Zum Gentechnik-Gesetzesentwurf: Keine Einigung der EU-Regierungen – nur knappe Abstimmung im EU-Parlament

Unterschiedliche Beschlüsse zum Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zur Deregulierung neuer Gentechnik-Pflanzen (NGT) auf europäischer Ebene. Während sich im Europäischen Parlament am Mittwoch eine knappe Mehrheit für den Vorschlag der EU-Kommission aussprach, fand dieser am Nachmittag im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (AStV), der im Beschlussfassungssystem der EU eine zentrale Rolle einnimmt und die Vorlagen für die Ministerratssitzungen liefert, keine qualifizierte Mehrheit.

Das kommentiert Annemarie Volling, Gentechnik-Expertin der AbL: „Die AbL begrüßt, dass sich die EU-Regierungen nicht dem Druck der EU-Kommission und der Gentechnik-Industrie gebeugt haben und sich erneut nicht auf eine Verhandlungsposition zum Gesetzesvorschlag einigen konnten. Das zeigt, dass die Änderungsvorschläge offensichtlich unzureichend sind. Anders das EU-Parlament, dass sich gestern auf ein Verhandlungsmandat zum Gesetzesvorschlag geeinigt hat – allerdings mit nur sehr knapper Mehrheit. Ein Lichtblick ist, dass das Parlament sich für eine Kennzeichnungspflicht aller neuer Gentechniken bis zum Endprodukt ausgesprochen hat, jedoch mit einer nicht nachvollziehbaren Beschreibung, statt klar zu deklarieren, was es ist: Neue Gentechnik. Positiv ist auch, dass für eine Schutzklausel gestimmt wurde bzw. die Möglichkeit, die Einstufung als „NGT 1-Pflanze“ zu widerrufen, wenn sich unerwartete Risiken für Mensch und Umwelt zeigen. Dies ist aus Sicht der AbL allerdings keineswegs ausreichend, um das Recht auf gentechnikfreie konventionelle und ökologische Lebensmittelerzeugung und Wahlfreiheit für uns alle zu sichern. Wir fordern Risikoprüfung und Zulassungsverfahren für alle Gentechnik-Pflanzen, verpflichtende Nachweisverfahren von den Inverkehrbringern, obligatorische Kennzeichnung, wirksame verpflichtende Koexistenz- und Haftungsregelungen, Monitoring und Rückholbarkeit, und rechtssichere Verbote von Patenten auf Pflanzen und Tiere.“

Die vorausgegangene Debatte im Parlament habe gezeigt, dass eine Diskussion über die Deregulierung der neuen Gentechnik dringend notwendig ist. „Vielen Parlamentariern sind die Reichweite und die Folgen des Deregulierungsvorschlags der EU-Kommission für die landwirtschaftliche Praxis offensichtlich nicht klar. Deswegen gab es am Dienstag eine Demonstration vor dem EU-Parlament in Straßburg, bei der AbL-Bäuerin Barbara Endraß die von ihr gestartete Petition an Mitglieder des Parlaments übergab. Aus Sicht der AbL braucht es eine breite Debatte in der Öffentlichkeit statt einen Durchmarsch der Gentechnik-Industrie – schließlich geht es um die Zukunft unseres Saatguts, unserer Lebensmittelerzeugung und unseres Essens“, so Volling.

Bärbel Endraß, AbL-Bäuerin aus Wangen (Allgäu) und Vorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Baden-Württemberg, erklärte anlässlich der Übergabe der von ihr und Kolleg:innen gestarteten Petition: „Kennzeichnung und Regulierung aller Gentechnik-Pflanzen erhalten!“ an Abgeordnete des Europäischen Parlaments: „Jetzt ist die Stunde des Europaparlaments. Über 92.000 Menschen aus Deutschland wollen die Kennzeichnung und Regulierung aller Gentechnik-Pflanzen. Wir fordern die Abgeordneten des Europäischen Parlaments auf: Lehnen Sie den Deregulierungs­vorschlag der EU-Kommission ab. Sorgen Sie für ein EU-Gentechnikrecht, das auch in Zukunft eine gentechnikfreie Saatgut- und Lebensmittelerzeugung sichert. Sorgen Sie für Kennzeichnung und Wahlfreiheit für uns alle - Wirtschaftsakteure und Bürger:innen. Sichern Sie das wertvolle, in der EU geltende Vorsorgeprinzip. Sichern Sie die aktuellen Wettbewerbsvorteile europäischer Bäuer:innen, die sich gentechnikfreie Märkte aufgebaut haben, die den klaren Wünsche der europäischen Verbraucher:innen nach gentechnikfreien Produkten nachkommen. Wir wollen auch in Zukunft die Entscheidungsfreiheit und das Recht haben, gentechnikfrei zu wirtschaften, ökologisch und konventionell.“

Anlässlich der Debatte und der angekündigten Abstimmung im EU-Parlament zur Deregulierung der Neuen Gentechniken übergab Bärbel Endraß, AbL-Bäuerin aus Wangen (Allgäu) und Vorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Baden-Württemberg, die von ihr und Kolleg:innen gestartete Petition: „Kennzeichnung und Regulierung aller Gentechnik-Pflanzen erhalten!“ vor der Sitzung an Abgeordnete des Europäischen Parlaments.

Dazu erklärte sie: „Jetzt ist die Stunde des Europaparlaments. Über 92.000 Menschen aus Deutschland wollen die Kennzeichnung und Regulierung aller Gentechnik-Pflanzen. Wir fordern die Abgeordneten des Europäischen Parlaments auf: Lehnen Sie den Deregulierungs­vorschlag der EU-Kommission ab. Sorgen Sie für ein EU-Gentechnikrecht, das auch in Zukunft eine gentechnikfreie Saatgut- und Lebensmittelerzeugung sichert. Sorgen Sie für Kennzeichnung und Wahlfreiheit für uns alle - Wirtschaftsakteure und Bürger:innen. Sichern Sie das wertvolle, in der EU geltende Vorsorgeprinzip. Sichern Sie die aktuellen Wettbewerbsvorteile europäischer Bäuer:innen, die sich gentechnikfreie Märkte aufgebaut haben, die den klaren Wünsche der europäischen Verbraucher:innen nach gentechnikfreien Produkten nachkommen. Wir wollen auch in Zukunft die Entscheidungsfreiheit und das Recht haben, gentechnikfrei zu wirtschaften, ökologisch und konventionell.“

Anlässlich der in dieser Woche parallel stattfinden Diskussion zu Klimazielen der EU bis 2040 ist Endraß überzeugt: „Das Europaparlament sollte den Industrie-Versprechen, neue Gentechnik-Pflanzen könnten zur Klimaanpassung oder Pestizidreduktion beitragen, nicht auf den Leim gehen. Für eine klimaresiliente Landwirtschaft brauchen wir Vielfalt an Kulturen und Anbausystemen, Vielfalt in den Sorten und eine Agrarpolitik, bei der jeder Hof zählt! Sorgen Sie für ein Europa für Menschen und der Solidarität – nicht für Konzerninteressen.“

Neben der Petition übergab AbL-Bäuerin Endrass auch ein aktuelles Positionspapier von 23 landwirtschaftlichen, züchterischen und Jugend-Verbänden an die EU-Parlamentarier. Sie alle fordern das Recht auf Wahlfreiheit und gentechnikfreie Lebensmittelerzeugung.

Zum Hintergrund der NGT-Diskussion heißt es seitens der AbL: Der Vorschlag der EU-Kommission zur Deregulierung der neuen Gentechniken ist aus Sicht der AbL abzulehnen. Eine gentechnikfreie konventionelle und ökologische Lebensmittelerzeugung wäre dann nicht mehr möglich – die Wahlfreiheit wäre passé. Wenn für 94 Prozent der neuen Gentechnik-Pflanzen jegliche Regulierung abgeschafft werden sollen, dann ist das ein Durchdrücken von Industrieinteressen – zumal keine Haftungsregelungen vorgesehen sind. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) zeigt in einem aktuellen Papier auf, dass die geplante Deregulierung neuer Gentechnik-Pflanzen das Vorsorgeprinzip konterkariert und fordert stattdessen eine wissenschaftlich fundierte Regulierung.
Aktuell ist nach Ansicht der AbL unklar, wie es mit dem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission weiter geht. Dazu bräuchte es eine Verhandlungsposition des Rates, die gibt es aus berechtigten Gründen bisher nicht. Klar sei, dass die Diskussion um die neuen Gentechniken und die Zukunft unserer Ernährung in den anstehenden Europawahlen Thema wird.

 

08.02.2024
Von: FebL/PM

Übergabe der Petition an EU-Abgeordnete (v.r.): Maria Noichl/SPD, Terry Reintke/ Spitzenkandidatin der Grünen für die Europa-Wahlen, Martin Häusling/Grüne und Bärbel Endraß. Foto: AbL