Politischer Handlungsdruck für nachhaltige Perspektiven auf Höfen

In ersten Reaktionen nach dem Treffen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) mit Bundeskanzler Olaf Scholz in der vergangenen Woche ist von ZKL-Mitgliedern wie der AbL, dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), dem Tierschutzbund und dem Bauernverband (DBV) von einem “zuhörenden Kanzler“ die Rede, von „unmittelbarem Handlungsbedarf“ und „ersten dringenden Schritten“.

AbL: Wir brauchen dringend faire, kostendeckende Erzeugerpreise

Xenia Brand, AbL-Bundesgeschäftsführerin und Vertreterin in der ZKL, zieht eine erste Bilanz des Termins: „Der agrarpolitische Handlungsdruck ist immens. Für umsetzbare Lösungen ist ein gesellschaftlicher Konsens und politischer Wille unabdingbar. Daher begrüße ich, dass der Bundeskanzler allen Stimmen aus der ZKL zugehört hat – nun braucht es politisches Handeln. Gerade für den Umbau der Tierhaltung brauchen die Bäuerinnen und Bauern endlich Klarheit in Form von langfristigen Verträgen und einer gesicherten Finanzierung. Denn ohne eine solide Finanzierung wird es keinen Umbau der Tierhaltung geben, der alle Betriebe mitnimmt. Der gesellschaftlich gewollte Umbau muss auch gesamtgesellschaftlich organisiert werden, damit die Betriebe nicht am Ende auf den Kosten sitzen bleiben, wenn Veränderungen letztlich durch Gerichtsurteile erzwungen werden. Die vorläufige Empfehlung der entsprechenden ZKL-Arbeitsgruppe, die Mehrwertsteuer auf tierische Produkte anzuheben, ist daher der beste gangbare Weg."

Als Reaktion auf die Bauernproteste werden nach Ansicht von Brand zurzeit übereilt und undemokratisch Umweltstandards zurückgedreht. „Gegenüber dem Kanzler habe ich deutlich gemacht, dass diese als Entgegenkommen getarnten Rückschritte genau wie die Düngeverordnung den Bäuerinnen und Bauern langfristig auf die Füße fallen wird, denn Klimakrise und Artensterben sind immer drängender. Um dem vorzubeugen, muss das Budget für die freiwilligen Ökoregelungen schnellstmöglich deutlich angehoben werden, um die Förderangebote ausweiten und attraktiver gestalten zu können. Ökoregelungen müssen einkommenswirksam werden und insbesondere auch Milchviehbetriebe mit Grünland, die bislang klare Verlierer sind, fördern", so die AbL-Geschäftsführerin, die abschließend betont: "Als AbL ist es uns wichtig zu betonen, dass die Bäuerinnen und Bauern dringend faire, kostendeckende Erzeugerpreise für ihre Produkte brauchen. Das war die wichtigste Forderung der Bäuerinnen und Bauern bei den europaweiten Protesten. Der Kanlzer muss daher als einen ersten wichtigen Schritt die Umsetzung des Artikels 148 der Gemeinsamen Marktordnung konsequent voranbringen."

BDM: Sparzwänge erhöhen den Handlungsbedarf

„Wir haben heute einen zuhörenden Kanzler erlebt, der sehr interessiert den Sachstand der Konsensfindung zur Umsetzung erster Vorschläge zur Transformation der Agrarpolitik aus dem ZKL-Abschlussbericht aufgenommen hat “, erklärt BDM-Sprecher Hans Foldenauer nach demTreffen.

Neben dem Umbau der Tierhaltung seien bei dem Treffen auch Empfehlungen zu Bürokratieabbau und steuerlichen Themen sowie Fragen der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik, des Wettbewerbs und einer neuen Kultur der Zusammenarbeit, des Zugangs zu Boden und Produktionsmitteln sowie der Einführung von alternativen Antrieben und Treibstoffen für landwirtschaftliche Maschinen ausgesprochen. Diese Empfehlungen werden in einem Eckpunktepapier zusammengefasst.

Hans Foldenauer verwies darauf, dass es allein mit diesen Maßnahmen nicht getan sei: „Es bedarf einer Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik, bei der die Gemeinsame Marktordnung im Vordergrund zu stehen hat.“ In den Debatten über die zukünftige Verteilung der Agrargelder und die Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung komme der Aspekt, wie Landwirte über gewinnbringende Erlöse für ihre Agrarprodukte ihr Geld verdienen können, immer noch zu kurz. Hier habe der BDM mit seiner Zukunftsstrategie 2030 konkrete Vorschläge vorgelegt.

„Angesichts der Sparzwänge, unter denen die öffentlichen Haushalte stehen, besteht unmittelbarer Handlungsbedarf. Für Scheindebatten besteht so wenig Spielraum wie in den Haushaltskassen,“ erklärt BDM-Vorstand Karsten Hansen. „Die aktuell beschlossenen Rücknahmen von Konditionalitäten für den Erhalt der Agrargelder dürfen uns Bauern nicht in vermeintlicher Sicherheit wiegen. Früher oder später könnte uns das wieder auf die Füße fallen.“

Und abschließend fasst Foldenhauer zusammen: „Von der Ampelkoalition erwarten wir mutige Entscheidungen dahingehend, die Vorschläge zur Transformation der Agrarpolitik im Sinne der Bäuerinnen und Bauern umzusetzen und nicht stehen zu bleiben. Es bedarf nichts weniger als einer Neuausrichtung der Agrarpolitik, bei der die Belange der Landwirtschaft im Vordergrund stehen.“

Tierschutzbund-Präsident bewertet Kanzlertermin positiv

Auf Einladung des Bundeskanzleramtes traf sich heute die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) mit dem Bundeskanzler Olaf Scholz zu einem intensiven Austausch. Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes und Mitglied in der ZKL, zieht eine erste Bilanz des Termins:

„Die Transformation der Landwirtschaft hätte schon lange beginnen können und müssen. Leider haben sowohl die CDU-Vorgängerregierung als auch die Ampel Jahre verstreichen lassen. Ich bin aber froh, dass jetzt der Wille auf Regierungsseite erkennbar wird, die Ratschläge der ZKL anzunehmen. Das hat der Bundeskanzler in dem konstruktiven Gespräch deutlich gemacht“, erklärt der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes und Mitglied in der ZKL in seinerersten Bilanz des Termins.

Betont wurde laut Schröder in dem Termin, dass der Umbau der Tierhaltung als dringende Maßnahme angegangen werden müsse, die Vorgaben der so genannten Borchert-Kommission seien dafür die Blaupause. „Die notwendigen Fördergelder, um den Landwirten einen Umbau zu ermöglichen, sollen über die Mehrwertsteuer reingeholt werden, auch da hat die Ampel nun einen klaren Fahrplan, den ich sehr begrüße. Dazu gehört auch die ZKL-Empfehlung, dass geschlossene Stallsysteme auslaufen. Deutlich wurde damit auch, dass das staatliche Haltungskennzeichen wie bisher konstruiert bei dem Umbau als Hindernis gesehen werde“, so Schröder.

Für die Ampel sollte dies der Anlass sein, jetzt einen Kurswechsel zu starten: Weniger Konsum, weniger Produktion tierischer Lebensmittel, mehr Tierschutz und mehr Planungssicherheit für alle Beteiligten.

Erneut habe die ZKL in ihrer heterogenen Zusammensetzung bewiesen, dass es mit ernsthaftem Willen und Kompromissfähigkeit gelingen kann, Brücken zu bauen. „In der Kommission geht die Arbeit zügig weiter, neben der Tierhaltung stehen der Bürokratieabbau, steuerliche Fragen, die gemeinsame europäische Agrarpolitik und eine neue Kultur der Zusammenarbeit auf der Agenda. Weitere Themen sind der Zugang zu Boden, die Elektrifizierung und alternative Kraftstoffe in der Landwirtschaft. Das wird ein Gesamtpaket. Was wir schaffen, das sollte auch der SPD, den Grünen und der FDP gelingen. Im Interesse des Tier- und Umweltschutzes, aber auch im Interesse der Wirtschaftsbeteiligten braucht es dringend Planungssicherheit. Noch nie war die Chance so groß, breite Unterstützung für die Transformation zu finden. Die gilt es jetzt zu nutzen“, so der Tierschutzbund-Präsident abschließend.

DBV: Bundesregierung muss Landwirtschaft entlasten

Im Nachgang des Gesprächs zwischen der ZKL und dem Bundeskanzler weist der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, Dr. Holger Hennies, darauf hin, dass die Zukunftskommission dringenden Handlungsbedarf seitens der Bundesregierung betont habe: „Die Zukunftskommission Landwirtschaft hat der Bundesregierung deutlich aufgezeigt, wo Handlungsbedarf und Nachbesserungspotenzial besteht, um die Rahmenbedingungen für die deutsche Landwirtschaft so zu gestalten, dass unsere Betriebe wettbewerbs- und zukunftsfähig sind. Entscheidend ist, dass ein Gesamtpaket geschnürt wird, das der Komplexität unserer Branche gerecht wird. Einzelne Maßnahmen herauszugreifen – und diese womöglich noch zu verwässern – ist nicht zielführend. Innerhalb der Zukunftskommission Landwirtschaft finalisieren wir dazu derzeit ein Eckpunktepapier mit konkreten Maßnahmen. Diese beziehen sich insbesondere auf den Umbau der Tierhaltung, den Bürokratieabbau und das Thema Düngung.“

Anfang Mai soll Bundeskanzler Olaf Scholz das Eckpunktepapier der ZKL übergeben werden. Ende des laufenden Jahres ist außerdem ein weiterer Austausch mit Bundeskanzler Scholz vereinbart.