Keine Einigung und Beschlussfassung zu NGT im EU-Agrarrat

Unter dem Punkt „Sonstiges“ standen auch die neuen genomischen Techniken (NGT), Genome Editing oder CRISPR/Cas, auf der Tagesordnung des EU-Agrarrats. Zu einer Einigung oder Beschlussfassung kam es nicht. Vorgesehen war lediglich eine Information des Rates durch die Delegation Spaniens zur „Bedeutung der Bereitstellung neuer Pflanzenzüchtungsstrategien für den Agrar- und Lebensmittelsektor auf der Grundlage von Genom-Editierungstechniken, um dessen Nachhaltigkeit, Widerstandsfähigkeit und Rentabilität zu stärken“. Unterstützt wurde diese Zustimmung zum Einsatz der NGTs und im Grundsatz zu dem Legislativvorschlag der EU-Kommission im Vorfeld bereits von der tschechischen, dänischen, estnischen, finnischen, italienischen, niederländischen, portugiesischen und schwedischen Delegation. Obwohl kein Meinungsaustausch zu dem Thema vorgesehen war, wurde die Möglichkeit für einminütige Statements eröffnet. Dabei erklärte die Vertreterin Deutschlands, Dr. Helen Winter, dass noch viele Fragen offen seien und die Beratungen innerhalb der Bundesregierung bestätigt haben, „dass es zu einigen Regelungsinhalten unterschiedliche Betrachtungsweisen gibt.“

In zahlreichen Wortmeldungen wurde auch mit Blick auf die bevorstehenden EU-Wahlen die Notwendigkeit zu einer möglichst raschen Einigung betont, ohne jedoch konkrete Einzelheiten einer solchen zu benennen. Das Thema bleibt umstritten.

AbL: Neue Gentechnik streng regeln

Im Vorfeld des EU-Agrarministerrats hatte die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) von den Minister:innen noch einmal gefordert, die neue Gentechnik streng zu regulieren, statt Freifahrtscheine für die Gentechnik-Konzerne auszustellen. Konkret fordert die AbL für alle neuen Gentechnik-Pflanzen:
(1) Eine vollständige Kennzeichnungspflicht bis zum Endprodukt inkl. Rückverfolgbarkeit und Verpflichtung der Inverkehrbringer:innen, spezifische Nachweisverfahren vorzulegen,
(2) Festlegung europaweit wirksamer Koexistenzregelungen, wie genaues Standortregister, Abstandsregelungen und Reinigungsauflagen,
(3) Klare Haftungsregelungen und Umsetzung des Verursacherprinzips,
(4) Risikoprüfung und Zulassungsverfahren für alle neuen Gentechnik-Pflanzen sowie Stärkung des EU-Vorsorgeprinzips,
(5) Monitoring und Verbotsmöglichkeiten bei Risiken für Mensch, Tiere und Umwelt oder aus sozio-ökonomischen Gründen (opt/out),
(6) Wirksame Verbote von Patenten auf Pflanzen und Tiere.

Solange diese wichtigen Kriterien nicht erfüllt sind, dürfen die Minister:innen dem Gesetzesvorschlag nicht zustimmen, so die AbL.

Dazu erklärte Annemarie Volling, Gentechnik-Expertin der AbL: „Unsere wertvollen gentechnikfreien konventionellen und ökologischen Märkte müssen auch in Zukunft gesichert werden. Die von der EU-Kommission geplante Deregulierung von fast allen zu erwartenden neuen Gentechnik-Pflanzen ist abzulehnen, alles andere wäre ein Freifahrtschein für die Gentechnik-Konzerne und eine Abkehr vom EU-Vorsorgeprinzip. Folgekosten bei Schäden würden der Gesellschaft oder uns Bäuer:innen aufgebrummt. Das ist inakzeptabel. Bei der am Dienstag anstehenden Debatte in Brüssel muss Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir beweisen, dass ihm die Interessen der europäischen Bürger:innen und Bäuer:innen an gesunden und unbedenklichen Lebensmitteln wichtiger sind als die Profitinteressen der Gentechnik-Konzerne. Diese wollen sich mit Hilfe von Patenten auf Pflanzen Milliardengewinne sichern. Unsere Botschaft an die EU-Agrarminister ist - gerade auch wenige Wochen vor der Europawahl - ganz klar: Bleibt uns mit der neuen Gentechnik vom Acker und vom Teller!"

Erst jüngst haben Wissenschaftler:innen erneut Kritik an der geplanten Deregulierung von neuen Gentechnik-Pflanzen geäußert. Die französische Gesundheitsbehörde ANSES und das deutsche Bundesamt für Naturschutz (BfN) sprechen sich in ihren jeweiligen Stellungnahmen zudem klar für eine Risikoprüfung aller neuen Gentechnik-Pflanzen aus und fordern eine strikte Umsetzung des Vorsorgeprinzips. Nicht zuletzt, weil auch die neue Gentechnik Risiken birgt.

28.03.2024
Von: FebL

Dr. Helen Winter (re.) sieht im EU-Agrarrat bei den neuen Gentechnik-Pflanzen noch viele Fragen offen. Bildquelle: video.consilium.europa.eu