Aldi schwächelt – vom Umsatz bis zur Warenversorgung
Irgendwie scheint es nicht glaubhaft. Der Branchenführer des LEH’s verliert in diesem Jahr Umsatz, Marktanteile und kämpft mit den Lieferketten zur Warenversorgung. Laut Berechnungen der Marktforscher GfK verzeichnet Aldi deutliche Umsatzrückgänge und droht die geschätzten 5%- Umsatzgewinne des besonderen Coronajahres 2020 zu verlieren. Das gilt offensichtlich für den Discount insgesamt, jedoch für Aldi besonders. Molkerei- und Tiefkühlprodukte sind wohl stark betroffen, aber auch die Nonfood- Waren wie Haushaltsartikel oder Elektronik, die bisher für Mengen und Margen standen. Aldi- Nord Manager Lauer sieht gerade die bei Aldi besonders bedeutende Nonfood- Abteilung herausgefordert, da die Lieferketten nicht so richtig funktionieren – ein für das Konsumland Deutschland ungewöhnlicher Vorgang.
Im Management und in der Konzernführung steht dadurch auch die „große Transformation“ des Discounters in der Diskussion. Immerhin hat das Management von Nord und Süd fast 9 Mrd. € in den Firmenumbau investiert. Kritiker vermuten, dass Aldi sich zu sehr mit sich selbst beschäftige und vom Discountweg abgekommen sei. Der gewaltige Ausbau der Zentralen in Essen und Mülheim, die Modernisierung und Aufhübschung der Filialen mit einer starken Erweiterung des Sortiments und erheblich höheren Personalkosten hat das Geschäftsmodell verändert. Die steigenden Kosten sprengen die Vorstellungen der alten Discount- Generation. Aldi sei nicht mehr Aldi und müsse sich wieder mehr an den alten Erfolgsprinzipien des Discounts und der Preisführerschaft orientieren und nicht die Supermärkte kopieren, kritisiert z.B. Ex- Manager Brandes. Das „neue“ Management führt dagegen an, dass sich die Konsumlandschaft in den letzten 10 Jahren hin zu mehr Nachhaltigkeit und Qualität entwickelt habe, diesem Trend könne man nicht mit Methoden des 20. Jahrhunderts begegnen. Sie sind überzeugt, dass sich die Effizienz und die Neuausrichtung in „normalen“ Nach-Coronazeiten beweise. Mittelfristig will Aldi mit neuen Strategien (z.B. „Tierwohlversprechen“) punkten. Kurzfristig versucht z.B. Aldi- Nord mit preisaggressiven Marken- Aktionen Umsatz zurückzugewinnen und den billigen „Aldi Preis“ zu betonen. Die Kunden seien zuletzt weniger „preissensibel“ gewesen, was sich aber mit steigender Inflation bald ändern könne, heißt es in der Konzernzentrale.
Der Konflikt um die Handelsführerschaft geht in die nächste Runde. Auch Edeka- Chef Mosa hat mehrfach darauf hingewiesen, dass er nicht gewillt sei, die Umsätze und Gewinne der letzten Monate wieder herzugeben. Hersteller beklagen, dass die Margen des Einzelhandels stetig auf ihre Kosten erhöht wurden. Der Handel verweist auf seine Kostensteigerungen incl. der Probleme in den Lieferketten gerade auch vor Weihnachten.
Der Marktbeobachter fürchtet, dass das keine guten Nachrichten für die Lieferanten sind, die selbst unter Preissteigerungen (Rohstoffe, Energie, Logistik) leiden und ihre Kosten weitergeben müssen. Die vorweihnachtlichen Preisgespräche versprechen hart zu werden.
Handelskonzerne sind große Fleischverarbeiter
Wer sich den Lebensmittelhandel in der Fleischbranche als reinen Verkäufer von Fleisch- und Wurstprodukten vorstellt, irrt sich gewaltig. Alle großen Handelskonzerne (außer Aldi) besitzen eigene Fleischwerke, die die Schlachtprodukte zerlegen, verarbeiten und in vielfältige Absatzkanäle bringen.
Branchenführer ist das Fleischwerk von Edeka Südwest mit 850 Mio. € Umsatz in 2020, was ein Wachstum von 20% zum Vorjahr bedeutet. Damit hat das Werk in Rheinstetten bei Karlsruhe das Kaufland-Fleischwerk leicht überholt, das zuvor weit vorn lag. Auf dem dritten Platz liegen die Werke von Rewe („Brandenburg“) und Edeka Minden-Hannover („Bauerngut“) mit knapp 700 Mio. € Umsatz. Unter den Top 10 halten sich sieben Betriebe der Edeka-Regionalgesellschaften.
Die Handelswerke können es umsatzmäßig spielend mit den eher von „mittelständischen“ Familienbetrieben geprägten Wurstfabriken aufnehmen. Von Platz 3 bis 10 in dieser Kategorie bewegen sich alle Unternehmen im Bereich von 200 bis 300 Mio. €. Sutter, Wolf, Stockmeyer, Ponnath, Kupfer – alle erzielten leichtes Wachstum im letzten Jahr. Einzig der Schweizer Coop-Ableger Bell verlor durch den Verkauf der Salami-Marke Zimbo an Erlösen. Wie auch die Rügenwalder Mühle geringe Verluste hinnehmen musste. Nach Unternehmensangaben hat man sie aber durch die bessere Marge im Wurstersatzbereich ausgeglichen. Zwar sind alle Wursthersteller auch in die vegetarische Produktion eingestiegen, keiner aber so konsequent wie die Rügenwalder aus Bad Zwischenahn, die damit etwa die Hälfte ihres Umsatzes erwirtschaften.
Über allen Wurstverarbeitern thront aber nach wie vor die Zur-Mühlen-Gruppe von Tönnies, die wieder ca. 1 Mrd. € umsetzte. Auf Platz 2 vorgeschoben hat sich „The Family Butcher“, eine Fusion der Familien Kemper und Reinert, die zusammen etwa 720 Mio. € umsetzen.
Zurzeit stehen aber gerade die Verarbeiter in der Kritik, weil sie nach Angaben von Marktkennern große Mengen billiger Rohwaren aus dem (europäischen) Ausland verarbeiten und vor allem die heimischen Schweinehalter im Regen stehen lassen. Gerade ihnen gegenüber müsse die 5xD-Regel durchgesetzt werden (geboren, aufgezogen, gemästet, geschlachtet, verarbeitet in Deutschland), wie Mitglieder der ISN und der AbL in einem Gespräch betonten.
29% der Mutterkühe leben auf Biobetrieben
Keine Tierhaltung in Deutschland ist so von Bio-Betrieben geprägt wie die Mutterkuhhaltung. Mit 180.000 Tieren unterliegt fast ein Drittel der Tiere den Bedingungen des Biolandbaus, wie die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) berichtet. Aber im Unterschied zum Markt für Schweine, Milch oder Schlachtrinder konnte sich der Markt für Bio-Absetzer oder Fresser nicht von der konventionellen Preisbildung abkoppeln. Viele Nachzucht-Tiere werden an konventionelle Betriebe oder Viehhändler verkauft und dann gemästet. Und dafür gibt es keinen Aufpreis für Bio. „Wegen der großen Nachfrage nach Bio-Rindfleisch werden aber immer mehr Bio-Absetzer auf den Mutterkuhbetrieben auch ausgemästet, wodurch die Wertschöpfung im Betrieb bleibt,“ schreibt AMI-Marktexpertin Diana Schaack.
Regional werden die meisten der 620.000 Mutterkühe in Brandenburg gehalten (85.000), vor Niedersachsen, Bayern und Meck-Pomm. Bei den Bio-Mutterkühen führt mit Abstand Mecklenburg-Vorpommern (33.000 Tiere) vor Brandenburg und Bayern. Im Bundesland an der Ostseeküste steht sogar jedes zweite Tier auf einem Biobetrieb.