Milchviehbetriebe betreiben trotz leicht verbesserter Kostendeckung weiterhin ein Minusgeschäft. Das belegt der aktuelle Milch Marker Index (MMI). Der Vorstandsvorsitzende der MEG Milch Board, Frank Lenz, fordert daher unter anderem, den Art. 148 GMO umzusetzen. Das fordert mit Blick auf eine jüngst von der Landwirtschaftskammer in Nordrhein-Westfalen (NRW) für die Milchviehbetriebe vorgelegte Auswertung des Wirtschaftsjahres 2023/2024 auch Elmar Hannen, Milchbauer und AbL-Mitglied in NRW.
Im April 2024 betrugen die Milcherzeugungskosten 46,30 Cent pro Kilogramm. Der Milch Marker Index ist gegenüber dem vorherigen Stichmonat Januar 2024 von 104 auf 101 gefallen. Der Milchauszahlungspreis lag bei 44,79 Cent. Das Verhältnis zwischen Kosten und Erlösen ist in Deutschland also weiterhin ungünstig für die Milchviehbetriebe, auch wenn sich die Kostendeckung von 92 auf 97 Prozent verbesserte. Die leichte Entspannung auf der Kostenseite ergab sich vor allem durch gefallene Futterkosten, so die MEG Milch Board.
Ungeachtet dessen spüren die Milcherzeuger nach Ansicht der MEG Milch Board weiterhin einen immensen Kostendruck, der nur durch hohe Rindererlöse gedämpft wird Die Kosten für die Betriebsmittel und den allgemeinen Betriebsaufwand liegen seit 2021 über 46 Cent. Jedwede Preissenkung bei der Milch oder beim Rindfleisch wäre für viele weitere Betriebe existenzbedrohend.
Milcherzeuger profitieren zu wenig von guter Marktlage
Für den Vorstandsvorsitzenden der MEG Milch Board Frank Lenz stellt sich die Lage auf dem Milchmarkt im April folgendermaßen dar: „Wir profitieren von regem Bedarf an Milch, sowohl bei Konsumenten als auch bei Verarbeitern. Auch auf dem Weltmarkt ist die Verwertung sehr gut. Bei insgesamt relativ geringen Milchmengen sind die Milchauszahlungspreise für die Erzeugerinnen und Erzeuger zwar gestiegen, aber nicht in dem Maße wie das die Marktindices hätten erwarten lassen.“
Eine Ursache dafür sieht er in der zögerlichen Preispolitik der Molkereien, die ihren Spielraum gegenüber dem Handel nicht genutzt haben, um höhere Preise durchzusetzen, von denen auch der Milchmarkt und letztendlich die Erzeugerinnen und Erzeuger hätten profitieren können. „Stattdessen gelingt es dem Handel, seine Deckungsbeiträge zu vervielfachen. Zwar sind wir im Bundesdurchschnitt nahe an der Kostendeckung, was vor allem dem Können der Landwirte zu verdanken ist, die durch Drücken der Kosten eine geringere Unterdeckung erreicht haben. Dennoch sind wir noch weit entfernt von einer Gewinnsituation, die Voraussetzung für gesundes Unternehmertum ist. Ziel müsste vielmehr sein, die Einnahmen entsprechend zu erhöhen.“
Deshalb ist es für Lenz nicht verwunderlich, dass immer mehr Betriebe die Milchviehhaltung aufgeben. Erst kürzlich wurde das Allzeittief von weniger als 50.000 Milchviehbetrieben in Deutschland erreicht. „Dazu trägt natürlich auch die miserable Einkommenssituation bei, wie aus den Daten des Testbetriebsnetzes des BMEL hervorgeht. Hier bilden die Milchviehbetriebe seit Jahren das Schlusslicht bei den landwirtschaftlichen Einkommen.“
Lenz findet es im Gegenteil erstaunlich, dass so viele Milcherzeuger und -erzeugerinnen noch dabei sind. „Das dürfte sich bald ändern, wenn die nächste Generation die Betriebe übernimmt und durchrechnet, ob sich das alles lohnt, bei diesem immensen Einsatz. Spätestens jetzt müsste also Alarmstufe Rot ausgerufen werden. Und es wäre enorm wichtig, gute Bedingungen für Hofnachfolger und -nachfolgerinnen zu schaffen. Dazu könnte die Umsetzung des Art. 148 GMO beitragen. Denn dann könnten wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen: uns bündeln und Verträge aushandeln, in denen konkrete Mengen, Preise und Lieferzeiten stehen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Vertragspflicht für alle und für 100 Prozent der Milch gilt.“
Hannen: Marktpolitischer Rahmen für faire Milchpreise notwendig
Das abgeschlossene Wirtschaftsjahr 2023/24 für Milchviehbetriebe hat die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (LWK) ausgewertet. Die Bilanz ist wie beim MMI sehr ernüchternd für die milchviehhaltenden Bauernhöfe: Nach dem Rekordjahr 2022/23 reiht sich das jüngst abgelaufene Wirtschaftsjahr wieder in eine lange Reihe nicht kostendeckender Jahre ein. In Zahlen ausgedrückt bedeutet es, dass in den letzten zehn Jahren einem Betrieb mit 100 Milchkühen 300.000 Euro zur Kostendeckung fehlen, so die Ergebnisse der Landwirtschaftskammer.
Dazu erklärt Elmar Hannen, Milchbauer in NRW und AbL-Mitglied: „Diese Zahlen bestätigen wieder, dass wir milchviehhaltenden Betriebe nicht genügend Handlungsstärke in der Lieferkette haben, um unsere Produktionskosten am Ende auch in Rechnung zu stellen. Und das ist kein einmaliger Ausrutscher, sondern ein bekannter Fehler im System unserer Agrarmärkt. Auch die jahrzehntelange Beratungs-Empfehlung an uns Bäuerinnen und Bauern, noch stärker in die Intensivierung zu gehen, damit wir die Kosten senken und dadurch gewinnbringende Preise erzielen, erweist sich offensichtlich als Sackgasse. Wir brauchen mehr Verhandlungsmacht, damit wir kostendeckende Preise gegenüber der übermächtigen abnehmenden Hand, also den Molkereien, aushandeln können.“
In der europäischen Politik ist nach Ansicht von Hannen den politischen Konzepten aller demokratischen Parteien zu entnehmen, dass sie die Marktmacht der Bäuerinnen und Bauern in der Lieferkette stärken wollen. „Diese Ankündigungen müssen jetzt ernst genommen werden - schließlich liegen konkrete Lösungsvorschläge auf dem Tisch! Die Ampel muss diesen Schwung nutzen und als ersten Schritt den Artikel 148 GMO also die Vertragspflicht vor Lieferung anwenden. Damit wir Betriebe wirtschaftlich zukunftsfähig aufgestellt sind und auch die anstehenden Herausforderungen für Ernährungssicherung, Klimaschutz, Tierwohl und Artenvielfalt leisten können,“ so Hannen.