Bäuerinnen und Bauern der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und der jungen AbL (jAbL) haben mit Traktoren und Bannern vor dem Firmensitz der Immobiliengesellschaft „Deutsche Wohnen SE“ in Berlin protestiert. Unter dem Aktionsmotto „Deutsche Wohnen – Finger weg von unserem Acker, Agrarstrukturgesetze jetzt!“ forderten sie den Konzern auf, sein Versprechen zu halten und nicht in Agrarland zu investieren. Gleichzeitig richteten sie ihre Forderung an die Landesregierungen, insbesondere der ostdeutschen Bundesländer, endlich wirksame Agrarstrukturgesetze zu beschließen, um weitere Investorenkäufe von Agrarland zu verhindern. Anlass für den Protest ist das Kaufangebot der „Quarterback Immobilien AG“ für einen Agrarbetrieb, die Röderland GmbH im Elbe-Elster-Kreis in Brandenburg, bei dem ein Landwirt durch den Immobilieninvestor überboten wurde. Quarterback gehört zu 40 Prozent der Deutsche Wohnen SE.
„Wir sind heute hier, um die Deutsche Wohnen Immobiliengesellschaft aufzufordern, ihren eigenen Ankündigungen Folge zu leisten und nicht in Agrarland zu investieren; auch nicht über ein assoziiertes Unternehmen wie Quarterback“, so Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der AbL, während des Protestes in Berlin. „Nicht-landwirtschaftliche Investoren wie die Deutsche Wohnen SE treiben die Bodenpreise nach oben und gefährden damit die Existenz bäuerlicher Betriebe. Langfristig führt das zu einer Flächenkonzentration in den Händen weniger kapitalstarker Konzerne. Bäuerinnen und Bauern können damit nicht konkurrieren.“
Die Röderland GmbH umfasst 2500 Hektar bewirtschaftete Fläche. Der Landwirt Tobias Lemm hat acht Millionen Euro für den Betrieb geboten und erklärt, mit seiner Familie an den Betriebsort ziehen zu wollen. Die Quarterback Immobilien AG hatte ihn jedoch um zwei Millionen Euro überboten. Dass dies überhaupt rechtlich möglich ist, liegt an einer Regelungslücke in den bestehenden Gesetzen. Eigentlich sichert in Deutschland das Grundstücksverkehrsgesetz Landwirt:innen gegenüber Nicht-Landwirt:innen das Vorkaufsrecht auf landwirtschaftlichen Boden. Quarterback nutzt hier aber das Schlupfloch eines Anteilskaufs.
„Ohne starke Agrarstrukturgesetze wird es weitere derartige Fälle geben. Finanzstarke Konzerne überbieten Landwirtinnen und Landwirte, indem sie einfach ein paar Millionen oben drauf packen. Das ist der fortschreitende Ausverkauf der Ackerflächen, insbesondere in Ostdeutschland, den wir bereits seit Langem sorgenvoll beobachten. Wir kritisieren diese Entwicklung aufs Schärfste“, sagt Julia Bar-Tal, Geschäftsführerin der AbL in Brandenburg. „Die Landesregierungen in Ostdeutschland müssen endlich handeln und Agrarstrukturgesetze erlassen, um den Verkauf von Boden und landwirtschaftlichen Betrieben an Investoren zu beenden und bäuerliche Betriebe vor kapitalstarken Investoren zu schützen.“
Die Deutsche Wohnen bzw. Quarterback sind dabei keine Ausnahme. Außerlandwirtschaftliche Investoren wie die Aldi-Stiftung, die Zech-Immobiliengruppe oder die Münchener Rückversicherungsgesellschaft haben seit der Wende etliche landwirtschaftliche Großbetriebe aufgekauft und besitzen dadurch große Flächen in Ostdeutschland. Offizielle Zahlen existieren keine, das Thünen-Institut schätzte den Anteil der Investoren an Großbetrieben (juristische Personen) in Ostdeutschland auf 34 Prozent im Jahre 2017- Tendenz steigend. Damit einher gehen Preissteigerungen auf dem Bodenmarkt in Ostdeutschland vergleichbar mit denen des Wohnungsmarkts in Berlin, die es bäuerlichen Betrieben und Existenzgründ:innen den Zugang zu Land immer mehr erschweren.
In Bezug auf den konkreten Fall der Quarterback AG ist es dem Vernehmen nach so, dass sie ihr Kaufangebot noch zurückziehen könnten. Darauf könnte die Deutsche Wohnen SE aufgrund ihrer 40-prozentigen Beteiligung maßgeblich Einfluss nehmen; ob sie dies trotz des Protests der Bäuer:innen und des großen medialen Interesse am Fall tut, erscheint jedoch aktuell unwahrscheinlich. Damit würde wieder ein landwirtschaftlicher Betrieb an einen außerlandwirtschaftlichen Investor übergehen. Stoppen kann dies jedoch nur die Politik.
Hierfür trifft sich am Mittwoch, den 8.3.23, auch der Agrarausschuss des Brandenburger Landtages, um über das geplante Agrarstrukturgesetz des Landes zu sprechen. Die Regierung muss nach Ansicht der AbL nun schnell und entschlossen handeln: Mit einem starken Agrarstrukturgesetz könnte der Ausverkauf der Landwirtschaft an Investoren in Zukunft größtenteils verhindert werden. Dies gilt im Übrigen auch für die anderen ostdeutschen und einige westdeutsche Bundesländer, in denen Agrarstrukturgesetze auf sich warten lassen, und Landwirt:innen immer ungeduldiger werden.
Weitere Informationen zum Bodenmarkt und zum Agrarstrukturgesetze finden sich unter https://www.abl-mitteldeutschland.de/themen/bodenmarkt.