Als DBV-Präsident Rukwied Mitte Dezember über die Kürzungen beim Agrardiesel sagte, „wir kämpfen, bis zum Ende“, stellte sich die Frage, ob solch eine Kriegsrhetorik angesichts einer Steuerrückerstattung nicht etwas überzogen ist. Ja, die Streichungen waren ein politischer Fehler, die Proteste waren gerechtfertigt, liefen meistens gut und der gesellschaftliche Rückhalt war groß. Agrarpolitik und die Sorgen der Bäuerinnen und Bauern über mangelnde Planungssicherheit, nicht kostendeckende Preise bei zunehmenden Anforderungen und steigender Bürokratie wurden medial so viel diskutiert wie schon lange nicht mehr. Das ist gut. Gleichzeitig sind die bisher erfolgten politischen Antworten enttäuschend. Statt steuerlicher Gewinnglättung und einem Abbau von Umweltstandards braucht es Lösungen, die wirklich und grundsätzlich die Situation der Höfe verbessern und verlässlich aufzeigen, wie die notwendigen Änderungen im Stall und auf dem Acker gestaltet und finanziert werden.
Besorgniserregend aktuell ist die Entwicklung, sowie die undurchsichtige Vermischung von Akteuren bei einigen der Proteste der letzten Tage und Wochen. Wer genau zerschlug das Fenster des Dienstwagens in Biberach beim politischen Aschermittwoch der Grünen? Oder die Blockade der Veranstaltung mit Ricarda Lang (Bundesvorsitzende Grünen) in Magdeburg. Dort zu demonstrieren ist das eine, sie am Wegfahren zu hindern überschreitet Grenzen. Während Montag im EU-Agrarrat die europäischen Landwirtschaftsminster:innen über die Lage debattierten, ging es auf den Straßen Brüssels hoch her, die Bilder sehen aus wie ein Machtkampf zwischen Traktor-PS und Wasserwerfer-PS. Mit solchen Aktionen droht man den bislang vorhandenen gesellschaftlichen Rückhalt zu verspielen. Und der DBV? Distanziert sich von den Krawallen und ruft zur Mäßigung auf. Und dennoch: Es sind auch die Geister, die Rukwied rief. Ihm nützt der Druck der Straße, um seine Agenda in Berlin und Brüssel voran zu bringen. Und die heißt aktuell ein Rückabwickeln von Umweltanforderungen unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus. Wenn die EU-Kommission Grundanforderungen der GAP, wie etwa GLÖZ 8 – die Verpflichtung zur Bereitstellung von 4 % Landschaftselementen oder Brache - zurücknimmt und nun sogar ein Aufweichen des Grünlandumbruchsverbots im Raum steht, dann geht das genau in diese Richtung.
Aber: All das blockiert nicht nur den dringend nötigen Klima- und Umweltschutz, es wird langfristig auch den Bäuerinnen und Bauern auf die Füße fallen. Denn die Betriebe sind auf intakte Ökosysteme angewiesen und spüren doch schon längst, was die Klimakrise für ihre Betriebe heißt. Zudem verändern sich Märkte und ihre Player aus dem Handel, die sehr wohl immer genauer hingucken, wie Milch, Hack und Kartoffeln erzeugt werden. Die gesellschaftlichen Forderungen nach mehr Tierwohl oder mehr Klimaschutz werden wieder lauter werden, sobald die Debatte um Agrardiesel endgültig zu Ende ist. Die notwendigen Änderungen für die Landwirtschaft werden also kommen. Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) hat dazu bereits 2021 das Konzept geliefert, wie es gestaltet werden kann: Die Grundanforderungen der GAP sollen nur abgebaut werden, wenn gleichzeitig mehr Geld in die Qualifizierung fließt. Es ist kostengünstiger jetzt zu handeln als zu warten und dann zu handeln, Bäuerinnen und Bauern müssen ökonomisch von ihren Gemeinwohlleistungen profitieren, die Gelder aus dem Bundeshaushalt werden nicht ausreichen, es braucht zusätzliche Finanzierungsinstrumente. Das heißt dann doch für die aktuelle Debatte: Wenn die Grundanforderungen abgebaut werden, muss gleichzeitig mehr Geld aus der ersten Säule der GAP in Ökoregelungen umgeschichtet werden. Der Umbau der Tierhaltung wird nur gelingen, wenn er sicher und langfristig finanziert wird. Dafür braucht es Zusagen und politischen Willen. Die Marktposition der Bäuerinnen und Bauern muss sich verbessern, etwa über eine Vertragspflicht zwischen Bäuerinnen und Bauern und den Molkereien.