Deutsches Herkunftszeichen bewegt den Schweinemarkt - zur Freude der Ferkelerzeuger

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ Seit Jahren bemühen sich viele (nicht alle!) Schweinehalter darum, dass deutsche Schweine und Ferkel bevorzugt an den Markt gehen. Höhere Auflagen beim Tierschutz, beim Immissionsschutz, beim Futterbau oder beim Baurecht verschlechtern ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ausländischen Produzenten, argumentieren sie zu Recht. Deshalb fordern sie eine Auslobung für deutsches Fleisch von der Geburt bis zur Verkaufstheke – in der Hoffnung, dass der Verbraucher diese heimische Herkunft beim Einkauf gutheißt und belohnt.

Herkunftskennzeichnung - eine langjährige Bauernforderung

Auf den ersten Blick findet sich für eine nationale Bevorzugung natürlich große Unterstützung durch die Schweinehalter. Aber schon beim näheren Hinsehen teilt sich die Unterstützung. Denn es gibt nicht ausreichend deutsche Ferkel für die hiesige Schweinemast. Etwa 10 Mio. Ferkel (fast ein Viertel des Marktes) werden jedes Jahr aus den Niederlanden und Dänemark importiert. Ein wichtiger Grund neben langen Lieferbeziehungen und hoher Lieferfähigkeit für größere Partien ist der geringere Preis. Deshalb wehren sich vor allem in den Hochburgen der Schweinehaltung in Niedersachsen und NRW nicht wenige Mäster gegen eine Festlegung – sei es bei QS oder bei der Initiative Tierwohl (ITW). Auch bei der meinungsstarken Interessengemeinschaft Schweinehalter Deutschlands (ISN) gehen die Positionen stark auseinander. In der Öffentlichkeit unterstützt man die Festlegung auf eine durchgehende Kette von 5xD (Geburt, Aufzucht, Mast, Schlachtung, Zerlegung in Deutschland), aber intern hält man sich gern zurück. Auch in der wöchentlichen Schweinebörse der ISN werden regelmäßig Partien mit holländischer oder dänischer Ferkelherkunft angeboten.

Einzelhandelsketten gehen voran

Nun preschen mal wieder die Einzelhandelskonzerne von Aldi bis Edeka vor und fordern eine geschlossene Lieferkette mit deutscher Herkunft – zur Unterstützung der deutschen Landwirtschaft, sagen sie. Schon seit einiger Zeit drängen vor allem die Discounter Aldi und Lidl auf eine Auszeichnung mit 5xD. Jetzt hat die „Zentrale Koordination Handel und Landwirtschaft“ (ZKHL), die nach den Treckerdemonstrationen von 2019 konstituiert wurde, ein Herkunftszeichen „Gutes aus deutscher Landwirtschaft“ auf den Weg gebracht, dem sich nach und nach auch die Handelsketten anschließen. Damit wird der Druck auf die Verarbeiter/Schlachthöfe erhöht, ausschließlich oder mindestens vorrangig heimische Ware zu liefern. Wie Insider berichten, sind besonders die Discounter mit SB-Fleisch führend bei der Anforderung an die Schlachthöfe nach heimischem Fleisch. Wenn es jetzt auch noch auf der verpackten Ware etikettiert wird, ist ein Ausweichen auf billige Importware kaum durchzuhalten und der Druck verstärkt sich. Wer also keine von Geburt an deutsche Ware liefern kann, muss mit einer Auslistung rechnen, was sich niemand erlauben kann. Entsprechend bewegt sich der Markt. Die Herkunft bekommt neben der Haltungskennzeichnung einen zusätzlichen Stellenwert. Schweine produziert mit ausländischen Ferkeln können natürlich weiter geliefert werden – für den Export oder die Gemeinschaftsverpflegung oder andere Marktwege. Der attraktivere Weg über den Einzelhandel wird aber zunehmend enger. Und wenn demnächst noch mit der Wurstverarbeitung der zweite wichtige Absatzmarkt an die Herkunftskennzeichnung angeschlossen werden sollte, kippt der Schweinemarkt in eine nationale Ausrichtung.

Fleischindustrie reagiert umgehend

Die Botschaft ist inzwischen auch bei den Schlachthöfen angekommen. Der Kampf um 5xD erzeugte Schweine nimmt zu. Den ersten Schritt hat die ITW gemacht, die ITW-Schweine (gleich Haltungsform 2) mit heimischen ITW- anerkannten Ferkeln höher bezahlt als andere. Anfang September hat das Unternehmen Danish Crown am Standort Essen/Oldenburg einen Preisabzug für Schlachtschweine mit ausländischer Geburt eingeführt. Laut top agrar will das mittelständige Schlachtunternehmen Wernke aus dem niedersächsischen Cloppenburg künftig gar keine ITW-Tiere mehr haben, die nicht 5xD erfüllen können. Sie will den Preis-Zuschlag von 7,50 € für nicht in Deutschland geborene ITW-Schweine ab Januar 2025 ganz streichen. Jetzt hat auch der Marktführer Tönnies angekündigt, ab 1. Januar 2025 einen Abschlag von 2 Cent pro kg Schlachtgewicht für ITW-Schlachtschweine einzuführen, die nicht in Deutschland geboren wurden.

Lieferbedingung ohne Mehrpreis

Schon schimpfen Landwirtsvertreter nicht zu Unrecht, dass die Industrie wieder einmal mit Abzügen reagiert statt mit Boni oder einem Mehrpreis. Bedenkt man aber, dass das Angebot verknappt wird, sind die Chancen für höhere Preise durchaus realistisch.

Es ist auch keine Zusatzleistung, Ferkel aus der Region statt aus dem Nachbarland aufzustallen, begründen es Marktkenner. Die meisten Betriebe praktizieren es schon heute. Immerhin können die Transporte verringert und mögliche Seuchen flächenbegrenzt werden. Mäster mit heimischen Ferkeln haben bessere Chancen, den höheren Markt-Zuschlag zu bekommen. Aber es wird auch Mäster geben, die aus dem ganzen ITW-System ausscheiden und auf den Aufpreis verzichten, den manche angesichts der erforderlichen Auflagen sowieso für zu gering erachten. Andererseits spricht vieles dafür, dass sich die Liefer- bzw. Marktmöglichkeiten der Sauenhalter entscheidend verbessern, weil das Angebot an (heimischen) Ferkeln deutlich zurückgeht und damit ihre Marktposition gestärkt wird. Knapp versorgte Märkte sind immer ein Vorteil für die Anbieter.

Der Marktbeobachter sieht, dass sich die Umbruchspirale auf dem Schweinemarkt weiterdreht. Neben Tierwohl wird in Zukunft die Herkunft eine Rolle bei der Marktverteilung spielen. Das macht die Erfüllung der Anforderungen nicht nur von der Politik, sondern auch vom Handel, für die Schweinemäster nicht einfacher. Langjährige Lieferbeziehungen zwischen Sauenhaltern und Mästern können zur Disposition stehen. Das verunsichert zunächst einmal ein weiteres Mal. Aber es bietet auch eine große Chance für die heimische Produktion und vor allem für die in den letzten Jahren gebeutelten Ferkelerzeuger. Die Anforderungen der Nutztierhaltungs-Verordnung der nächsten Jahren, fürchten viele Experten, werden viele ohne Unterstützung nicht überstehen. Umso mehr könnte diese Herkunftsregelung ein Strohhalm für sie werden. Es wäre ihnen sehr zu wünschen.

Schweinebauern erinnern sich sofort an die alte Bauernweisheit: Der Ferkelerzeuger trinkt Wasser, der Mäster trinkt Wein und der Händler den teuren Sekt. Wenn in Zukunft durch das Herkunftszeichen Ferkelerzeuger und Mäster gleichwertig Wein trinken könnten, wäre schon einiges gewonnen.