Tierschutzgesetz schafft es nicht ins parlamentarische Verfahren

Anders als erwartet, stand das Tierschutzgesetz nicht auf der Tagesordnung der Bundeskabinettssitzung am Mittwoch. Der Gesetzentwurf, zu dem die AbL in der kommenden Ausgabe der Unabhängigen Bauernstimme positive Punkte aber auch Änderungswünsche äußert, wird damit vorerst nicht ins parlamentarische Verfahren gegeben. Für Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, ist der aktuell vorliegende Entwurf enttäuschend und er sieht mit der Absetzung von der Tagesordnung „wichtige Zeit“ für ein „zentrales Projekt dieser Regierung“ verloren. „Bedauerlich“ nennt den Vorgang der Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Kai Niebert. Und die Tierschutzorganisation VIER PFOTEN fordert ein Machtwort des Bundeskanzlers.

AbL: Der Umbau der Tierhaltung muss vorangebracht werden

Eine Neuerung im jetzt von der Tagesordnung gestrichenen Entwurf gegenüber den Vorgängerversionen ist, dass die Umbaufrist für Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung jetzt zehn Jahre betragen soll. Zuvor sollten fünf Jahre ausreichen. „Die neue Übergangsfrist von zehn Jahren ist ein für viele Betriebe praktikables Zeitfenster“, sagt Lucia Heigl, stellvertretende AbL-Bundesvorsitzende. „Der Umbau der Tierhaltung und auch der ganzjährigen Anbindehaltung müssen vorangebracht werden. Das wollen wir Bäuerinnen und Bauern. Bei einem ‚weiter so‘ wie bisher steht auch die gesellschaftliche Akzeptanz der Tierhaltung auf dem Spiel und es drohen Gerichtsurteile, wie etwa beim Verbot vom Kastenstand für Sauenhaltung.“

Positiv wertet die AbL auch, dass die Ausnahmeregelung nun nicht mehr auf den Betriebsinhaber, sondern den Betrieb bezogen ist: auch für Hofnachfolger gilt nun die 10-Jahres-Frist anstelle der Verpflichtung zum sofortigen Umbau. Allerdings würden Betriebe im Unklaren gelassen, wie sie ihren Stall umbauen sollen. Seitens der Politik fehlt die angekündigte verbindliche Tierwohlkennzeichnung für die Rinderhaltung. Auch bleiben die Betriebe auf den Umbaukosten sitzen, die sie weder am Markt erwirtschaften können, noch steht ein Finanzierungskonzept mit langfristigen Verträgen zur Verfügung.

Die Kombinationshaltung soll jetzt laut dem Entwurf unbefristet erlaubt bleiben, allerdings schließt die Definition weiterhin zu viele Betriebe aus. Anbindebetriebe müssen Zugang zu Weideland während der Weidezeit und mindestens zweimal in der Woche Zugang zu Freigelände bieten. Diese Kriterien entsprechen 1:1 der EU-Ökoverordnung und den Richtlinien zahlreicher Bioverbände für Kleinbetriebe. Elisabeth Waizenegger, Milchbäuerin aus dem Allgäu und im AbL-Bundesvorstand kommentiert: „Die Vorgaben sind die gleichen, aber Biobetriebe können mit höheren Erzeugerpreisen rechnen als die konventionellen Halter. Aufgrund der unterschiedlichen Erlössituation sollten Unterschiede bei den Standards erkennbar bleiben. Die AbL plädiert deshalb weiter dafür, dass für den Fortbestand möglichst vieler Höfe eines der beiden Kriterien „Weide oder Laufhof“ ausreichen soll, so wie dies auch in Österreich und der Schweiz der Fall ist“.

Tierschutzbund: Offenbar hat FDP eine Totalblockade im Tierschutz verkündet

„Der bisher bekannte Entwurf für das neue Tierschutzgesetz aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium ist enttäuschend. Nun ist das Vorhaben vorerst gestoppt. Erneut geht damit für ein zentrales Projekt dieser Regierung wichtige Zeit verloren. Andererseits bleibt die Hoffnung, dass in Nachverhandlungen mehr für den Tierschutz erreicht werden kann. Das hängt nun an der Durchsetzungsfähigkeit und dem Willen von Bundesminister Cem Özdemir nachhaltig mehr Tierschutz zu wagen und am Bundeskanzler, der dafür Rückendeckung geben muss“, so Thomas Schröder.

Der Tierschutzbund hatte gehofft, dass das Ampelkabinett sich an das Staatsziel Tierschutz und den eigenen Koalitionsvertrag gebunden fühlt. „Dann hätte das Kabinett heute einen wesentlich besseren Entwurf auf den Weg bringen können. Offenbar aber hat die FDP eine Totalblockade im Tierschutz verkündet; der zuständige Bundesminister Özdemir konnte sich nicht durchsetzen“, erklärt Schröder am Mittwoch.

DNR: Dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nachkommen

Anlässlich des erneuten Aufschubs der Kabinettsentscheidung zur Novelle des Tierschutzgesetzes kommentiert DNR-Präsident Kai Niebert: „Es ist bedauerlich, dass die Hängepartie rund um das Tierschutzgesetz weiter fortgesetzt wird. Wir erwarten von Bundeskanzler Olaf Scholz, dass er die Blockade innerhalb der Bundesregierung rasch auflöst, damit das parlamentarische Verfahren beginnen kann. Wir müssen dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach mehr Tierschutz nachkommen und dem Staatsziel Tierschutz mit einem ambitionierten Tierschutzgesetz gerecht werden. Die durch den Aufschub gewonnene Zeit ist daher für eine Nachbesserung zum Wohl von Tier, Mensch und Natur zu nutzen.“

Vier Pfoten: Kritik an Blockadehaltung der FDP

Die globale Tierschutzorganisation VIER PFOTEN kritisiert die Blockadehaltung der FDP und fordert ein Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz. „Es ist ein Skandal, dass die FDP kurz vor Kabinettsbeschluss noch weitere Abschwächungen im bereits abgestimmten Entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes fordert. Der Entwurf hat ohnehin viele Mängel und Leerstellen und darf nicht weiter entkernt werden. Der Bundeskanzler muss jetzt ein Machtwort sprechen und die Tierschutz-Blockierer bei der FDP aufhalten", sagt Rüdiger Jürgensen, Director of Policy and Advocacy VIER PFOTEN Deutschland.

In ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf vom Februar fordert die AbL, dass die neuen Vorschriften für Anbindebetriebe im Tierschutzgesetz praxistauglich und planungssicher sein müssen – mit längeren Übergangsfristen, gezielter Förderung und ohne Benachteiligung gegenüber den Nachbarländern.