Milchviehhalter im Agrardialog erwarten eine sehr deutliche Anhebung der Milcherzeugerpreise
Mit Blick auf die in der Abschlussphase befindlichen Kontraktverhandlungen für Milchfrischeprodukte (“Weiße Linie“, Trinkmilch, Joghurt, Quark usw.) zwischen den Molkereien und dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) fordern die Milchviehhalter im Agrardialog eine sehr deutliche Anhebung der Milcherzeugerpreise. Die Kontraktverhandlungen müssen nach Ansicht der Milchviehhalter angesichts der seit Wochen sichtbaren deutlichen Markterholung von den Molkereien genutzt werden, ihre Abgabepreise beim Lebensmitteleinzelhandel exorbitant anzuheben. Die Märkte lassen es zu: Auf den internationalen Märkten, den Terminbörsen wie auch an den Kassamärkten sind deutliche Anstiege zu verzeichnen. Der ife-Börsenmilchwert steuert für die Jahresmitte 2021 auf die 40-Cent-Marke zu.
Die bäuerlichen Vertreterinnen und Vertreter des Agrardialogs, der vom Lebensmitteleinzelhandel gemeinsam mit den demonstrierenden Bäuerinnen und Bauern initiiert wurde, erwarten, dass sich diese Markt- und Preisentwicklung eins zu eins auf den Milcherzeugerpreis niederschlägt. „Gesprochen wurde genug. Wenn nicht jetzt, wann dann können die Molkereivertreter ihrer Verantwortung für die Milcherzeuger gerecht werden und dafür sorgen, dass endlich deutlich höhere Milcherzeugerpreise bei den Milchviehhaltern ankommen“, heißt es seitens der Milchviehhalter.
Die so genannte Weiße Linie könne dabei nur der Anfang sein. Neben allen anderen Segmenten, für die in den nächsten Wochen Kontrakte mit dem LEH abzuschließen sind, müsse auch für den Anteil der Rohmilch, der in die industrielle Verarbeitung bzw. in den Export geht, ein wesentlich höheres Erlösniveau umgesetzt werden. „Die Kostenentwicklung der Milcherzeugung macht einen Milcherzeugerpreis, bei dem mindestens eine ‚Vier‘ vorne steht, geradezu existenziell notwendig“, erklären die Milchviehhalter im Agrardialog.
Einigkeit besteht bei den Vertreterinnen und Vertretern der Landwirtschaft im Agrardialog darüber, dass es endlich gelingen muss, deutliche höhere Erzeugerpreise dauerhaft und nachhaltig erzielen zu können. Dazu ist es ihrer Ansicht nach notwendig, sich mit Marktmechanismen zu befassen, wie strukturellen Angebotsüberhängen entgegengewirkt und die Austauschbarkeit des „Rohstoffes Milch“ bei der Verarbeitung zu Milchprodukten verringert werden kann.
Ein erster Schritt dafür wäre nach Ansicht der landwirtschaftlichen Vertreter die Modernisierung der Lieferbeziehungen: Vertraglich wären notwendige Veränderungen ganz konkret zu vereinbaren. Auch Mehrwertprogrammen, mit denen höhere Produktionsstandards entsprechend vergütet werden könnten, stünden die Bäuerinnen und Bauern grundsätzlich durchaus offen gegenüber. Unabdingbare Voraussetzung für eine tiefergehende Beschäftigung mit derartigen Programmen sei jedoch, dass man sich zunächst mit allen am Agrardialog beteiligten Akteuren der Wertschöpfungskette auf Mechanismen und Instrumenten verständigen kann, mit denen sich dauerhaft ein Milcherzeugerpreisniveau einstellen kann, das die pagatorischen wie auch die kalkulatorischen Kosten der Milcherzeugung abbildet. Mehrwertprogramme, die auf nicht kostendeckenden Preisen aufsetzen, sind kein echter Mehrwert, denn sie vergüten tatsächlich nicht den Mehraufwand, der mit solchen Programmen verbunden ist.
Die Situation der Landwirtinnen und Landwirte strukturell zu verbessern, gelinge nur mit Einbindung auch der Politik. Um das vom Bundeskartellamt in der Sektoruntersuchung Milch festgestellte deutliche Marktmachtgefälle zu Ungunsten der Milcherzeuger aufzulösen und eine Marktstellung der Landwirtschaft auf Augenhöhe mit dem Verarbeitungssektor zu erreichen, muss nach Ansicht der im Agrardialog landwirtschaftlichen Vertreter die Ausrichtung der EU-Agrarmarktpolitik verändert und die Gemeinsame Marktordnung weiterentwickelt werden.
BDM: Molkereien und Bauern und Bäuerinnen nicht in einem Boot
Wenn die Molkereiunternehmen angesichts der positiven Marktzeichen wieder nicht in der Lage seien, bei den laufenden Kontraktverhandlungen für die Weiße Linie ein sehr deutliches Plus zu verhandeln, „dann muss man ihnen ein Totalversagen unterstellen“, stellt der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), Stefan Mann, fest. „Dann müsste man unterstellen, dass sich der Milchpreis offenbar weniger am Markt bildet, sondern eher ein politischer Preis zu sein scheint“, so Mann
Wie groß noch immer die Diskrepanz zwischen den bundesdeutschen Milcherzeugungskosten und den Milcherzeugerpreisen ist, zeigen seiner Ansicht nach die aktuellen Berechnungen auf den Datengrundlagen des Informationsnetzwerkes landwirtschaftlicher Buchführungen der EU-Kommission für Januar 2021. Milcherzeugungskosten von 45,76 Cent/kg steht ein Milcherzeugerpreisniveau von 32,20 Cent/kg gegenüber. „Da ist eine Erhöhung von rund 1 Cent/kg Milch wie ein Tropfen auf den heißen Stein“, stellt der BDM-Vorsitzende fest.
„Auf diesem Niveau lässt man uns Bauern am ausgestreckten Arm verhungern und reizt die Schmerzgrenze der Belastbarkeit auf den Betrieben maximal aus. Es kann keine Rede davon sein, dass Molkereien und Bäuerinnen und Bauern in einem Boot sitzen, wie Äußerungen der Molkereiindustrie glauben machen wollen. Wenn man das Verhalten der Molkereien beobachtet, kann keine Rede davon sein, dass sie alles in ihrer Kraft stehende unternehmen würden, um die sehr angespannte wirtschaftliche Situation auf unseren Höfen zu entspannen“, erklärt der BDM-Vorsitzende.
Die Agrar-/Milchdialog – Verbändegemeinschaft setzt sich zusammen aus: Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), LsV-Milchgruppe, European Milk Board (EMB), den Freien Bauern und der MEG Milch Board sowie Land schafft Verbindung LsV Deutschland