Volksantrag gegen Flächenfraß zieht erste positive Zwischenbilanz

Vor rund zwei Monaten ist der Volksantrag „Ländle leben lassen“ gestartet. Die Initiative wird getragen von einem breiten Bündnis aus Naturschutz- und Landwirtschaftsverbänden. Gemeinsam wollen diese nicht länger zusehen, wie die Landschaft in Baden-Württemberg weiter zersiedelt wird und fordern von der Landesregierung, endlich wirksame Maßnahmen gegen den verheerenden Flächenfraß zu ergreifen.

Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Baden-Württemberg ist Teil der Kampagne, mobilisiert und sammelt Unterschriften auf Märkten, in Hofläden und bei Sonderveranstaltungen. „In Baden-Württemberg überwiegen die Nebenerwerbsbetriebs mit kleinen Flächen, auch die Vollerwerbsbauern haben im Bundesvergleich eher kleine Betriebe. Ein paar Hektar mehr oder weniger können da entscheidend sein, um aufgeben zu müssen oder vom Voll- in den Nebenerwerb zu rutschen. Flächenfraß bedeutet Höfesterben und Verlust an Diversität sowie regionaler Erzeugung“, erklärt Wolfgang Hees, AbL-Landesgeschäftsführer.

Bei einer ersten Zwischenbilanz zeigen sich die Initiatoren des Bündnisses zum Volksantrag „Ländle leben lassen“ hochzufrieden. Seit dem Startschuss am 28. April sind rund 20.000 Unterschriftenblätter bei der zentralen Sammelstelle eingegangen. „Damit haben wir gut die Hälfte der erforderlichen Unterschriften bereits erreicht“, freut sich Sylvia Pilarsky-Grosch, Landesvorsitzende des BUND Baden-Württemberg. „Das ist vor allem den zahlreichen engagierten Mitgliedern zu verdanken, die auf Veranstaltungen, an Info- und Marktständen oder in zentralen Sammelstellen im Einsatz sind und um Unterstützung geworben haben.“ Gerhard Bronner, Vorsitzender des Landesnaturschutzverbandes (LNV) betont: „Wir sind auf einem sehr guten Weg, den Flächenverbrauch mehr ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. Jetzt gilt es, nicht nachzulassen und auch über den Sommer weiter dranzubleiben. Damit können wir ein deutliches Zeichen setzen, dass es dringlich eine Lösung braucht.“

Dabei gelte es, alle Möglichkeiten zu nutzen, um Menschen für die gemeinsamen Ziele des Volksantrags zu gewinnen, erklärt Hans-Benno Wichert, Vizepräsident des Landesbauernverbandes (LBV). „Nicht nur auf großen Veranstaltungen, sondern auch auf Wochenmärkten, in Hofläden oder im Privaten lohnt es sich, Unterschriften für den Volksantrag zu sammeln und die Menschen auf den massiven Flächenverbrauch aufmerksam zu machen – und das nicht nur, wenn er vor der eigenen Haustür stattfindet“, betont Wichert.

„Denn der Verlust wertvoller Ackerflächen und Wiesen hat Auswirkungen auf uns alle. Jeder Hektar, der uns durch Flächenfraß verloren geht, führt dazu, dass wir weniger Lebensmittel im eigenen Land produzieren können und von Importen abhängig werden“, ergänzt Bernhard Bolkart, Präsident des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV).

Dass die Probleme, die durch Flächenverbrauch entstehen, immer mehr in der Breite der Bevölkerung ankommen, zeige sich auch daran, dass immer mehr Partner der Initiative „Ländle leben lassen“ beitreten. Inzwischen unterstützen 22 Kooperationspartner den Volksantrag.

Zuletzt neu hinzugekommen ist etwa der Landesjugendring Baden-Württemberg, dem die Forderungen des Volksantrags aus der Seele sprechen: „Die Jugendverbände im Landesjugendring haben sich schon 2021 mit dem ‚Positionspapier Nachhaltigkeit’ unter anderem für den Erhalt und die Förderung von Regenerationszonen, Entsiegelungen und die Förderung insekten- und naturfreundlicher Flächen ausgesprochen. Wir fordern, Natur für Kinder und Jugendliche und alle nachfolgenden Generationen zu erhalten", so Dominik Nawratil, Vorstandsmitglied des Landesjugendrings Baden-Württemberg.

Auch die LandFrauenverbände Württemberg-Hohenzollern und Württemberg-Baden unterstützen den Volksantrag aus voller Überzeugung. „Die immense Zunahme der landesweiten Flächenversiegelung muss gestoppt werden - für die Zukunft der Landwirtschaft, für die Zukunft unserer Familien, für unser aller Zukunft“, erklärt Juliane Vees, Präsidentin des LandFrauenverbandes Württemberg-Hohenzollern.

"Seit Jahren bringen die LandFrauen die politische Forderung ein, den Flächenverbrauch zum Erhalt fruchtbarer, landwirtschaftlicher Böden einzudämmen", betont auch Präsidentin Marie-Luise Linckh, LandFrauenverband Württemberg-Baden e.V.

Auf den Flächenfraß infolge der Energiekrise beispielsweise durch Freiflächen-Photovoltaikanlagen macht Wolfgang Hees aufmerksam. „Neben der Zersiedelung, neuen Gewerbegebieten und Verkehrswegen fördert auch die Energiekrise massiv den Flächenfraß an landwirtschaftlichen Flächen, die zur regionalen Nahrungsmittelproduktion benötigt werden. Für Photovoltaik-Freiflächenanlagen werden Pachtpreise je Hektar von 2500.- und bis über 4.000.-€ geboten - da kann kein Bauer mithalten. Alternativ könnten diese Anlagen jedoch auf Industriebrachflächen (brownfields) oder gekoppelt mit landwirtschaftlicher Erzeugung als vertikale oder durchfahrbare Agri-PV stehen. Auch die neue Initiative unserer baden-württembergischen Landesregierung für Biogas - überwiegend aus Mais - frisst weitere Flächen. Diese werden selten bäuerlich, sondern zunehmend agrarindustriell von großen Unternehmen bewirtschaftet und sie sind in ihrer Klimarelevanz höchst umstritten. Flächen zur Nahrungsmittelerzeugung gehen verloren“, so Hees.

Hintergrund: Flächenverbrauch in Baden-Württemberg

Im 2021 geschlossenen Koalitionsvertrag hat die Landesregierung Baden-Württemberg festgeschrieben, den Flächenverbrauch kurzfristig auf 2,5 Hektar pro Tag und bis 2035 auf Netto-Null zu reduzieren. In den letzten Jahren wurden jedoch durchschnittlich zwischen fünf und sechs Hektar unbebauter Natur in Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt – Tendenz steigend. Die bislang ergriffenen Maßnahmen – z. B. im Rahmen des freiwilligen Bündnisses zum Flächensparen – reichen also nicht aus, dieses Ziel wirksam umzusetzen. Deshalb haben sich mehr als 20 Umwelt-, Naturschutz- und Landwirtschaftsverbände um einen Trägerkreis aus Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) Landesverband Baden-Württemberg, Landesnaturschutzverbund Baden-Württemberg (LNV), Landesbauernverband (LBV) und Badischer Landwirtschaftlicher Hauptverband (BLHV) zusammengeschlossen, um mit dem Volksantrag "Ländle leben lassen" verbindliche Obergrenzen für den Neuverbrauch an Flächen zu erreichen und gesetzlich zu verankern.

Für den Volksantrag werden knapp 40.000 Unterschriften wahlberechtigter Bürgerinnen und Bürger Baden-Württembergs benötigt. Wird dieses Quorum innerhalb eines Jahres erreicht, so muss der Landtag über den Volksantrag beraten und die Initiatoren anhören. Unterschriften für einen Volksantrag müssen handschriftlich auf einem Papierformular geleistet werden. Eine digitale Unterzeichnung ist leider nicht möglich. Unterschriftenblätter gibt es bei allen Geschäftsstellen der Partner, auf Veranstaltungen, bei zahlreichen weiteren Sammelstellen oder online zum Ausdrucken. Das unterschriebene Dokument kann dann an die darauf angegebene Sammeladresse versendet oder in einer der mehr als 70 Sammelstellen abgegeben werden.

Weitere Informationen und Materialien wie Unterschriftenlisten zum Download gibt es hier.