„Auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität der Stromerzeugung ist ein deutlicher Ausbau der Photovoltaik erforderlich. Daher müssen alle verfügbaren Dachflächen genutzt werden. Darüber hinaus ist auch ein deutlicher, naturverträglicher Ausbau auf Freiflächen erforderlich. Innerhalb der Freiflächen sind – wie bislang – vorrangig versiegelte oder vorbelastete Flächen zu nutzen wie industrielle und militärische Konversionsflächen sowie Seitenrandstreifen an Autobahnen und Schienenwegen.“ So steht es in einem jetzt gemeinsam von den Ministerien Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Umwelt (BMUV) und Landwirtschaft (BMEL) vorgelegten
Eckpunktepapier mit Vorschlägen, wie bestehende Flächenpotenziale besser für den Ausbau der Solarenergie genutzt werden können bei gleichbleibend hohem Naturschutz. So sollen künftig verstärkt auch landwirtschaftliche Flächen sowie landwirtschaftlich genutzte Moorböden für den Ausbau der Photovoltaik genutzt werden. Photovoltaik-Anlagen auf diesen Flächen sollen künftig im Rahmen des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) gefördert werden. Diese Verständigung zwischen den Ministerien soll einfließen in das sogenannte Osterpaket des BMWK und damit in gesetzliche Regelungen im EEG. Kritik und Bedenken kommen aus der Landwirtschaft wie beispielsweise von der Landjugend.
Anlässlich der Vorlage des Eckpunktepapiers erklärt Bundeslandwirtschaftsminister Robert Habeck: „Wir haben uns vorgenommen, in weniger als neun Jahren 80 % unseres Stroms aus erneuerbaren Energien zu erzeugen. Heute sind wir bei knapp über 40 % und der Stromverbrauch wird steigen, d.h wir müssen den Anteil mehr als verdoppeln. Wir legen heute einen Vorschlag vor, der einen maßgeblichen Beitrag zum Ausbau der Photovoltaik leisten kann. Wir rechnen damit, dass auf landwirtschaftlichen Flächen bis zu 200 Gigawatt zusätzliche PV-Leistung installiert werden kann. Das ist eine enorme Steigerung, heute haben wir knapp 60 Gigawatt. Das bringt den Klimaschutz voran und behält gleichzeitig die Belange der Landwirtschaft und des Naturschutzes im Auge.“
Laut Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir haben sich die drei Ministerien vorgenommen, einen optimalen Ausgleich zwischen den Anforderungen der Landwirtschaft und der Energieproduktion sowie dem Schutz der Natur zu gewährleisten. „Agri-Photovoltaik ermöglicht es unseren Landwirtinnen und Landwirten, einen Beitrag zur Versorgung mit erneuerbaren Energien zu leisten und landwirtschaftliche Nutzflächen trotzdem weiter bewirtschaften zu können. Unser Vorschlag beinhaltet Chancen für alle drei Bereiche, also ein Win-Win-Win für Klima, Natur und für unsere Landwirtschaft,“ so Özdemir.
Zu den Details des Eckpunktepapiers heißt es seitens der Ministerien im Einzelnen:
Sogenannte Agri-PV-Anlagen sollen künftig auf allen Ackerflächen über das EEG grundsätzlich gefördert werden. Das ermöglicht eine sowohl landwirtschaftliche als auch energetische Nutzung ein und derselben Fläche. Die Förderung mit GAP-Mitteln ist weiterhin möglich, sofern die landwirtschaftliche Nutzung nur bis zu 15% durch die Stromerzeugung beeinträchtigt ist. Schutzgebiete, Grünland, naturschutzrelevante Ackerflächen und Moorböden werden aus Gründen des Naturschutzes und des Klimaschutzes ausgeschlossen.
Aufgrund neuer EU-Kriterien gibt es künftig mehr sogenannte „benachteiligte Gebiete“. Hierzu gehören z.B. Berggebiete und Gebiete, in welchen die Aufgabe der Landnutzung droht und der ländliche Lebensraum erhalten werden muss. Auf diesen Flächen können PV-Freiflächenanlagen errichtet werden, wenn die Bundesländer diese Flächen – wie bislang – dafür freigeben.
Landwirtschaftlich genutzte Moorböden sollen als neue Flächenkategorie im Erneuerbare-Energien-Gesetz aufgenommen werden. Voraussetzung für die Förderung ist die Wiedervernässung dieser bisher entwässerten Moorböden. Das Ziel ist es, einerseits die Wiedervernässung als Beitrag zum Klimaschutz zu ermöglichen und gleichzeitig die Flächen für PV-Stromerzeugung zu nutzen.
Zusätzlich soll den Kommunen ermöglicht werden, bei allen Freiflächen naturschutzfachliche Kriterien vorzuschreiben. Die Kommunen werden daher ermächtigt, in den Verträgen zur finanziellen Beteiligung dem Anlagenbetreiber vorzugeben, welche konkreten naturschutzfachlichen Anforderungen auf nach dem EEG geförderten oder ungeförderten PV-Freiflächen im Einzelfall einzuhalten sind.
Darüber hinaus wurde vereinbart, dass die Verringerung der Tierzahlen insbesondere in den Intensivtierhaltungsregionen und der Umbau der Tierhaltung weitere wesentliche Beiträge der Landwirtschaft zum Klimaschutz darstellen und der Unterstützung bedürfen.
Landjugend befürchtet mangelnde Perspektive infolge steigender Kauf- und Pachtpreise
„Seit Jahren steigen Kauf- und Pachtpreise auch bedingt durch die hohe Nachfrage nach Flächen für Solaranlagen“, erklärt der stellv. Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend e.V. (BDL), Stefan Schmidt, und hat dabei vielleicht auch die bereits in landwirtschaftlichen Wochenblättern zu findenden Kauf- und Pachtgesuche für Solarflächen mit üppigen „Locksummen“ im Blick. Es bestehe Handlungsbedarf. „Junglandwirte und Junglandwirtinnen brauchen Zugang zu bezahlbarem Boden und wirtschaftliche Perspektiven,“ so Schmidt. Mit den Entscheidungen, die hier und heute für große Solaranlagen getroffen würden, müssten künftige Generationen leben. „Sie tragen zur Energiewende bei, wirken sich aber auch auf diejenigen aus, die in den nächsten Jahrzehnten in der Landwirtschaft die Ruder übernehmen. Diese Entscheidungen allein dem Markt zu überlassen, ist aus Schmidts Sicht kontraproduktiv. Wenn 2030 bis zu 200 Gigawatt Strom aus Solaranlagen erzeugt werden sollen, heize das den ohnehin hohen Flächenfraß durch Verkehrs- und Siedlungsfläche zusätzlich an“, heißt es beim BDL. Daher sei die Politik gefordert. Zum einen müsse sie an den Stellschrauben drehen, um Verwerfungen auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt zu reduzieren und zu verhindern, dass weitere Flächen versiegelt werden. „Zum anderen darf es nicht zu neuen Flächenkonkurrenzen zwischen Nahrungsmittel- und Energieproduktion kommen“, fasst der BDL-Vize die Diskussion im BDL-Bundesarbeitskreis Agrarpolitik zusammen.
Der BDL stehe weiterhin zum Ausbau der erneuerbaren Energien und, so zeichne es sich in der BDL-internen Diskussionen ab, auch zu Photovoltaikanlagen. Aber auf fruchtbaren landwirtschaftlichen Flächen sollten v.a. Lebensmittel und Agrarrohstoffe wachsen. „Daher sollten für die Solarenergie erst einmal alle verfügbaren Dachflächen sowie bereits versiegelte und belastete Flächen genutzt werden und – wenn sinnvoll – durch Agri-Photovoltaik, also Strom- und Nahrungsmittelproduktion auf dem gleichen Boden, ergänzt werden“, sagt Schmidt.