EU-Kommission will Glyphosat bis 2033 erlauben – AMK uneins

Die Europäische Kommission schlägt vor, den Unkrautvernichter Glyphosat in Europa weitere zehn Jahre zu erlauben. Über diesen am 20. September veröffentlichten Entwurf einer Durchführungsverordnung zur Verlängerung der Zulassung von Glyphosat in der EU sollen die EU-Mitgliedstaaten am 13. Oktober abstimmen. Nach Angaben eines hochrangigen Kommissionsbeamten habe sich bisher nur ein Land dagegen ausgesprochen; einige hätten sich noch nicht festgelegt. Umwelt- und Ökoverbände fordern seit Monaten vom deutschen Agrarminister dafür zu kämpfen, dass das Totalherbizid nicht länger auf europäischen Äckern versprüht werden darf. Auf keine einheitliche Position konnte sich die Konferenz der Agrarministerinnen und -minister (AMK) in Kiel verständigen. Deutliche Kritik am Entwurf kommt vom grünen EU-Abgeordneten Martin Häusling.

„Der grüne Agrarminister Cem Özdemir ist für eine Landwirtschaft angetreten, die wieder mehr im Einklang mit unseren Lebensgrundlagen wirtschaften soll“, sagt Gerald Wehde von Bioland. Daher müsse er im Oktober Farbe bekennen und gegen eine Wiederzulassung von Glyphosat stimmen. Nach ZDF-Informationen ist Deutschland das erwähnte eine Land, das sich gegen den Kommissionsvorschlag wendet, so der Informationsdienst Gentechnik am Tag der Veröffentlichung des Entwurfs. Offiziell klingt das aus dem Mund das Agrarministers so: "Solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass Glyphosat der Biodiversität schadet, sollte die Genehmigung in der EU auslaufen. Eine vielfältige und intakte Pflanzen- und Tierwelt ist die Voraussetzung für sichere Ernten heute und in 10, 20 oder 50 Jahren. Ob Glyphosat vom Markt genommen wird, entscheiden wir aber nicht alleine. Deshalb sind wir mit unseren Partnern in der EU dazu in intensiven Gesprächen." Der Plan, Glyphosat Ende 2023 in Deutschland aus dem Verkehr zu ziehen, ist zwar im Koalitionsvertrag verankert. Doch Cem Özdemir hat schon deutlich gemacht, dass er rechtliche Probleme sieht, sollten die EU-Gremien anders entscheiden.

Die Mehrheit der Deutschen jedenfalls wünscht ein Verbot von Glyphosat. Und auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland warnt: „Zehn weitere Jahre Glyphosat wären eine Katastrophe für Mensch und Artenvielfalt. Es ist belegt, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserregend und neurotoxisch ist, oxidativen Stress auslösen kann und das Mikrobiom des Darms schädigt“, so Pestizidexpertin Corinna Hölzel. Sie wirft der EU-Kommission vor, unabhängige Studien einfach zu ignorieren. Selbst die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA, die im Sommer die Unbedenklichkeit des Totalherbizids bescheinigte, hatte eingeräumt, dass es in bestimmten Bereichen Datenlücken gebe. Die Coordination gegen Bayer-Gefahren hat diese Datenlücken in einem Brief an den Bayer-Konzern detailliert aufgelistet.

Ein Sprecher der EU-Kommission betonte dagegen am 20. September, der Vorschlag seiner Behörde sei wissenschaftlich fundiert und habe den Schutz von Mensch und Umwelt im Auge. Um mögliche Schäden für die Artenvielfalt zu vermeiden, sollten die Mitgliedsstaaten den Gebrauch von glyphosathaltigen Spritzmitteln entsprechend beschränken, wenn sie sie zulassen, so der Entwurf. Theoretisch, sagte ein hochrangiger Kommissionsbeamter, könnten die Mitgliedstaaten sämtliche glyphosathaltigen Spritzmittel für ihr Territorium verbieten, wenn sie es mit der regionalen Landwirtschaft und Umwelt begründen könnten. Die Kommission selbst will künftig nur vorschreiben, dass fünf bis zehn Meter breite Randstreifen der Äcker nicht mehr gespritzt werden dürfen. Außerdem sollen spezielle Düsen dafür sorgen, dass das Totalherbizid auf den vorgesehenen Feldern landet und nicht weggeweht wird. Schließlich soll, wie in Deutschland bereits geschehen, auch EU-weit die Vorerntebehandlung verboten werden.

AMK: Uneins beim Umgang mit EU-Entwurf

Die Agrarministerinnen und -minister haben sich auf ihrer Sitzung in Kiel nicht auf einen einheitlichen Umgang mit dem Entwurf der EU-Kommission zu Glyphosat verständigen können. Einigkeit herrschte darin, dass entsprechende, europarechtlich konforme Regelungen zeitnah vor Beginn der Vegetationsperiode 2024 getroffen werden müssen und dass eine mögliche Erneuerung der Genehmigung die Zielerreichung bei der Reduzierung von Menge und Risiko bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln nicht gefährden darf und alle Anstrengungen zu unternehmen sind, um die Verwendung von Glyphosat auf essentielle Anwendungsgebiete und das notwendige Maß zu beschränken.

Darüber hinaus bedauern die Länder Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Sachsen, dass mögliche Auswirkungen auf die Biodiversität und die menschliche Gesundheit in dem EFSA-Gutachten nicht hinreichend betrachtet werden konnten. Sie bitten das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft darauf hinzuwirken, dass im Fall einer Erneuerung der Genehmigung von Glyphosat auf europäischer Ebene diese erst dann erfolgen darf, wenn belastbare Aussagen der EFSA zu sämtlichen potenziellen Wirkungen, insbesondere auf die Biodiversität und die menschliche Gesundheit von Glyphosat vorliegen. Erst wenn dies gewährleistet sei, wären zeitnah vor Beginn der Vegetationsperiode 2024 die Regelungen der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung zu Glyphosat auch hinsichtlich der Konformität zu den europarechtlichen Vorgaben zu überprüfen und für eine ggf. erforderliche Anpassung der Rechtslage in Deutschland Sorge zu tragen.

Häusling: Überraschungs-Coup der EU-Kommission

„Die EU-Kommission schafft Fakten, bevor der öffentliche Druck und die öffentliche Aufmerksamkeit noch größer werden. Sie hat heute Vormittag ihren Vorschlag auf den Tisch gelegt, nach dem die Zulassung von Glyphosat um weitere 10 Jahre verlängert werden soll. Das ist ein umwelt- und gesundheitspolitischer Skandal, die Faktenlage zur Unbedenklichkeit von Glyphosat ist fragwürdig“, erklärt der agrarpolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Martin Häusling am Tag der Veöffentlich des Vorschlags. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA, habe in ihrer Einschätzung selbst erklärt, dass es noch offene Fragen und Datenlücken gibt. Und die WHO Agentur IARC habe Glyphosat als ‚wahrscheinlich krebserregend‘ eingestuft. „Glyphosat ist weiterhin mitverantwortlich für das Artensterben. Glyphosat jetzt durchzuwinken ist fahrlässig. Damit ist niemandem gedient, außer der Pestizidindustrie, ergo Bayer. Die EU-Kommission konterkariert mit dieser Vorlage ihre eigene Glaubwürdigkeit und Kohärenz. Man kann nicht das meistverkaufte, hochtoxische Pestizid Glyphosat weiter im Einsatz lassen, wenn erklärtes EU-Ziel die Nachhaltige Verwendung von Pestiziden (SUR) und die Wiederherstellung der Natur ist (Nature Restoration Law)“, so Häusling.

Und dann gibt es da ja auch noch die Klagen gegen Glyphosat der Aurelia-Stiftung und der Deutschen Umwelthilfe, deren Ausgang über die Zukunft des Glyphosat-Einsatzes (mit)entscheiden kann.

Mit Material des Informationsdienst Gentechnik.

27.09.2023
Von: FebL/PM

Umweltaktivist:innen übergeben Agrarstaatssekretärin Silvia Bender (li.) eine Petition gegen Glyphosat mit 136.152 Unterschriften. Foto: Andi Weiland