ALDI Hilfe für Ferkelerzeuger?
„Der Ferkelerzeuger trinkt Wasser, der Mäster trinkt Wein und der Händler den Sekt.“ Diese alte Bauernweisheit kennt jeder Schweinehalter. Und in der Krise trifft sie noch mehr zu als in Normalzeit. Auch in der aktuellen Überproduktion leiden sie am meisten. Während der Mäster immerhin noch einen Teil seines Verlustes in der Lieferkette weitergeben kann, stehen die Sauenhalter am Ende der „Wertschöpfung“ und haben einfach schlechte Karten. Der gegenwärtige Preis von 20 Euro pro Ferkel spricht eine deutliche Sprache.
Nun kommt Unterstützung aus einer Richtung, aus der man es nicht erwartet hätte. ALDI kündigt an: „Der Haltungswechsel geht weiter: Bis zum vierten Quartal 2022 soll die komplette Wertschöpfungskette bei konventionellem Schweinefrischfleisch – von der Geburt bis zur Verarbeitung – in Deutschland stattfinden. ALDI bekennt sich damit erneut klar zur deutschen Landwirtschaft.“
ALDI gibt damit die Zusage, Frischfleisch konsequent auf „5xD“ umzustellen. 5xD bedeutet, dass „zukünftig jeder einzelne Schritt der gesamten Wertschöpfungskette bei konventionellem Schweinefrischfleisch (Geburt, Aufzucht, Mast, Schlachtung und Zerlegung/ Verarbeitung) in Deutschland stattfindet.“ Damit wird auch der bislang „vergessene“ Schritt der Lieferkette, die Geburt und Aufzucht von Ferkeln einbezogen.
Gibt ALDI also nicht nur den Tierwohlfreund, sondern auch den Schweinehalterfreund? Für die Ferkelerzeuger jedenfalls ist das ein wichtiger Schritt, müssen sie sich doch seit Jahren mit Billigkonkurrenz aus den Niederlanden und Dänemark rumärgern. Schließlich werden immer noch über 20% der Ferkel importiert. Und diese Importe werden gern auch von Schweinehaltern in den intensiven Schweineregionen des Münsterlandes oder Niedersachsens getätigt.
Diesem Schritt von ALDI werden sich hoffentlich/wahrscheinlich auch die anderen Handelskonzerne anschließen, aber auch die Wurstverarbeiter, Großküchen und Gastronomie müssen dann folgen, wenn es „rund“ werden soll.
Ein Lichtblick für die Ferkelerzeuger in schwierigen Zeiten
Für die Ferkelerzeuger geht es aber auch um mehr. Es ist ein Zeichen, dass sie nicht vergessen werden. Die Haltungsform des LEH hat bisher keine Vorgaben für Ferkel. Tierwohl beginnt damit erst ab 30 kg. Auch in der Borchert- Kommission stehen die Kriterien für Mastschweine entscheidungsreif, die Sauenhaltung ist noch in Abstimmung. Und schon jetzt müssen die Ferkelerzeuger den größeren Teil des Umbaus der Tierhaltung stemmen. Keine betäubungslose Kastration, Abbau der Kastenstände, neue Deckzentren sind schon gesetzlich beschlossen. Die freie Abferkelung und der Kupierverzicht kommt, wenn auch nach Übergangsfristen. Und das ist wirklich schwierig in der Umsetzung, dafür benötigt man gute Haltungssysteme und erfahrene Bäuerinnen und Bauern. Alles wird erst einmal auf der Sauen-/Ferkelstufe abgeladen. Mögliche (Preis-)Vorteile aller jetzigen Tierwohlprogramme beginnen bis auf Bio und Neuland dagegen erst mit der Maststufe.
Noch einmal: die ALDI- Ankündigung ist nicht die Lösung, sondern ein Schritt auf dem Weg.
Übrigens: Der Vorschlag der Herkunftskennzeichnung mit 5xD ist ein Ergebnis des Agrardialogs, dort zuerst vorgestellt von Tönnies und ALDI. Kurze Zeit später wurde der Agrardialog vom Bauernverband u.a. praktisch ersatzlos gestrichen, wenn nicht die verschiedenen Bauerngruppen sich widersetzen würden.
Immer noch ist es so, dass viele Schweineorganisationen sich nicht trauen, ihre eigenen Mitglieder aufzufordern, nur heimische Ferkel zu kaufen. Man redet dann gern von gewachsenen Strukturen und Erzeugerbeziehungen im grenznahen Raum. Auch QS (unter der Ägide des Bauernverbandes) konnte sich bis heute nicht dazu durchringen, ausländische Ferkel nach deutschen Gesetzen (etwa der betäubten Kastration) zu bewerten. Und bei der Initiative Tierwohl (ITW) sind die Ferkel nicht wirklich integriert, sondern sie laufen halt mit.
Natürlich fehlt auch noch der Preiszettel am Ferkel, aber das entscheidet nicht allein der LEH, sondern auch die Branche, der Markt und die Politik. Und auch wie gut sich die Sauenhalter organisieren.
Zuletzt noch ein Hinweis an die neoliberalen Marktfreunde, die beim Herkunftsnachweis schon Wettbewerbsbehinderung, Nationalismus und „Grenzen dicht“ vermuten. Macht es etwa Sinn, Ferkel aus Holland zu importieren, die damit einen Teil ihrer Umweltprobleme ausführen, Futter aus Brasilien einzuführen (Gentechnik, Regenwald/ Klima), um hier zu veredeln und dann in großem Maßstab Fleisch zu Weltmarktpreisen nach China, Hongkong oder auf die Philippinen zu drücken? Wenn wir sehr ernsthaft über Bestandsabbau und Verringerung des Fleischkonsums beraten, gehört die Herkunftsfrage unbedingt dazu.
Die ALDI- Ankündigung ist natürlich nicht der Durchbruch für den Umbau der Tierhaltung, nur ein weiterer Schritt auf dem Wege, mit dem der Handel die Politik treibt. Und das ist gut so!
Hugo Gödde