auslastung der Werke ging in 2021 und auch bisher in 2022 deutlich zurück. Kostensteigerungen durch Energie, Personal (Mindestlohn), Corona- Sonderauflagen und Logistik führen zu heftigen Umsatz- und Gewinneinbußen. Nach wie vor schlachten die Top 10 etwa 81% der Schweine, angeführt von Tönnies, Westfleisch und Vion, die allein knapp 60% Anteil aufweisen. Alle drei Marktführer haben in 2021 ungewöhnliche Einbußen bilanziert. Auch der vierte im Bunde, der dänische Konzern Danish Crown, der in Deutschland nur einen Standort in Essen/Oldenburg betreibt, ist in schweres Fahrwasser geraten, wie die Zahlen des ersten Halbjahres der Konzernbilanz offenbaren. Der Gewinn verringerte sich um 17%, weil der Anstieg der Produktionskosten mit dem Einbruch der Nachfrage aus China zusammenfiel. Danish Crown hatte bis Herbst 2021 noch gute Geschäfte mit Peking gemacht. Die Umleitung der Exporte nach Europa, USA oder Australien ist „eine große Herausforderung“, wie der Vorstandschef eingestand. Deshalb ist auch der dänische Schweinepreis immer noch deutlich unter dem deutschen, was die heimischen Unternehmen mit Sorge betrachten, da die Dänen vor allem die Wurstindustrie mit Billigangeboten beliefern. Im Frischfleischbereich ist dank der 5xD- (Herkunft aus Deutschland vom Ferkel an)Vereinbarung mit großen Teilen des LEH der Druck aus Dänemark oder Spanien geringer geworden.

Bei Marktversagen ist Politik am Zug

Festzuhalten ist, dass die rückläufige Produktion die Absatzausfälle im In- und Ausland (noch) nicht ausgeglichen hat. Es ist weiterhin von Überschüssen auszugehen, die die Erzeugerpreise drücken. Und das bei kräftig steigenden Betriebskosten. Da diese Lage bereits seit Monaten anhält, kann es nur zum Strukturbruch und zu sozialen Verwerfungen führen. Lange Zeit hat die Schweinebranche (einschließlich der Landwirte) geglaubt, der Markt müsse und könne es richten. Diesen Glauben haben inzwischen nur noch Zyniker oder Marktideologen von der FDP.

Es wäre die Stunde guter Agrarpolitik, aber es gilt, keine Zeit mehr zu verlieren. Man müsste den Abbau der Tierzahlen mit einem Umbau Richtung Tierwohl verbinden und den Prozess sozial begleiten. Es rächt sich, dass die Empfehlungen der Borchert-Kommission nicht schon vor zwei Jahren umgesetzt wurden und jetzt immer noch ruhen. Es steht zu befürchten, dass Betriebe aufhören, die für den Umbau der Tierhaltung in Zukunft dringend benötigt werden. „Die Politik muss Verantwortung übernehmen“ ist das Leitmotiv von Wirtschaftsminister Habeck. Im Landwirtschaftsministerium scheint das noch nicht wirklich angekommen zu sein.