Vom Milchmarkt gibt es derzeit erfreuliche Nachrichten. Der Butterpreis ist auf Rekordniveau und auch der Kieler Rohstoffwert und die Börsenmilchwerte sind hoch und steigen weiter. Schon jetzt liegt der Preis für konventionelle Milch deutschlandweit bei ca. 45 Cent, zum Jahresende sind 50 Cent erreichbar. Der Milchmarkerindex der MEG Milchboard zeigt nahezu Vollkostendeckung an. Diese Tendenz ist in Deutschland, in Europa und weltweit zu beobachten.
Vieles spricht dafür, dass das vorerst und vielleicht auch auf mittlere Sicht so bleibt. Schon im Rekordjahr 2022 mit über 60 Cent Auszahlungspreis wurde der leichte Mengenanstieg wesentlich ausgelöst durch Ausnutzung aller verfügbaren Reserven. Die Motivation, einen neuen Stall zu bauen, ist angesichts deutlich gestiegener Baustoffpreise und Kreditzinsen und der Schwierigkeiten, überhaupt eine Genehmigung zu bekommen, stark gesunken. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien gibt es attraktivere Alternativen für investitionswillige Landwirt:innen. Weitere Faktoren, die die Milchmenge eher gering halten, sind: die Einschränkung der Grundfutterversorgung aufgrund von Dürre oder Starkregen infolge des Klimawandels, Mangel an guten und bezahlbaren Arbeitskräften und die vollständige Auslastung der vorhandenen Familienarbeitskräfte und nicht zuletzt angekündigte politische Vorgaben wie Wiedervernässung der Moore oder Auslaufen der Anbindehaltung. Ganz aktuell senkt noch die Blauzungenkrankheit die Milchleistung.
Verarbeiter und Handel spüren die Folgen. Die größte und am schlechtesten auszahlende deutsche Molkerei DMK muss infolge von Verlusten von Lieferanten und Milchmenge Werke schließen. Die niederländische Friesland/Campina verzichtet auf die Ein- und Nachzahlung von Geschäftsguthaben, um neue Lieferanten anzulocken bzw. die vorhandenen zum Aufstocken zu bewegen. In Großbritannien ist nach dem Brexit Milch regelrecht zur Mangelware geworden, so dass die Konzerne des LEH Milcherzeuger:innen langfristige, gut dotierte Verträge anbieten, um sie in der Produktion zu halten.
Nicht zuletzt die Politik reagiert auf den drohenden weiteren Rückgang der Zahl an Milchviehbetrieben und der verfügbaren Milchmenge. In Spanien und Frankreich zeigen Gesetze zum Verbot des Einkaufs unter Produktionskosten erste Wirkung. Belgien hat im Frühjahr nachgezogen, und auch die EU erwägt, ihren Mitgliedsstaaten entsprechende Vorgaben zu machen.
Aber trotzdem herrscht unter vielen Bäuerinnen und Bauern keine Zukunftshoffnung, sondern eher Resignation. Zu oft folgte auf den Anstieg des Milchpreises wieder der Absturz, wie zuletzt im Frühjahr 2023. Eine Verbesserung der Marktverhältnisse, die die Milcherzeugung mit tragfähigen Preisen und Kostendeckung planbar und attraktiv machen könnte, ist derzeit nicht in Sicht. Denn die Profiteure des etablierten Systems, Genossenschaftsverband und Bauernverbände, leisten zähen Widerstand, in Deutschland speziell gegen die von Minister Özdemir angekündigte Umsetzung der Vertragspflicht für Milcherzeuger:innen nach Artikel 148, unterstützt von der CDU und vor allem der FDP. Bitter, dass eine vermeintliche Marktpartei verhindern will, dass überhaupt ein Markt für Rohmilch entstehen kann!
Und DBV und DRV müssen sich der Schuld für den weiteren Rückgang der Zahl der Betriebe stellen. Wobei vor allem die kleineren und mittleren Betriebe aufgeben, die die so dringend erforderlichen gesellschaftlichen Leistungen für Tierwohl, Artenvielfalt, Grünlanderhalt, Landschaftsbild und nicht zuletzt für lebendige ländliche Räume mit funktionierenden dörflichen Strukturen erbringen könnten! Es wird weiterhin auf möglichst billige Produktion für den Weltmarkt gesetzt. Gegen Länder mit geringeren Umwelt-, Klima- und Sozialstandards können wir aber ohnehin auf Dauer nicht bestehen, ebenso wenig gegen die sich abzeichnende Konkurrenz von Milchersatzprodukten. Alle Beteiligten sollten die günstige Marktlage nutzen und neue Wege zum Erhalt und zur Förderung einer möglichst vielfältigen, regionalen Milchviehhaltung in bäuerlicher Hand gehen. Wir Milcherzeuger können nur versuchen, uns, wo möglich, zu „freien“ Erzeugergemeinschaften zusammenzuschließen, und so vereinzelt Verträge einfordern und verhandeln – und uns über die Erfahrungen austauschen. Wir alle, Bäuerinnen und Bauern wie die Gesellschaft, haben viel zu verlieren!