Bauern und Bäuerinnen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Mitteldeutschland veranstalteten auf dem Landgut Holzdorf in Thüringen ihren schon traditionellen Tag der Landwirtschaft. Unter dem Motto „Gentechnikfreiheit sichern- Jetzt!“ luden sie zu Vorträgen über Züchtung und Klimawandel ein. Der in Thüringen für die Gentechnikregulierung zuständige Umweltminister Bernhard Stengele sprach ein Grußwort. Vertreter von Linken, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP diskutierten mit den anwesenden Bäuerinnen und Bauern über ihre politischen Positionen zur Gentechnikregulierung sowie zur kommenden Wahl im Herbst 2024. Anlass für die diesjährige Schwerpunktsetzung auf dem Tag der Landwirtschaft war der Vorschlag der EU-Kommission, die Verwendung von gentechnisch veränderten Sorten fast komplett zu deregulieren. Anlässlich der in der kommenden Woche anstehenden Entscheidung im EU-Parlament zur zukünftigen Regulierung der Gentechnik ruft die Bundes-Abl weiterhin dazu auf, die von der AbL-Bäuerin Bärbel Endraß und Kolleg:innen aus der Züchtung und Verarbeitung initiierte und unter anderem an die deutschen EU-Abgeordneten gerichtete Gentechnik-Petition „Kennzeichnung und Regulierung aller Gentechnik-Pflanzen erhalten“ zu unterzeichnen sowie mit Mails oder Briefen bei den EU-Abgeordneten nachzufragen, wie sie die Wahlfreiheit für Verbraucher:innen aufrechterhalten wollen, wie sie das Recht, gentechnikfrei zu erzeugen und zu züchten, sichern wollen und wer im Schadensfall haften wird.
Reiko Wöllert, Milchbauer und Landesgeschäftsführer Thüringen der AbL Mitteldeutschland erklärt: „Nach den Plänen der EU-Kommission soll es künftig keine Kennzeichnungspflicht, keine Rückverfolgbarkeit und auch keine Haftungsregelungen für Gentechnik mehr geben. Es gäbe damit künftig auch keinerlei Wahlfreiheit für Konsumenten und Konsumentinnen mehr, sich gentechnikfrei zu ernähren. Da dafür aber die neuen „Züchtungen“ mit Sicherheit patentiert werden und sich wild auskreuzen, werden künftig alle Betriebe, egal ob konventionell oder bio von Schadensersatzklagen durch die Saatgutkonzerne bedroht sein. In den USA ist das schon lange eine existenzvernichtende Praxis.
Die Versprechungen, mit denen die Genlobby lockt, seien dieselben wie schon seit 40 Jahren. „Keine davon wurde je eingelöst. Das wird auch bei der neuen Gentechnik nicht anders sein. Auf den Risiken aber bleiben die Bäuerinnen und Bauern sitzen. Das darf nicht sein“, so Wöllert.
Bernhard Stengele, der in Thüringen für Gentechnik zuständige Minister für Umwelt, Energie und Naturschutz sagte dazu: „Der Eintrag gentechnisch veränderter Organismen sowohl in die gentechnikfreie Landwirtschaft als auch in Naturschutzgebiete ließe sich mit dem Vorschlag der EU-Kommission nicht mehr verhindern. Die damit verbundenen Risiken lassen sich derzeit gar nicht abschätzen. Wir fühlen uns dem Koalitionsvertrag verpflichtet und werden uns auch weiterhin dafür einsetzen, dass Thüringen gentechnikfrei bleibt.“
In einer Podiumsdiskussion am Nachmittag sprachen sich alle anwesenden Vertreter der im Landtag vertretenen demokratischen Parteien für eine Ablehnung oder Überarbeitung des derzeitigen Kommissionsvorschlages zur Deregulierung der Gentechnik aus. Einig waren sich alle darin, dass nur eine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel auch weiterhin die Wahlfreiheit für Konsumentinnen und Konsumenten gewährleisten kann und deshalb zwingend erhalten werden muss. Im Anschluss stellten sie die agrarpolitischen Aspekte der Programme zur Landtagswahl vor, die mit den Anwesenden aus Berufsstand, Verwaltung und Politik lebhaft diskutiert wurden.
Die Veranstaltung wurde in Kooperation mit der Zukunftsstiftung Landwirtschaft, der Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen e.V. und dem Förderverein AbL Mitteldeutschland e.V. veranstaltet und durch Lottomittel des TMUEN gefördert. Die Stellungnahme der AbL zum Kommissionsvorschlag findet sich hier.