Sächsisches Agrarstrukturgesetz: Klare Kante gegen Investoren in der Landwirtschaft

Das Kabinett des Landes Sachsen hat den Entwurf eines Agrarstrukturgesetzes zur Anhörung freigegeben. Für Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther ist der Entwurf „ein Meilenstein in der sächsischen Agrarpolitik“ und für die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Mitteldeutschland „ein großer Schritt in die richtige Richtung“.

Mit dem Gesetz sollen laut Mitteilung des sächsischen Landwirtschaftsministeriums regional ansässige Landwirtinnen und Landwirte soweit EU- und verfassungsrechtlich möglich im Grundstücksverkehr bevorzugt werden. Darüber hinaus werden Landwirtinnen und Landwirte bei Kauf und Pacht landwirtschaftlicher Flächen vor spekulativ überhöhten Marktpreisen geschützt. Ein wesentliches Anliegen ist es zudem, den Zugriff auf Landwirtschaftsflächen (Eigentum und Pacht) »in einer Hand« auf ein verträgliches Maß zu beschränken. Damit kann der Einfluss einzelner Marktteilnehmer begrenzt werden. Allerdings sollen Anteilserwerbe (»share deals«) nicht grundsätzlich unterbunden werden. Auf Grund der sächsischen Agrarstruktur, innerhalb derer ein großer Teil der Betriebe als juristische Person oder Personengesellschaft betrieben wird, ist eine Betriebsnachfolge nur über Anteilsübertragungen möglich. Dem trägt der Gesetzentwurf laut Ministerium Rechnung.

Sachsens grüner Landwirtschaftsminister Günther erklärt: „Auf dem Bodenmarkt gehen die Preise für Landwirtschaftsflächen durch die Decke. Ackerflächen sind zu einem Spekulationsobjekt für nichtlandwirtschaftliche Investoren geworden. Das geht zu Lasten unserer sächsischen Landwirtinnen und Landwirte. Mein Ziel ist eine zukunftsfeste Landwirtschaft mit guten Einkommensperspektiven.“ Mit dem Agrarstrukturgesetz werde der Ausverkauf von Landwirtschaftsflächen verhindert und die bestehende sächsische Agrarstruktur erhalten. „Und wir sichern ab, dass Landwirtinnen und Landwirte Zugang zu Ackerflächen haben. Wir greifen in den Markt ein, um faire Wettbewerbsbedingungen für die Landwirtinnen und Landwirte zu schaffen. Denn nur eine starke Branche kann zu unserem Ziel beitragen, regionale, krisenfeste Wertschöpfungsketten aufzubauen und mehr Klimaschutz, Umwelt-, Tierschutz und Artenvielfalt in der Landwirtschaft zu erreichen. Das Agrarstrukturgesetz ist ein Meilenstein in der sächsischen Agrarpolitik. Es ist Teil eines größeren Pakets: Mit dem Gesetz, mit unserem Förderprogramm für Existenzgründungen und Hofnachfolgen und der noch ausstehenden Höfeordnung sichern wir die Zukunftsfähigkeit der sächsischen Landwirtschaft“, so Günther.

AbL Mitteldeutschland sieht großen Schritt in die richtige Richtung

„Der Gesetzentwurf ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Nur mit einem starken Agrarstrukturgesetz kann der Ausverkauf der sächsischen Landwirtschaft an Investoren gestoppt werden. Wir werden den Entwurf gründlich prüfen und uns kritisch und konstruktiv in den weiteren Prozess einbringen.“, sagt Anne Neuber, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland (AbL).

Erst kürzlich hatte in Brandenburg der Verkauf eines großen Landwirtschaftsbetriebes an den Leipziger Immobilienkonzern Quarterback Immobilien AG, der zu 40 Prozent der Immobiliengesellschaft „Deutsche Wohnen SE“ gehört, bundesweit für Aufsehen gesorgt. Der Fall ist keine Ausnahme. Das Thünen-Institut schätzte den Anteil der Investoren an Großbetrieben (juristische Personen) in Sachsen auf 32 % im Jahre 2017 – Tendenz steigend. Bisher regulierten bestehende Gesetze nur den Verkauf von Agrarland, nicht aber den Verkauf ganzer landwirtschaftlicher Unternehmen. Daher konnten die Verkäufe an Investoren nicht beanstandet werden. Der jetzige Gesetzesentwurf unterwirft diese sogenannten Share Deals nun auch einer Anzeige- und Genehmigungspflicht.

„Der vorgelegte Entwurf für ein Agrarstrukturgesetz füllt eine bestehende Regulierungslücke. Er leitet juristisch nachvollziehbar Versagungsgründe für Share Deals her und trägt somit dazu bei die Agrarstruktur in Sachsen zu erhalten, so Reiko Wöllert, Bodenmarktexperte der AbL.

Anne Neuber ergänzt: „Der Entwurf muss nun schnellstens ins parlamentarische Verfahren – die Zeit drängt. Damit Sachsen bald ein starkes Agrarstrukturgesetz hat und bäuerliche Betriebe geschützt werden.“

Der Gesetzentwurf beinhaltet laut Ministerium unter anderem folgende Regelungen:

Um spekulativ überhöhte Preise zu begrenzen, sieht der Gesetzentwurf eine Höchstpreisgrenze für Grundstücksveräußerungen in Höhe von 20 Prozent über dem Verkehrswert vor. Die Pachtzinshöhe bei Landpachtverträgen soll maximal 50 Prozent über dem ortsüblichen Vergleichspachtzins liegen dürfen. Dazu werden regionale Pachtpreisspiegel eigeführt.

Ebenfalls vorgesehen ist eine Anzeigepflicht für die Übertragung von Anteilen (»share deals«) an Unternehmen mit Besitz oder Eigentum an landwirtschaftlich nutzbaren Flächen. Wird dabei festgestellt, dass dabei die Konzentrationsgrenze überschritten wird, muss der entsprechende Akteur seinen Flächenzugriff auf die gesetzliche Konzentrationsgrenze reduzieren. Das Verwaltungsverfahren zur Prüfung von Share Deals und vergleichbaren Rechtsgeschäften wird beim Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) geführt.

Der Erwerb landwirtschaftlich nutzbarer Flächen durch Nichtlandwirtinnen und -landwirte soll weiter erschwert werden. Ein Baustein dafür ist die Erweiterung der Vorkaufsrechte durch die gemeinnützige Sächsische Landsiedlung GmbH (SLS). Diese kann auch dann in Kaufverträge eintreten, wenn aktuell ein erwerbsbereiter Landwirt nicht vorhanden ist. Die SLS hat das Grundstück dann aber innerhalb von höchstens zehn Jahren agrarstrukturverbessernd zu verwenden.

Eingeführt werden soll zudem eine Flächenkonzentrationsgrenze von 2.500 Hektar. Unternehmen und sonstige Akteure sollen über diese Grenze hinweg nicht dauerhaft landwirtschaftlich Flächen ankaufen oder anpachten oder über beherrschende Gesellschaftsbeteiligungen mittelbar besitzen können. Betriebe, die bei Inkrafttreten diese Konzentrationsgrenze bereits überschreiten, sollen Bestandsschutz erhalten. Damit würden Betriebsstrukturen geschützt, die sich auf eine bestimmte Flächengröße und Bewirtschaftung eingerichtet haben.

Die Mindestgröße für die Genehmigungsbedürftigkeit von Grundstücksverkäufen wird auf einen Hektar heraufgesetzt, unabhängig von den Eigenschaften des Erwerbenden. Für Grundstückskaufverträge über Weinbau-, Erwerbsobstbau-, Erwerbsgartenbau-, und Fischzuchtflächen soll eine Freigrenze von 0,25 Hektar gelten.

Grundstücksübertragungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge werden erleichtert.

Zum Hintergrund, für die Notwendigkeit regulierend am Bodenmarkt einzugreifen, schreibt die AbL: Investoren wie die Aldi-Stiftung, die Zech-Gruppe oder die Münchener Rück haben seit der Wende etliche landwirtschaftliche Großbetriebe aufgekauft und besitzen dadurch weite Flächen in Ostdeutschland. Offizielle Zahlen existieren keine, das Thünen-Institut schätzte den Anteil der Investoren an Großbetrieben (juristische Personen) in Ostdeutschland auf 34% im Jahre 2017 - Tendenz steigend.

Der neueste prominente Fall war der Aufkauf der Röderland GmbH im brandenburgischen Elbe-Elster-Kreis durch die Quarterback Immobilien AG, ein assoziiertes Partnerunternehmen des Immobilieninvestors Deutsche Wohnen SE. Beim Kauf des 2500 Hektar großen landwirtschaftlichen Unternehmens Anfang März 2023 wurde der Landwirt Tobias Lemm um zwei Millionen Euro von der Quarterback Immobilien AG überboten.

Die Kaufpreise für Agrarland in Sachsen stiegen von ca. 4.110 Euro/Hektar im Jahr 2005 auf 13.410 Euro/Hektar im Jahr 2020 – das ist mehr als eine Verdreifachung des Preises. Auch die Pachtpreise von Land stiegen extrem an. Lag die Pacht von Agrarland in Sachsen 2010 noch durchschnittlich bei 134 Euro/Hektar, stieg sie bis 2020 auf 201 Euro/Hektar an.

19.04.2023
Von: FebL/PM

In Sachsen geht der Entwurf für ein Agrarstrukturgesetz in die Anhörung. Foto: FebL