Infolge von Konflikten, der Corona-Pandemie, Naturkatastrophen und steigenden Lebensmittelpreisen sind inzwischen 303 Millionen Menschen weltweit auf humanitäre Unterstützung angewiesen. So viele wie nie zuvor. Darauf weist der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) anlässlich des von den Vereinten Nationen ins Leben gerufenen Tags der Humanitären Hilfe am 19. August hin und appelliert an die Bundesregierung, die Menschen in den vielen „vergessenen Krisen“ nicht aus dem Blick zu verlieren und die finanziellen Mittel für humanitäre Hilfe deutlich aufzustocken. Und auch die Welthungerhilfe warnt davor, die finanziellen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe zurückzufahren, wie es der Entwurf für den Bundeshaushalt 2023 und auch die mittelfristigen Planungen der Regierung bisher vorsehen.
„Angesichts der wachsenden Zahl notleidender Menschen brauchen humanitäre Organisationen eine verlässliche und flexible Finanzierung ihrer lebenswichtigen Arbeit“, erklärt Mathias Mogge, Vorstandsvorsitzender von VENRO. „Gerade die Hilfen für die Menschen in den ‚vergessenen Krisen‘ steigen aber nicht in dem Maße wie der Bedarf.“
Die meisten Mittel stellen laut VENRO Deutschland und andere EU-Mitgliedsstaaten aktuell für die Nothilfe in der Ukraine bereit. „Die Sorge um die Menschen dort darf den Blick auf andere humanitäre Katastrophen nicht verstellen. Bereits vor dem Krieg gegen die Ukraine mit seinen weltweiten Folgen lag der humanitäre Bedarf auf Rekordniveau“, so Mogge.
VENRO appelliert an die Bundesregierung, die Gelder für humanitäre Hilfe aufgrund der wachsenden Bedarfe im kommenden Haushaltsjahr deutlich aufzustocken. Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung sieht für 2023 nur noch gut zwei Milliarden Euro vor, das sind rund 700 Millionen Euro weniger als in diesem Jahr. „Darüber hinaus sind deutlich mehr politische Anstrengungen notwendig, um Krisen besser vorzubeugen und lokale Wirtschafts- und Ernährungssysteme zu stärken“, unterstreicht Mogge.
Nach Ansicht der Welthungerhilfe ist es richtig, dass die Bundesregierung auf die Folgen der Corona-Pandemie und jetzt des Ukrainekrieges kurzfristig reagiert und Gelder für die Unterstützung von notleidenden Menschen zur Verfügung stellt. Allerdings sei nicht nur eine kurzfristige Krisenreaktion nötig, sondern eine langfristige Unterstützung zur Bekämpfung von Hunger und Armut. „Die Zahl der Menschen, die weltweit humanitäre Unterstützung benötigen, steigt Jahr für Jahr an. Wir brauchen eine stabile und vorrausschauende Finanzierung, die auch langfristige Programme zur Ernährungssicherung möglich macht. Das spiegelt sich aber nicht in den aktuellen Haushaltsplanungen wider. Die mittelfristige Finanzplanung sieht für die kommenden vier Jahre eine Kürzung des BMZ-Etats von fast 16% vor und auch der Etat des Auswärtigen Amtes soll bis 2026 um knapp 27% gekürzt werden. Das sind in Anbetracht steigender Hungerzahlen absolut falsche Signale. Wenn die Regierung es ernst meint, muss beim Haushalt nachgelegt werden. Zudem müssen jetzt die Weichen für ein nachhaltiges und gerechtes Ernährungssystem gestellt werden“, fordert Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe.
In Afghanistan ereignet sich laut VENRO aktuell die größte humanitäre Krise. 20 Millionen Menschen dort können sich nicht ausreichend ernähren. Besonders besorgniserregend ist auch die Dürre in Ostafrika. In Somalia ist schon zum vierten Mal in Folge die Regenzeit ausgeblieben. Die Lage in Madagaskar erklärten die Vereinten Nationen zur ersten Hungerkatastrophe, die durch die Klimakrise ausgelöst wurde. Bei der Bewältigung dieser Krisen übernehmen humanitäre Nichtregierungsorganisationen mit ihrer Arbeit nah an den Menschen vor Ort und ihrer politischen Unabhängigkeit eine zentrale Rolle.