Meldungen zur Schweinemarktmisere
Das Drama am Schweinemarkt geht weiter – auch mit Mindestpreis
Schön dass wir mal darüber geredet haben. So könnte man das Ergebnis des Schweinegipfels der Ministerin Klöckner mit der Branche zusammenfassen. Keine Schlussfolgerungen, aber gegenseitiges Vorhalten der Schuld. Liegt die Krise am Handel mit seiner Preisdrückerei, an der Industrie, am Nichthandeln der Politik oder an der Überschussproduktion der Landwirtschaft? Viele wollen nicht eingestehen, dass es sich um ein strukturelles Problem handelt und hoffen auf den alten „Schweinezyklus“.
Der Schweine- und Ferkelpreis ist gegenüber der Vorwoche bei 1,25 €/kg und 20 € pro Ferkel stehengeblieben. Er scheint den Bodensatz erreicht zu sein. Zugleich bemühen sich einzelne LEH’s wie Rewe, Edeka Südwest, Aldi und Kaufland mit einem Mindestpreis von 1,40 €/kg dem Abwärtstrend entgegenzuwirken. Das ist sicherlich ehrenwert, aber kaum ein Tropfen auf den heißen Stein.
Rechnen wir nach: Wenn ein Landwirt meint, er bekäme diesen Mindestpreis, unterliegt er einer Illusion. Da der Handel in der Regel nur Teilstücke kauft und sich das Angebot auf Frischfleisch bezieht, das etwa ¼ des Schweines ausmacht, zahlen die Abnehmer den Bonus auch nur für diese Teile (Kotelett, Schnitzel, Steaks usw.). Für den Schlachthof gibt es aber keine Rewe oder Kaufland-Schnitzel, die er dem einzelnen Bauern zurechnen kann. Der Aufpreis ist zudem weitgehend intransparent, so dass auch die Schlachthöfe erst wissen, wieviel sie tatsächlich bekommen, wenn die Zahlung des LEH auf dem Konto ist. Da sich auch nicht alle Abnehmer beteiligen, der Schlachthof aber den Bonus auf alle Lieferanten umlegt, bleibt unter dem Strich tatsächlich zwischen 1 € und 2 € pro Schwein! Umgerechnet bedeutet das etwa 1,26 oder 1,27 €/kg statt 1,40 €/kg.
Den Marktbeobachter erinnert das an eine Eintragung früher im Schulzeugnis: Er hat sich stets bemüht.
Mehr Verkaufsaktionen eine Lösung?
Fährt der LEH weniger Verkaufsaktionen, die die Absatzkrise zusätzlich befeuern? In der Diskussion um die Schweinepreiskrise wird von einigen wie ISN darauf verwiesen, dass der LEH mit mehr Absatzwerbung den Verkauf ankurbeln soll. „Der Fleischstau in den Kühlhäusern muss aufgelöst werden,“ heißt es.
Tatsächlich hat laut Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) der LEH im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahreszeitraum die Anzeigenhäufigkeit für einige Fleischartikel deutlich erhöht. An der Spitze steht das naturbelassene Hähnchensteak mit plus 29%. Auch für andere Steakvariationen (Rind, Schwein) wurden vermehrt Aktionen geschaltet. Angesichts der coronabedingten Schließung vieler Essenslokale wollte man damit vom Verbraucherwunsch nach Steaks profitieren. Die gestiegene Nachfrage der privaten Haushalte führte zu einer gewissen Verschiebung der Werbung.
Die Aktionsdichte ist allerdings nicht bei allen Produkten angestiegen. Man orientiert sich dabei am Pro-Kopf-Verzehr der Fleischarten. Da der Konsum von Schweinefleisch seit einigen Jahren sinkt, wird es auch weniger beworben, während Rindfleisch und besonders Hähnchenfleisch verstärkt aktioniert wird.
Da aber Schweinefleisch zu etwa 50% über (Billig-)Aktionen verkauft wird, macht sich eine Werbezurückhaltung sicher bemerkbar. Ob aber die Rückkehr zum „Verhämmern“ von Fleisch eine Lösung ist, darf bezweifelt werden - zumal nicht einmal eine zeitliche Begrenzung festgelegt wurde.
Aldi hat sich jedenfalls als „Freund der Landwirtschaft“ angeboten. Einen Tag nach dem Gipfel hat er (Billig-)Aktionen angekündigt.
Verbraucherpreise steigen – Erzeugerpreise sinken – Handelsspanne wächst
Die Verbraucherpreise für wichtige Schweinefleischartikel aus dem Basissortiment des LEH’s sind im Juli 2021 deutlich gestiegen. Das berichtet die AMI auf der Basis von Zahlen der Bundesanstalt für Ernährung (BLE). Danach sind die Preise an der Fleischtheke bzw. im Kühlregal für konventionell erzeugtes Schweinefleisch auf 7,52 €/kg ohne Mwst. gestiegen. Gegenüber dem Erzeugerpreis von 1,40 €/kg bedeutete das eine Spanne von 6,12 €/kg.
Im Vergleich dazu das Verhältnis im Juni 2019: Der Erzeugerpreis lag bei 1,86 €/kg, der Verbraucherpreis bei 6,51 €/kg. Damals lag die Spanne des Handels bei 4,65 €/kg. Laut dieser Berechnung liegt die Handelsspanne damit um 30% über dem Wert von vor zwei Jahren.
Der Marktbeobachter meint: Die Zahlen belegen, dass die Ladenpreise für Schweinefleisch sich seit Coronabeginn wenig verändert haben, während die Erzeugerpreise drastisch in den Keller gegangen sind. Der Handel begründet es mit den erhöhten Coronakosten. Aber die lässt er sich sehr gut bezahlen. Dies bestätigt, was unter der Hand seit längerem in der Branche kolportiert wird: Der Handel ist ein großer Coronagewinner und macht sich aktuell richtig die Taschen voll.
Markt regional gespalten
Nach Aussagen mancher Marktkenner teilt sich der Schweinemarkt aktuell regional auf. „Wir haben im Süden keine Überschüsse,“ äußert sich der Chef von Müller-Fleisch in Baden-Württemberg. Auch in Bayern wird vom ausgeglichenen Markt geredet. In den Hochburgen im Nordwesten oder im Osten des Landes sieht es anders aus. Von den 260.000 Tonnen Schweinefleisch, das laut BMEL in den Gefrierhäusern lagert, befindet sich fast alles in diesen Regionen und bei den Großschlachthöfen. Die Überhänge aus den Vorwochen werden immer wieder verschoben. „Außer für Frischfleisch bräuchten wir gar nicht zu schlachten,“ berichtet ein Industriemanager.
Diese Menge des „Kühlhausstaus“ entspricht mindestens 3 Mio. Schweineeinheiten. Bei wöchentlichen Schlachtmengen von etwas über 800.000 Schweine liegen also Waren für beinahe komplette 4 Wochen in den Kühllägern. Im Ergebnis versucht jeder Schlachthof nur so viel zu schlachten wie nötig, um nicht erneut Preiszugeständnisse für schwer absetzbare Teile machen zu müssen. Aktuell sind neben Verarbeitungsware wie Bäuche oder Rippen besonders auch Schinken die Ladenhüter.
Dazu kommen noch die begrenzten Exporte und der Druck aus Spanien und Dänemark auf den hiesigen Markt, die weniger nach China liefern können.
Wer auf Export gesetzt hat, wird mit einer längeren Leidenszeit zu rechnen haben. Diese Zeit wird die Fleischbranche verändern und den Umbau des Fleischmarktes beschleunigen. Über die Richtung wird intensiv diskutiert.
Bioschweinepreise steigen weiter
Der Biomarkt entwickelt sich völlig gegensätzlich zum konventionellen Schweinemarkt. Auch im August gingen die Erzeugerpreise für Bioschweine bergauf. Das meldet die AMI in ihren monatlichen Preisabfragen. Schweine der Klasse E erreichen mit 3,96 €/kg einen neuen Höchststand. Für September und danach wird ein weiterer Anstieg erwartet, denn mit der von einigen gesetzten Marke von 4 €/kg und mehr müssen die anderen Unternehmen nachziehen, da Bioschweine nach wie vor gesucht sind. So sind die Bio-Fleischverkäufe im ersten Halbjahr 2021 um 26% gestiegen. Schon im letzten Jahr war die Absatzmenge um 40% gewachsen. Der Verkauf von Fleisch- und Wurstwaren wurde um 14% ausgeweitet nach 23% im letzten Jahr.
Engpass bleibt weiterhin der Ferkelmarkt, obwohl der Preis im August auf 151 €/Ferkel anzog (zur Erinnerung: der konventionelle Ferkelpreis liegt bei 20 Euro!). Es gibt etwas mehr Umstellungsinteresse als zuvor. Trotzdem nimmt die Umstellung von Mastbetrieben und noch weniger von Sauenbetrieben nicht wirklich Fahrt auf.
Zukauf aus den Niederlanden?
Und die gewonnene Absatzmenge kommt zu einem erheblichen Teil aus Dänemark und den Niederlanden. Aber auch bei unserem westlichen Nachbarn scheinen sich nach Daten des niederländischen Statistikamtes nur wenige Landwirte für eine Umstellung zu interessieren. In 2020 wurde der Bestand sogar um 4% abgestockt auf durchschnittlich 574 Tiere pro Betrieb. In diesem Jahr soll der Verlust wieder ausgeglichen werden. In Holland liegt aber auch der Schweine- und Ferkelpreis deutlich unter unserem, was die Ware für die deutschen Händler durchaus attraktiv macht.
Der Vorsitzende der Schweinehalter Hans Donkers begründet den Bestandsabbau auch mit dem „Warme Sanierungsprogramm“ der Haager Regierung für den Schweinesektor, an dem sich auch Biobetriebe beteiligen. Das Programm war als Ausstieg für konventionelle Intensivhaltungen aus Umweltschutzgründen gedacht, eigentlich nicht für weniger intensive Biohalter.
Der Marktbeobachter gibt zu bedenken, dass es doch nachdenklich machen muss, wenn trotz Rekordpreisen und langfristigen Verträgen bei Bio und einer katastrophalen Lage im „normalen“ Markt die Umstellungsbereitschaft der Bäuerinnen und Bauern so schleppend läuft. Was läuft da falsch?