Vor wenigen Wochen saß ich gemeinsam mit einigen landwirtschaftlichen Praktikern in einer Videokonferenz. Da sich die Anwesenden nicht kannten, startete das Treffen mit einer Vorstellungsrunde. Ein junger Betriebsleiter sagte, er habe „den Zirkus einer außerfamiliären Hofübergabe“ hinter sich und bewirtschafte nun einen Betrieb im östlichen Brandenburg. Ohne es auszusprechen, dachte ich: Recht hat er, es ist ein „Zirkus“ mit den außerfamiliären Hofübergaben.
Junge Menschen, die nicht aus der Landwirtschaft kommen, aber trotzdem ihre Leidenschaft für diesen wunderbaren Beruf entdeckt haben und sich selbständig machen wollen, sind in vielen Fällen mit absurden Situationen konfrontiert. So ist es z. B. ein gängiges Modell, dass der potenzielle Hofnachfolger vom Altbauern adoptiert wird. Der Grund: Der Abgebende muss den Betriebsverkauf nicht versteuern und der Übernehmende spart sich gegebenenfalls den Weg zur Bank und damit ebenfalls viel Geld. Eine Win-win-Situation und oftmals einer der wenigen Wege für junge Menschen, um die Betriebsübernahme wirtschaftlich überhaupt realisieren zu können. Fragen wie „Kann ich meinen Nachnamen behalten?“ oder „Was kostet eine Wachkomastation, falls der Altbauer ein starker Pflegefall wird und ich für ihn aufkommen muss?“ dürfen dabei selbstverständlich nicht unbeantwortet bleiben.
Fakt ist: Für die Schaffung eines Arbeitsplatzes in der Landwirtschaft sind heutzutage Investitionen in einem Umfang von rund 700.000 Euro notwendig. Welcher junge Mensch, der keinen Hof erbt, soll das finanzieren? Der fortschreitende Strukturwandel verschärft diese Situation zudem von Jahr zu Jahr, weil die Betriebe immer größer und damit auch immer teurer werden. Fakt ist auch: Über 50 Prozent der landwirtschaftlichen Einzelunternehmen mit Betriebsleiter:innen über 55 Jahre haben im Jahr 2020 angegeben, dass ihre Hofnachfolge noch ungeklärt ist. Wer übernimmt diese Höfe?
Die politisch Verantwortlichen ziehen sich viel zu oft auf bestehende Förderinstrumente zurück. Sie verweisen auf die Junglandwirteförderung in den Direktzahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und den erhöhten Fördersatz für junge Betriebsleiter bei der Agrarinvestitionsförderung (AFP). Dass diese Instrumente für viele Existenzgründer weder greifen noch das eigentlich notwendige Eigenkapital für die Finanzierung der Betriebsübernahme zur Verfügung stellen, wird hierbei ausgeblendet.
Es ist gut, dass einige Bundesländer in Ostdeutschland dies schon erkannt haben und z. T. seit Jahren sogenannte „Existenzgründungsprämien“ anbieten, um Gründungen gezielt und anhand eines Konzeptes zu unterstützen. Und es ist eine Wohltat zu sehen, dass sich insbesondere in NRW landwirtschaftliche Jugendverbände aller Ausrichtungen verbandsübergreifend für die Einführung einer Existenzgründungsprämie stark machen, ohne sich dabei auseinanderdividieren zu lassen und das Thema damit auch im Westen auf die Agenda setzen.
Die westdeutschen Bundesländer müssen den Faden der Jugendverbände und der ostdeutschen Bundesländer nun kurzfristig aufnehmen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) ist wiederum aufgefordert, in der laufenden Weiterentwicklung der GAP auch die Junglandwirteförderung auf Bundesebene so zu stricken, dass Existenzgründer endlich mitgedacht werden. Wenn wir die bäuerliche Landwirtschaft erhalten und sichern wollen, muss es gelingen, dass junge Menschen unabhängig von ihrer Herkunft klassische, etablierte landwirtschaftliche Betriebe übernehmen können. Existenzgründungsprämien sind hierfür nicht der einzige Baustein, aber ein sehr wichtiger.