Ferkel- und Schweinestau im Emsland durch ASP – Schweinehalter zahlen die Zeche – Politik und Wirtschaft ohne Lösung

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde

Die Lage im Restriktionsgebiet der Afrikanischen Schweinepest (ASP) im Emsland verschärft sich weiterhin. Zwar ist der Ausbruch der ASP Anfang Juli auf einem Betrieb begrenzt. Dennoch schreibt die EU im Seuchenfall vor, dass in einem Restriktionsgebiet von 10 km um den Ausbruchsbetrieb alle Schweine für 90 Tage gesperrt sind - wenn in dieser Zeit keine weiteren Fälle auftreten. Nach vielen Untersuchungen und Kontrollen gehen die Behörden davon aus, dass es sich um einem Einzelfall handelt, auch wenn man zur Ursache keine Erkenntnisse hat. Die sonst gern genutzte Begründung der Übertragung von Wildschweinen scheidet wohl aus. Damit rückt die von manchen Wissenschaftlern wie Anita Idel favorisierte Argumentation, dass „der Mensch“ der Überträger ist, mindestens für diesen Fall in den Vordergrund.

Lage und Sperrfristen in der Restriktionszone

Laut überzähliger Berechnung von Erzeugergemeinschaften sind im Juli/August etwa 50.000 Schweine schlachtreif geworden, aber nur 7000 Tiere geschlachtet worden. Diese nicht-geschlachteten Tiere haben inzwischen ein Übergewicht – nicht selten von 20 bis 30 kg, die damit eher in die Sauenklasse einsortiert würden. Der durch den Absatzstau verursachte Platzmangel in den Ställen führt zunehmend zu Verstößen gegen den Tierschutz. Mäster können keine Ferkel mehr aufnehmen, so dass sich ein erheblicher Ferkelstau angesammelt hat. Marktkenner gehen davon aus, dass sich etwa 24.000 Ferkel bis Ende August angestaut haben. In den Mastbetrieben stehen oft Ställe leer.

Die Hoffnung vieler Schweinehalter auf Verkürzung der Sperrfrist auf z.B. 60 Tage hat Brüssel abgelehnt. Die Sperre gilt bis zum 5.Oktober, da Reinigung und Desinfektion des Seuchenbetriebs am 5.Juli beendet waren. Zwischenzeitlich gab es Irritationen, dass Brüssel die Sperre auf 100 Tage bis 14.10. ausgelegt hätte. Tatsächlich handelt es sich, so Brancheninsider, um ein Rechenfehler bei der Beantragung, der wohl in Hannover passiert sein soll, aber jetzt nach Berlin weitergeschoben wird (es ist Wahlkampf in Niedersachsen!?). Immerhin hat die EU seiner eigenen Bemessung von 90 Tagen nach Korrektur aus Berlin zugestimmt.
Trotzdem führt es dazu, dass fast ein kompletter Mastdurchgang geschoben wird.

Schlachten und Totkochen   

Aber nicht nur die Situation in den übervollen Ställen ist desaströs. „Überraschenderweise“ stellt sich nun heraus, dass die Vermarktung der Schweine bei allen Seuchenszenarien völlig ausgeblendet war. Jahrelang wurde über Krisenhandbücher, Biosicherheitsmaßnahmen, kilometerlange Zäune gegen Wildschweine oder über die Frage der Einhausung von Freiland- und Auslaufschweine diskutiert, aber die Schlachtung, Verarbeitung und Vermarktung von Tieren aus der Überwachungszone vernachlässigt. Das rächt sich nun dramatisch.

Aus dieser Zone dürfen Schweine (direkt) zum Schlachthof gebracht werden - wenn der Schweinehalter einen Vermarkter findet. Denn die Schlachtbetriebe finden ihrerseits keinen Abnehmer.

Knackpunkt ist der gesetzliche Umgang mit dem Fleisch aus der Zone, das für den menschlichen Verzehr völlig unproblematisch ist. Eine Erhitzung auf 80 Grad Kerntemperatur ist vorgeschrieben, so dass das „totgekochte“ Fleisch nicht mehr für die normale Verarbeitung zu Bratwurst oder Kochschinken, sondern faktisch nur noch für die Konserve genutzt werden kann. Folglich muss das Fleisch des ganzen Schweines zunächst einmal in den Froster, ohne zu wissen, was dann passiert.

Dazu kommt, dass in den Schlachtbetrieben die „Zonenschweine“ nur völlig getrennt (zeitlich und räumlich) gehalten, geschlachtet, zerlegt und gelagert werden müssen, damit man nicht Exportlizenzen (z.B. nach Kanada) verliert. Daher haben bis heute viele, auch Mittelständler, die Schlachtungen verweigert.

Stehlen sich niedersächsische Fleischwirtschaft und Politik aus Verantwortung?

Nur drei Firmen sind bisher bereit zur Schlachtung: Manten am Niederrhein, Tönnies in Schleswig-Holstein und Westfleisch in Westfalen. Dort sollen nach Brancheninformationen etwa 2.000 bis 3.000 Schlachtungen pro Woche vorgenommen werden.

Kein niedersächsischer Schlachthof ist dabei. Keine Vermarktung steht. Inzwischen will das Land, so heißt es, wohl die Lagerung übernehmen, aber nicht die Schlacht-, Zerlege-, Separierungskosten usw. Die Vermarktung sei Sache der Wirtschaft, heißt es im Ministerium in Hannover. Der Staat beschränke sich auf die Seuchenbekämpfung. Das sehen Fleischverbände und Erzeugerorganisationen natürlich völlig anders.

Betriebe allein gelassen – wo bleibt die Härtefallregelung

Laut ISN-Geschäftsführer Staack sind die finanziellen Verluste der betroffenen Höfe dramatisch. Die Schweinehalter bekommen bisher nichts („Null Euro“) für die Schlachttiere. Zusätzlich zu den Betriebskosten müssen sie den Transport bezahlen, so um die 5 € pro Tier. Zwar haben nach Meinung von Beratern etwa die Hälfte der Betriebe eine Ertragsausfallversicherung. Aber wieviel sie zahlen, hängt von den jeweiligen Konditionen ab. Manche Versicherer gehen in ihren Verträgen noch von früheren Berechnungsgrundlagen aus, d.h. dem Ausgleich des fehlenden Deckungsbeitrags. Oder die Kalkulation basiert auf Sauenpreisen, die aber bisher keiner erlöst.  

Für Staack ist klar, dass die staatlichen Seuchenmaßnahmen die Kosten verursachen. Die Halter tragen keine Schuld und deshalb seien Bund und Land in der Pflicht, die Härtefälle finanziell aufzufangen. „Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen und das ist an dieser Stelle der Staat,“ argumentiert Staack. In anderen Ländern wie Italien und in anderen Seuchenlagen gibt es auch Härtefallfonds. Andere Verbände fordern ebenfalls einen solchen Fond, der auch von der EU mitgetragen werden muss. Ältere Bauern erinnern sich noch, dass in der klassischen Schweinepest in den 1990er Jahren die Regelung viel eindeutiger war. Aber der politische Wille fehlt. Dabei wäre eine Klärung dringend nötig, denn die ASP wird nach der einhelligen Meinung der Beteiligten nicht so schnell wieder verschwinden.

Der Marktbeobachter meint, dass der Fall im Emsland und die Folgen etwa acht bis zehn Mio. € kosten. Das müsste doch zu regeln sein, ohne dass man alles bei den Schweinehaltern ablädt.

Schlachthöfe erwarten staatliche Unterstützung

Auch die Fleischwirtschaft ist stinksauer über die Untätigkeit der Ministerien. Schlachthofchef Manten, der als erster eingesprungen ist, berichtet im landwirtschaftlichen Wochenblatt in Westfalen, dass bislang „kein einziges Kilo verkauft wurde, sondern zunächst alles im eigenen Kühlhaus eingelagert wurde“. Aber die Frosterfläche sei begrenzt, so dass schon Schlachttage abgesagt wurden. „Wenn sich in nächster Zeit keine Verwertung auftut, sind wir gezwungen, das Fleisch in der Tierverwertung zu entsorgen.“ Und „wenn Bund oder Land die Vermarktung nicht zügig finanziell unterstützen, können wir uns die Schlachtung von Schweinen aus Restriktionsgebieten nicht länger leisten.“ Es gehe nicht um Gewinn aus den kostenlosen Schweinen, sondern nur um Übernahme der Schlacht- und Folgekosten, wenn keine Vermarktung möglich sei, heißt es von anderen Fleischindustriellen. Man frage sich, warum die Konserven, die hochwertiges und vielfach kontrolliertes Fleisch enthalten, nicht wenigstens kostengünstig „an gute Zwecke“ vermittelt würden. Der Handel falle als Abnehmer aus, da man nicht mit „Pestfleisch“ in Verbindung gebracht werden wolle. „Es geht uns wohl noch zu gut,“ äußert ein Händler, der aber lieber nicht genannt werden will. 

13.09.2022
Von: Hugo Gödde

Quelle: Landkreis Emsland