Strom aus der Fläche

Mitte Januar hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck seine Pläne für die Energiewende vorgestellt. Die ambitionierten Ziele machen deutlich, dass die neue Bundesregierung die Bedrohung durch den Klimawandel verstanden hat, es mit dem Kohleausstieg ernst meint und ein Zurück zur Atomenergie kategorisch ausschließt. In der Konsequenz soll der Ausbau der erneuerbaren Energien, vor allem aus Wind und Sonne, deutlich beschleunigt werden. In nur acht Jahren will der Wirtschaftsminister den Zubau von Wind- und Solaranlagen in Deutschland vervier- bis verfünffachen. Zwei Prozent der Fläche der Bundesrepublik sollen für Windenergieanlagen ausgewiesen werden. Bisher haben das nur wenige Bundesländer gemacht. Neben Hessen sind das Schleswig-Holstein und Brandenburg. Auch wenn selbst bei zwei Prozent der Fläche schnell deutlich wird, dass es, wie in Hessen schon zu sehen, zukünftig nur wenige Regionen geben wird, in denen man am Horizont keine Windräder sehen wird, ist der tatsächliche Flächenverbrauch aufgrund der geringen Standfläche und den vorzuhaltenden Zuwegungen und Stellflächen für Servicearbeiten mit 0,05 Prozent deutlich geringer, rechnet der taz-Redakteur Malte Kreutzfeld vor. Aus Sicht der Landwirtschaft, aber auch für den Forst bedeutet das, auch innerhalb von Windparks bleibt eine nahezu vollständige Bewirtschaftung der Flächen möglich. Außer der Windkraft soll als zweite Säule die Photovoltaik weiter gefördert werden. Ende des Jahrzehnts sollen jährlich Anlagen für 15 Gigawatt Windstrom an Land und auf See und 20 Gigawatt Solarstrom zugebaut werden. Im Fokus steht der weitere Ausbau auf vorhandenen und neu entstehenden Dachflächen, aber auch Freiflächenanlagen werden zukünftig immer mehr Flächen beanspruchen. Bezüglich der Investitionskosten liegen diese deutlich unter denen von Aufdachanlagen. Eine drohende Flächenkonkurrenz dieser Anlagen wurde bisher durch die Beschränkung der EEG-Förderung erreicht. So dürfen diese nur auf versiegelten Flächen, auf Konversionsflächen, auf Streifen längs von Autobahnen oder Schienenwegen und auf Flächen in (landwirtschaftlich) benachteiligten Gebieten errichtet werden. Wegen der enormen Reduktion der Stromgestehungskosten für Solarstrom werden große PV-Anlagen inzwischen aber bereits außerhalb von Ausschreibungen nach dem EEG errichtet. Damit entfällt dessen Lenkungswirkung zum Schutz hochwertiger Ackerböden. Schon jetzt berichten Beteiligte von einem sich ankündigenden PV-Boom. So werden in Hessen teilweise schon Pachtpreise von 3.000 Euro/ha geboten, um Freiflächen-PV-Anlagen (PV-FFA) errichten zu können. Auch wenn auf eine EEG-Förderung verzichtet wird, unterliegen diese Anlagen natürlich weiterhin einem Genehmigungsverfahren. Die sich abzeichnenden hohen Renditen lassen jedoch trotzdem eine zunehmende Flächenkonkurrenz auf den landwirtschaftlich genutzten Böden befürchten. Agri-PV Lösen könnte dieses Problem eine durchdachte Doppelnutzung der Fläche. Der Ansatz lautet: Solaranlage und landwirtschaftliche Nutzung. Aktuell erprobt werden zum einen vertikal angebrachte Module, die als eine Art Wand die Fläche in Streifen teilen. Dabei sind die Module so konzipiert, dass sie auf beiden Seiten Strom erzeugen (Bifacial). Die andere Variante sind aufgeständerte PV-Anlagen, die über dem Acker bzw. der Wiese horizontal angebracht sind. An Konzepten, die eine Doppelnutzung von Acker/Grünland und Energiegewinnung auf derselben Fläche ermöglichen, forscht unter anderem das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. In der Nähe des Bodensees wurde 2016 auf dem Heggelbachhof eine aufgeständerte Solaranlage über Ackerland errichtet, unter der mit den gängigen Landmaschinen bis hin zum Mähdrescher weiterhin gewirtschaftet werden kann. Der Flächenertrag wird durch diese Dopplung mehr als verdoppelt. Neben dem Solarstromertrag, der aufgrund einer verglichen mit einer reinen PV-FFA geringeren Modulzahl bei ca. 80 Prozent liegt, können auch noch die Feldfrüchte geerntet werden. Je nach Fruchtart und deren Lichtbedürfnis können hier sogar Ertragssteigerungen eintreten. Insbesondere die Hitzesommer der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass eine teilweise Beschattung den Hitzestress und die Wasserverdunstung reduziert. Betrachtet man die Stromgestehungskosten (bei einer Laufzeit von 20 Jahren), liegen Anlagen auf dem Acker mit durchschnittlich 9,93 Cent/kWh fast doppelt so hoch wie die von reinen PV-FFA. Deutlich besser stellen sich kleinere Anlagen in Dauerkulturen wie in Beerenobstanlagen oder im Gemüsebau. Mit 7,13 Cent/kWh beträgt der Abstand hier nur noch knapp ein Drittel und entspricht etwa dem kleinerer Aufdachanlagen. Nicht berücksichtigt ist hierbei der landwirtschaftliche Ertrag. Trotz einer Bauhöhe von über fünf Metern kommen diese Anlagen durch den Einsatz von Spreizankern ohne Fundamente aus Beton aus. Damit wären die Installationen relativ energiesparend zu erstellen und auch gut rückbaubar. Keine Förderung Obwohl die Acker- bzw. Dauerkulturflächen nach wie vor bewirtschaftet werden, ist es aktuell nicht möglich, eine Flächenförderung zu beantragen. Bis zum Frühjahr 2021 gab es in Deutschland keinerlei Regelungen und Definitionen zur Agri-PV. Um dies zu ändern, haben das Fraunhofer-ISE und die Universität Hohenheim einen Prozess zur Erstellung der DIN SPEC angestoßen, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Eine DIN SPEC ist so etwas wie der Vorläufer einer regulären Norm, auf die sich Interessenvertreter einer Branche einigen. An der DIN SPEC zur Agri-PV waren neben dem BSW insgesamt 15 Vertreter aus Landwirtschaft, Solarindustrie, Forschung und Zertifizierungsorganisationen beteiligt. „Die jetzt vorgelegte DIN SPEC 91434 ist eine wichtige Voraussetzung, um die Marktentwicklung der Agri-PV zu beschleunigen“, zeigte sich der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft, Carsten Körnig, zuversichtlich. Festgelegt werden sollte auch, wie viel Prozent der Fläche mit PV überbaut werden dürfen und welche Anforderungen an die Landbewirtschaftung gestellt werden. Denn wenn diese klar definiert ist, müssen auch Möglichkeiten geschaffen werden, die Flächenprämien zu beantragen. Gesellschaftliche Akzeptanz Wie schon jetzt bei neuen Windkraftanlagen ist auch bei einer deutlichen Zunahme von PV-Anlagen in der Fläche mit Widerständen aus der örtlichen Bevölkerung zu rechnen. Auch wenn der Strom in diesen Anlagen regenerativ gewonnen wird und sie damit riesige Kohle- oder Atomkraftwerke ersetzen, sind sie doch ein starker Eingriff in das Landschaftsbild, der von vielen als wenig ästhetisch wahrgenommen wird. Wenn das Potential der Sonnenenergie zügig genutzt werden soll, wird man über neue Beteiligungsverfahren der ortsansässigen Bevölkerung nachdenken müssen. Eine frühzeitige Einbindung und eine Beteiligung an den Anlagen könnten hier erste Schritte sein. Dass die Akzeptanz vor Ort eine zentrale Bedeutung hat, beschreibt auch der APV-Leitfaden des Fraunhofer-ISE in einem eigenen Kapitel. Um Agri-PV-Anlagen weiter voranzubringen, fordern die Wissenschaftler neben einer Möglichkeit, Flächenprämien zu beantragen, eine Privilegierung derartiger Anlagen und eine Vergütung des Stroms nach EEG zu Vergütungssätzen, die zwischen denen von PVFFA und Dachanlagen liegen, z. B. in Form von Sonderausschreibungen.