Existenzgründer:innen in Sachsen-Anhalt ernten gut – warum nicht auch in NRW?

Die landwirtschaftlichen Jugendverbände in Nordrhein-Westfalen (NRW) haben das diesjährige Erntedankfest am 1. Oktober zum Anlass genommen, um auf das mangelnde Engagement des NRW-Landwirtschaftsministeriums bei der Einführung einer Prämie für landwirtschaftliche Existenzgründungen in NRW hinzuweisen. „Während Sachsen-Anhalt die maximale Förderhöhe der dort bereits 2017 eingeführten Existenzgründungsprämie aktuell von 70.000 € auf 100.000 € erhöht hat, in Brandenburg seit Kurzem erstmalig Anträge gestellt werden können und in Thüringen die ersten Förderbescheide ausgestellt werden, beschränkt sich das Haus von Ministerin Gorißen bezüglich der Einführung einer entsprechenden Prämie in NRW seit mehreren Jahren auf Ankündigungen und interne Prüfaufträge“, bemängelt der Junglandwirt und Vorsitzende des Rings der Landjugend Johannes Bühlmeyer. Bühlmeyer berichtet zudem, dass junge Betriebsgründer:innen auch aus NRW gezielt nach Sachsen-Anhalt gehen, um mit Hilfe der Prämie dort einen Betrieb gründen zu können.

Auch eines der bisherigen Argumente des zuständigen CDU-geführten Landwirtschaftsministeriums, dass die Einführung einer Existenzgründungsprämie zwar in Bundesländern mit einer vergleichsweise großen Agrarstruktur, wie beispielsweise Sachsen-Anhalt und Brandenburg, umsetzbar sei, nicht aber in einem Bundesland mit der Agrarstruktur von NRW, lassen die Landjugendlichen nicht gelten. „Spätestens die Einführung der Existenzgründungsprämie in Rheinland-Pfalz zu Beginn diesen Jahres hat doch gezeigt, dass die Einführung einer Existenzgründungsprämie eine Frage des Wollens und nicht des Könnens ist“, sagt Andreas Maaß, selbst junger Schweinehalter und Vertreter des jungen Bioland in NRW. Maaß ergänzt zudem: „Das Ministerium in Rheinland-Pfalz hat sogar mitgeteilt, dass es gerade in der kleinteiligen Agrarstruktur in Rheinland-Pfalz einen Anlass sieht, die jungen Landwirtinnen und Landwirte zu fördern, um agrarstrukturell negative Tendenzen abzufedern.“.

Karen Stubbemann von der jungen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (jAbL) und Mitglied in der Fachgruppe Existenzgründung des AbL-Bundesverbandes hebt hervor, dass die landwirtschaftlichen Jugendverbände vor rund einem Jahr einen Vorschlag für die Finanzierung dieser Maßnahme erarbeitet und dem zuständigen Ministerium vorgelegt haben. „Wir schlagen vor, dass NRW ein Prozent seiner Mittel der 2. Säule für die Finanzierung einer Existenzgründungsprämie nutzt, wie es z.B. auch in Brandenburg gemacht wird. Diese geringe Summe sollte der Ministerin die Unterstützung von Existenzgründungen und einer bäuerlichen Agrarstruktur in NRW doch mindestens Wert sein.“ so Stubbemann. Die Jugendverbände bekräftigen abschließend, dass sie sich dem Thema so lange widmen werden, wie es für die Einführung einer Existenzgründungsprämie in NRW notwendig ist.

In der 1. Säule der GAP stehen für die Junglandwirt:innenförderung von 2023 bis 2027 insgesamt rund 737 Mio. € zur Verfügung. Dies entspricht rund drei Prozent des Budgets der 1. Säule. Die Förderung wird als „top up“ auf die Flächenprämie der sogenannten „Basisprämie“ gezahlt. Konkret sollen voraussichtlich 135 € für die ersten 120 Hektar eines Betriebs gefördert werden. Als Junglandwirt:in gelten natürliche Personen unter 41 Jahren, die sich erstmals als Betriebsleiter:in niederlassen.

Bereits im März 2021 hat ein breites Bündnis aus landwirtschaftlichen Jugendorganisationen auf Bundesebene in einer gemeinsamen Stellungnahme gefordert, dass die Junglandwirt:innenförderung, neben der Förderung über die Fläche, auch anhand einer sogenannten „Existenzgründungsprämie“ angeboten werden soll . Hintergrund ist, dass die sogenannte „Niederlassungsprämie“ in besonderer Weise geeignet ist, um den hohen Kapitalbedarf außerfamiliärer landwirtschaftlicher Existenzgründungen von inzwischen knapp 700.000 €/Erwerbstätigen gezielt zu unterstützen. Die in einzelnen Bundesländern bisher eingeführten Existenzgründungsprämien sehen einzelbetriebliche Fördersummen von bis zu 100.000 €, verteilt auf mehrere Jahre, vor. Der Vorteil ist, dass die Fördersumme frei verwendet werden kann und nicht an z.B. Neuanschaffungen gebunden ist. Sie kann zudem gegenüber der Bank als „Eigenkapital“ angerechnet werden, was die Kreditwürdigkeit von Existenzgründer:innen - ohne oder mit wenig Eigenkapital - erhöht.

Wenngleich sich die Forderung der Jugendverbände auf Bundesebene nicht durchgesetzt hat, hat sich auf Bundeslandebene in der sogenannten 2. Säule durchaus eine Dynamik bezüglich der Einfügung von „Existenzgründungsprämien“ entwickelt. Bereits 2017 hat Sachsen-Anhalt, und 2021 auch Sachsen, eine entsprechende Prämie eingeführt. Brandenburg, Thüringen, Rheinland-Pfalz und das Saarland haben inzwischen nachgezogen. Und: Auch in den Koalitionsverträgen von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen finden sich entsprechende Vereinbarungen. Fakt ist zudem, dass bei einer großen Mehrzahl der landwirtschaftlichen Einzelunternehmen die Hofnachfolge ungesichert ist und gleichzeitig immer mehr Auszubildende aus der Landwirtschaft ohne elterlichen Betrieb im Hintergrund gründen wollen.