Anbindehaltung: Nun das Aus in fünf Jahren?

Eben noch war von einer Übergangszeit von zehn Jahren bis zum endgültigen Aus für die Anbindehaltung die Rede, so auch von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, da taucht in einem jetzt zwischen den zuständigen Bundesressorts kursierendem Gesetzentwurf des Tierschutzgesetzes nur noch eine Frist von 5 Jahren auf. Die sogenannte Kombihaltung (Anbindehaltung im Stall im Winter, Weidehaltung im Sommer oder stundenweiser Zugang zu einem kleinen Laufhof neben dem Stall) soll weiterhin möglich sein, es sind jedoch höhere Haltungsauflagen geplant (unter anderem ganzjährig mindestens zweimal in der Woche der Zugang zu einer Freifläche, für maximal 50 Rinder). Die Reaktionen sind zahlreich und widersprüchlich und legen den Schluss nahe, noch ist nichts entschieden.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir erklärt zu dem Entwurf laut Bayerischem Rundfunk (BR): "Wir werden unserer Verantwortung gerecht, sowohl für unsere Almen und artenreichen Kulturlandschaften in Süddeutschland als auch für den Schutz der Tiere, die wir für die Pflege der Landschaft brauchen. Wir haben da jetzt eine gute Regelung gefunden."

Ganz anders sehen das der Bayerische Bauernverband (BBV), CSU-Vertreter und die bayerische Landwirtschaftsministerin. Für den BBV stellt der Entwurf „eine dramatische Zäsur für die Rinderhaltung" dar, mit dem Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir das Ende der kleinstrukturierten Landwirtschaft einläute.

Ähnlich zum BBV äußert sich auch der agrarpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Artur Auernhammer: „Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir läutet mit seinem Referentenentwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes das Ende der kleinstrukturierten Landwirtschaft in Bayern ein. Rund die Hälfe der 25 000 Milchviehbetriebe in Bayern hält ihre Tiere noch in Anbindehaltung. Ein Verbot der Anbindehaltung mit einer Frist von gerade einmal fünf Jahren wird für zahlreiche Betriebe das Aus bedeuten. Auch die Pläne mit höheren Auflagen für die sogenannte Kombinationshaltung werden vielen Betrieben Probleme bereiten. Anstatt auf flexible Lösungen zu setzen will ein grüner Politiker wieder einmal klassische Verbotspolitik durchdrücken – ohne jede Rücksicht auf die landwirtschaftlichen Betriebe. Die Folge wird sein, dass insbesondere die kleinen Betriebe aufgeben. Diese Entwicklung ist schon bei der Nichtumsetzung des Borchert-Konzepts zu beobachten gewesen und geht nun nahtlos weiter.“

Und auch die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) weist darauf hin, dass Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung in der Regel nicht von heute auf morgen in die Laufstallhaltung oder Kombinationshaltung umsteigen können. Statt eines generellen Verbots fordert sie, die Betriebe bei der Umstellung auf Laufstallhaltung oder Kombinationshaltung zu unterstützen. "Wir setzen in Bayern gezielt auf Beratung und finanzielle Förderung. Vom Bund höre ich nur Vorschriften und nichts von Unterstützung", so Kaniber laut BR. Kaniber lehnt bei der Kombihaltung die Obergrenze von maximal 50 angebundenen Tieren ab und fordert: "Für bäuerliche Familienbetriebe muss eine Kombihaltung ohne höhere Haltungsauflagen möglich sein."

Als „Erfolg“ wertet demgegenüber Ludwig Hartmann, Fraktionschef der bayerischen Landtagsgrünen, den Entwurf. "Im Koalitionsvertrag wurde die bayerische Besonderheit der Kombinationshaltung bislang nicht berücksichtigt. Jetzt gibt es eine Perspektive für Kombihalter, die die Tiere im Sommer auf der Weide halten – dafür haben wir uns im Bund stark gemacht", so Hartmann im Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt. Er sieht in dem Entwurf die Besonderheiten der bayerischen Weidewirtschaft berücksichtigt. Hartmann sieht demnach bei den anstehenden Verhandlungen durchaus noch Verbesserungsbedarf, vor allem bei der Frist für die ganzjährige Anbindehaltung. Schließlich ist im Berliner Koalitionsvertrag eine zehnjährige Übergangsfrist für das Auslaufen der ganzjährigen Anbindehaltung vorgesehen. "Ich gehe davon aus, dass dies auch die Grundlage für die anstehenden Verhandlungen ist, so der bayerische Grüne laut Wochenblatt.

„Weiteren Gesprächsbedarf auch mit den sozialdemokratischen Agrarpolitikerinnen und -politiker“ sieht die SPD-Agrarsprecherin Ruth Müller und Generalsekretärin der Bayern SPD mit Blick auf die Südländer Bayern und Baden-Württemberg mit ihrer kleinstrukturierten Landwirtschaft, wo die Kulturlandschafts „unter anderen geographischen Bedingungen“ bewirtschaftet wird. „Wenn wir diese erhalten und auch weiterhin pflegen wollen, müssen wir zu einer gut abgewogenen Kombihaltung kommen“, so Müller.

Das schnelle Ende der Anbindehaltung und den Verzicht auf die Kombihaltung fordern Tierschützer. So schrieb Thomas Schröder, der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, einen offenen Brief an Minister Özdemir, in dem er sich gegen die Kombihaltung ausspricht, denn man dürfe sich "nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass es sich um eine tierschutzwidrige Haltungsform handelt". Darum fordert er ein "zeitnahes Verbot der ganzjährigen und saisonalen Anbindehaltung von Rindern".

Und mit Blick auf den jetzt kursierenden Entwurf erklärt die Tierschutzorganisation Vier Pfoten: „Die ganzjährige Anbindehaltung soll mit Inkrafttreten des Gesetzes verboten werden. Diese Klarstellung begrüßen wir, sie ist auch längst überfällig, da diese tierschutzwidrige Haltung nie gesetzlich erlaubt war. Die saisonale Anbindehaltung wird jedoch nicht verboten, sondern lediglich genauer definiert. Doch auch bei der saisonalen Anbindehaltung leiden die Tiere einen Großteil des Jahres noch unter den grausamen Bedingungen der Anbindehaltung. Deswegen ist auch hier ein Verbot dringend nötig.“