Deutlichen, jedoch unterschiedlichen, Korrekturbedarf bei den im Entwurf für ein neues Tierschutzgesetz geplanten Änderungen zur Anbindehaltung sehen die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und die Verbände der süddeutschen Milchwirtschaft, zu denen auch der Bauernverband gehört.
Die AbL fordert, dass die neuen Vorschriften für Anbindebetriebe im Tierschutzgesetz praxistauglich und planungssicher sein müssen – mit längeren Übergangsfristen, gezielter Förderung und ohne Benachteiligung gegenüber den Nachbarländern.
Elisabeth Waizenegger, Milchbäuerin im Allgäu und Mitglied im AbL-Bundesvorstand, erklärt: „Rund ein Viertel der milchviehhaltenden Betriebe in Deutschland wirtschaften in Anbindehaltung. Die meisten Höfe mit diesem Haltungssytem liegen in Süddeutschland und sind deutlich kleiner-strukturiert als der Bundesdurchschnitt. Für die AbL steht außer Frage, dass die ganzjährige Anbindehaltung nicht den Ansprüchen der Tiere entspricht und sie nicht ihre arteigenen Verhaltensweisen ausleben können. Hier ist ein Umbau notwendig. Zu kritisieren ist aber die kurze Frist von fünf Jahren, die aktuell im Entwurf des Tierschutzgesetzes vorgesehen ist. Das ist nicht praxisgerecht. Die AbL fordert eine Übergangsfrist von mindestens zehn Jahren. Das deckt sich auch mit der Folgenabschätzung des Thünen-Institutes.“
Die AbL kritisiert, dass im Vorschlag die Anbindebetriebe mit ganzjährigem Laufhof nur weiterbetrieben werden dürfen, wenn im Sommer auch Weide angeboten wird. „Viele Betriebe können infrastrukturell Weide überhaupt nicht leisten und würden durch solch ein Gesetz massiv in ihrer Existenz bedroht. Auch in unseren Nachbarländern Österreich und Schweiz reicht ganzjähriger Laufhof aus. Eine deutlich strengere Definition hierzulande wäre der Bauernschaft nicht vermittelbar. Die AbL fordert, dass Anbindebetriebe mit ganzjährigem Laufhof von dem Verbot ausgenommen werden. Wir brauchen viele Höfe für eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Deshalb ist es wichtig, dass Betriebe nicht gleich auf einen teuren Laufstall umbauen müssen, sondern mit deutlich günstigeren Umbaulösungen auf tiergerechtere Haltungssysteme umstellen können. Die Politik muss die Umbaukosten mit entsprechenden Förderungen begleiten“, so Waizenegger.
Süddeutsche Verbände: Änderungen zwingend nötig
Entschieden abgelehnt wird der Entwurf auch von den Verbänden der süddeutschen Milchwirtschaft, „sofern die in dieser Stellungnahme geforderten Anpassungen nicht vorgenommen werden.“ Änderungen in dem Gesetzestext aus dem Referentenentwurf vom 1. Februar 2024 seien zwingend nötig, um eine praxisgerechte Fortentwicklung des Tierwohls zu fördern.
In der Stellungnahme heißt es: „Angesichts der Dynamik des Strukturwandels in der Milchviehhaltung und des insbesondere bei den anbindehaltenden Milchviehbetrieben erdrutschartigen Rückgangs der Betriebszahlen sowie der Bestrebungen des Lebensmitteleinzelhandels vermehrt auf Milch aus Anbindehaltung zu verzichten, halten wir ein gesetzliches Verbot der Anbindehaltung für völlig überflüssig. Darüber hinaus wären von einem Verbot nicht nur Milchkuhhaltungen, sondern auch Mutterkuhhaltungen, die vor allem auch extensives Grünland pflegen sowie Rinderaufzucht- und -mastbetriebe betroffen. Ein Verbot der Anbindehaltung brächte daher nur weitere unnötige Strukturbrüche, mit allen negativen Folgen für die kleineren bäuerlichen Familienbetriebe, die Kulturlandschaft und den Ländlichen Raum insgesamt.
Ungeachtet dessen stellen wir fest, dass eine 5-jährige Übergangszeit - wie sie im Referentenentwurf § 21 (1 a) vorgesehen ist - den derzeit noch anbindehaltenden Betrieben bei Weitem viel zu wenig Zeit für die notwendigen betrieblichen Anpassungen lässt. Dies zeigen auch ganz klar die Positionen des Freistaats Bayerns, der sich mit einer Bundesratsinitiative gegen ein generelles Verbot der Anbindehaltung von Milchkühen ausgesprochen hat sowie des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, wo eine Übergangszeit bezüglich der Anbindehaltung von mindestens 15 Jahren gefordert wird.
In den § 21 (1a) ist auch die Kombihaltung als zukünftig weiterhin akzeptable Haltungsform aufzunehmen über die Einfügung eines Punktes 3 mit folgendem Text:
“…oder 3.
- zwingend an mindestens 120 Tagen im Jahr eine freie Bewegung der Tiere für mindestens zwei Stunden auf der Weide, in einem Laufhof oder in Bewegungsbuchten, sowie eine freie Abkalbung gewährleistet ist“.
Die Kombihaltung ist als Haltungsform für ein erweitertes Tierwohl seit Jahren anerkannt. Ferner muss eine Streichung der Anforderung "mit höchstens 50 Rindern" vorgenommen werden, da die absolute Bestandsgröße in keinem Zusammenhang zu Tierschutz und Tierwohl besteht und diese starre Linie für einen lebenden Betrieb nicht praktikabel ist. Eine Übergabe des Betriebs muss weiterhin möglich sein, daher ist die Passage in § 21 (1a Absatz 2) „durch den jeweiligen Betriebsinhaber“ zu streichen.
Darüber hinaus sind die bestehenden Regelungen im Tierschutzgesetz des §5 Absatz 3 Nummer 2 in der gültigen Fassung beizubehalten, um Landwirten beim Veröden der Hornanlagen weiterhin das etablierte schonende Verfahren mittels Schmerzmittelgabe und Sedierung sowie Durchführung zu einem optimalen Zeitpunkt zu ermöglichen.“
Unterzeichnet ist die Stellungnahme vom Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband (BWGV), dem Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV), dem Bayerischen Bauernverband (BBV), dem Genossenschaftsverband Bayern, dem Landesbauernverband in Baden-Württemberg (LBV), dem Milchwirtschaftlichen Verein Baden-Württemberg, dem Verband der Bayerischen Privaten Milchwirtschaft (VBPM) sowie dem Verband der Milcherzeuger Bayern (VMB).
Eine Stellungnahme der AbL zur Anbindehaltung findet sich hier.