„Lieferketten für Schweine bei 5xD neu aufstellen“

Ein Interview mit Dr. Wilhelm Jaeger, Leiter Landwirtschaft der Fa. Tönnies, über die Auswirkungen der LEH-Ankündigungen zur Umstellung auf 5xD.

Aldi, Lidl, Rewe und Co. haben angekündigt, in Zukunft Schweinefleisch nur noch aus deutscher Erzeugung mit der Herkunftskennzeichnung 5xD zu kaufen. 5xD bedeutet, dass die Schweine in der ganzen Kette (Geburt, Aufzucht, Mast, Schlachtung und Zerlegung/ Verarbeitung) aus heimischer Produktion stammen. Damit werden ausländische Ferkel oder Mastschweine nicht mehr in den Lebensmittelhandel (LEH) gehen können, wenn die Herkunft gekennzeichnet wird. Ab 2022 wird im LEH nicht nur die Haltung mit einer Nummer 1 bis 4 für den Verbraucher sichtbar, sondern auch die Herkunft. Für die heimische Landwirtschaft ist das ein weiteres Alleinstellungsmerkmal gegenüber ausländischer, auch europäischer Ware. Aber die Lieferketten sind bisher darauf nur teilweise ausgerichtet. Etwa 20 – 25% der Ferkel werden vor allem in den Intensivregionen NRW und Niedersachsen importiert. Vor allem große Mäster nutzen gern die Lieferungen von Großbetrieben, um (auch aus Hygienegründen) nur einen Lieferanten zu haben. Unser Marktbeobachter Hugo Gödde sprach mit Dr. Wilhelm Jaeger, Leiter Abteilung Landwirtschaft bei der Fa. Tönnies über die Auswirkungen der LEH-Ankündigungen. Wie bewertet die Fa. Tönnies die Entwicklung der Diskussion im LEH zu 5xD?
Die Umstellung des Lebensmitteleinzelhandels auf 5xD ist ein klares Bekenntnis zur heimischen Landwirtschaft. Diesen Schritt begrüßen wir sehr! Die nächsten Monate müssen jetzt genutzt werden, die Logistikketten vom deutschen Ferkel zum Mastschwein zu schließen. Die Forderung ist ja erstmals ernsthaft im Agrardialog aufgetaucht. Sie haben dabei intensiv mitgearbeitet. Wie bewerten Sie den Agrardialog und seine Arbeitsweise?
Der Agrardialog ist gekennzeichnet durch eine lösungsorientierte und konstruktive Gesprächsatmosphäre. Eine zügige Annäherung des Agrardialoges mit der ZKHL ist nun zwingend notwendig, damit die Zielsetzungen weiter vorangetrieben werden. Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe würde ich unterstützen. Lidl strebt z.B. 5xD bereits im ersten Quartal 2022 an. Das ist sehr ehrgeizig. Kann Tönnies die 5xD-Forderung so kurzfristig umsetzen, auch für Verarbeitungsware/Wurst?
Wir werden die 5xD-Forderungen Schritt für Schritt umsetzen. Eine Umsetzung von 5xD ist im Zusammenhang mit der Umsetzung der Haltungsform 2 zu sehen, da der Lebensmitteleinzelhandel ja seit dem Sommer für sein Frischfleischsortiment und große Teile des Wurstsortimentes auf die Haltungsform 2 umgestellt hat. Eine Einbindung des Verarbeitungsfleisches für die Wurst und des Gastrobereichs mit 5xD ist vernünftig, um eine optimale Verwertung der Schlachttiere hinzubekommen. Ist das auch ein Vorbild für die Politik oder ist es nur privatrechtlich möglich? Schließlich leben wir in einem Binnenmarkt.
Ein Vorbild für die Politik ist es auf jeden Fall. Ob eine 5xD-Kennzeichnung im Rahmen einer verpflichtenden Kennzeichnung zulässig ist oder nur im Rahmen einer freiwilligen Kennzeichnung durchgeführt werden kann, ist rechtlich zu prüfen. Ist das Tempo angemessen und überschlagt man sich auf Kosten der Sicherheit?
Vor dem Hintergrund der massiven Marktverwerfungen und der Perspektivlosigkeit auf den landwirtschaftlichen Betrieben ist das Tempo einer 5xD-Umsetzung zielführend. Was wird mit Schweinen von ausländischen Ferkeln gemacht? Gerade im Westmünsterland und Emsland bestehen feste Lieferbeziehungen nach Holland oder Dänemark?
Die ausländischen Ferkel werden auch weiterhin benötigt und finden Verwendung in den Betrieben der Haltungsform 1, deren Teilstücke an den LEH gehen. Gibt es in Zukunft zwei Kategorien Schweine (deutsch und nichtdeutsch)? Und dann noch die Haltungsstufen?
Aufgrund der Nachfragedifferenzierung unserer Kunden im Lebensmitteleinzelhandel werden sich die Märkte ebenfalls differenzieren. Über die gesamte Wertschöpfungskette wird die Logistik zu organisieren sein, dass deutsche Ferkel zukünftig in Betriebe der Haltungsform 2 oder höher platziert werden müssen. Wie sollen sie identifiziert werden und wer soll das machen und kontrollieren?
Eine Identifizierung erfolgt zukünftig auf Basis der Lebensmittelketteninformation und der Ferkelohrmarken im Rahmen der neutralen Verwiegung und Klassifizierung auf den Schlachthöfen. QS ist als Systempartner und Kontrollstelle in der Diskussion, aber QS war in der Vergangenheit gegen eine Unterscheidung und hat Ferkel unterhalb deutschen Rechts zugelassen?
Eine Einbindung der Abläufe in die QS und die Initiative Tierwohl ist sinnvoll. Wie werden die Ferkel und die Schweine in Zukunft bezahlt, Westfleisch bietet ab Januar 1 ct/kg mehr für 5xD?
Wir prüfen zurzeit einen Vorschlag. Eine Preisdifferenzierung ist denkbar, wobei eine steigende Nachfrage natürlich Einfluss auf die Notierungen hat. Was bedeutet diese Regelung für die Haltungsstufen 3 und 4?
Eine Umsetzung der 5xD-Regelung wird für die Haltungsform 3 jetzt umgesetzt. Bei der Haltungsform 4 im Bereich Bio wird es aufgrund der mangelnden Verfügbarkeiten und der Engpässe Schwierigkeiten geben. Bei Borchert muss ein Schwein der Stufe 2 bzw. 3 auch einem Ferkel der Stufe 2 und 3 entsprechen, wie soll das gehen?
Dies ist ein Entwicklungsprozess, der noch viel Arbeit erfordert. Perspektivisch geht die Reise dahin. Müssen ganz neue Lieferbeziehungen aufgebaut werden?
Teilmengen unserer Lieferbetriebe arbeiten viele Jahre auch mit ausländischen Ferkelerzeugern zusammen. Hier sind neue Lieferbeziehungen notwendig. Dies erfordert einen gewissen Vorlauf und eine entsprechende Organisation. Welche Rolle spielen die Schlachthöfe dabei? Werden Verträge noch wichtiger?
Den Schlachtbetrieben kommt eine große Aufgabe bezüglich der Integration und der Organisation der Ketten zu. Wir stehen ja zwischen den Abnehmern und den Bäuerinnen und Bauern. Vertragliche Regelungen werden mit Sicherheit an Bedeutung gewinnen. Vielen Dank für das Gespräch.