Umstieg auf bessere Haltungsformen im LEH dauert länger als geplant

Auf dem Weg zu mehr Tierwohl dauert schon die Umstellung von Schweine- und Geflügelfleisch auf Haltungsform 2 länger als geplant. Das zeigt der neue jährliche Supermarktcheck von Greenpeace.

Die vierte Abfrage von Greenpeace zur freiwilligen Kennzeichnung des Fleischangebots der Supermärkte zeigt: Die großen Lebensmittelhändler verbessern ihr Fleischsortiment nur schleppend. Schon der angekündigte Umstieg von den schlechtesten Haltungsformen 1 und 2 auf solches von besser gehaltenen Tieren kommt kaum voran. So hat sich mit 19 Prozent zwar der Anteil der mit Haltungsform 1 gekennzeichneten Frischfleischprodukte fast halbiert (2021: 34 Prozent). Der vollständige Wechsel zur Haltungsform 2 bei Schweine- und Geflügelfrischfleisch sollte jedoch eigentlich bereits Ende letzten Jahres abgeschlossen sein - wird bei Aldi Nord, Aldi Süd, Rewe und Penny zum Teil aber wesentlich länger als geplant dauern. “Die Supermärkte locken die Kundschaft weiter mit Billigfleisch in die Läden”, sagt Christiane Huxdorff, Landwirtschaftsexpertin von Greenpeace. “Um den Umstieg auf besseres Fleisch zu beschleunigen, sollte der Lebensmittelhandel jedoch stärker auf pflanzliche Produkte setzen und den nötigen Wandel zu weniger Fleischkonsum schon jetzt entschlossen vorantreiben.”

Im Mai 2022 hat Greenpeace acht Supermarktketten (Aldi Nord, Aldi Süd, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny und Rewe) schriftlich gebeten, Auskunft über ihr Fleisch- und zum ersten Mal auch das Milchprodukt-Sortiment in Bezug auf Tierhaltung und Haltungskennzeichnung (freiwillige Kennzeichnung des LEH) zu geben. Die Umfrage bezog sich auf das in Deutschland verkaufte verpackte und unverpackte Frischfleisch sowie Frischmilchprodukte der Eigenmarken des jeweiligen Einzelhändlers.

Alle befragten Händler haben laut Greenpeace angegeben, langfristig kein Frischfleisch und teilweise auch kein verarbeitetes Fleisch mehr aus den tierschutzwidrigen Haltungsformen 1 und 2 bei ihren Eigenmarken anbieten zu wollen. Aldi Nord, Aldi Süd, Edeka/Netto und Rewe/Penny haben erklärt, ab 2030 nur noch Frischfleisch der besseren Haltungsformen 3 und 4 verkaufen zu wollen. Auch Kaufland und Lidl geben an, aus der Haltungsform 2 aussteigen zu wollen, beide Händler haben aber bisher noch keinen konkreten Zeitplan für den Ausstieg vorgelegt. Alle abgefragten Händler haben angegeben, dass sich die Kennzeichnung mit der Haltungsform fest etabliert hat. Erfreulich ist, dass nach und nach verarbeitete Produkte wie Wurstwaren mit der Haltungsform gekennzeichnet werden sollen oder bereits gekennzeichnet werden.

Große Lücken bei der Kennzeichnung gibt es laut der Abfrage jedoch immer noch bei Rindfleisch an den Bedientheken bei Edeka/Netto, Kaufland und Rewe. Bei Kaufland werden laut Eigenauskunft 20 Prozent und bei Rewe 17 Prozent des Rindfleisches an der Theke nicht gekennzeichnet – eine genaue Angabe zu den Prozentzahlen gibt es von Edeka und Netto nicht. Für Greenpeace „eine riesige Lücke“ und an der Bedientheke grenze das an Verbrauchertäuschung, denn das ungekennzeichnete Rindfleisch falle den Verbraucher:innen so nicht mehr auf. Zudem stelle sich die Frage, warum die Ware nicht gekennzeichnet wird.

Viele Supermärkte kennzeichnen laut der Abfrage ausländische Spezialitäten nicht. Bei den meisten Supermärkten handelt es sich dabei aber nur um wenige Prozente in Bezug auf die Gesamttonnage.

Trotzdem bleibt nach Ansicht von Greenpeace ein Fragezeichen: Wird davon ausgegangen, dass die gesamte ungekennzeichnete Ware unter dem eigentlich gesetzlichen Mindeststandard, also der HF1, produziert wird, und wird sie deshalb nicht kategorisiert? Greenpeace hat dafür bisher keine Erklärung bekommen.

Im September 2021 haben alle großen Supermarktketten außer Netto zugesichert, dass ab Ende 2021 kein frisches Hähnchen-, Puten- und Schweinefleisch der Haltungsform 1 mehr verkauft wird. In der aktuellen Abfrage haben nun einige angegeben, dies erst Ende 2022 oder sogar erst 2025 umzusetzen. Penny will noch bis Ende 2022 Schweinefleisch der Haltungsform 1 anbieten und Rewe sogar bis 2025. Aldi verschiebt sogar die Frist für Geflügel und Schwein auf 2025. Lediglich Edeka und Penny verkaufen aktuell kein frisches Schweinefleisch der HF1.

Das Ergebnis der vierten Abfrage bei den Supermärkten zeigt nach Ansicht von Greenpeace zwar, dass der Markt weiterhin in Bewegung ist. „Allerdings dauert schon die Auslistung von Geflügel und Schweinefrischfleisch der Haltungsform 1 zum Teil sehr viel länger als geplant. Noch dominiert zwar mit 88,4 Prozent (2021 waren es 89 Prozent) Fleisch aus den zwei untersten Haltungsformen das Angebot, aber es hat eine weitere Verschiebung von HF1 zu HF2 stattgefunden, besonders bei Rind und Schwein. 2021 stammten noch 33,8 Prozent des gesamten Frischfleisches aus der schlechtesten HF. Diese Zahl hat sich innerhalb eines knappen Jahres fast halbiert: Bei der Abfrage 2022 beträgt der Anteil der HF1 18,8 Prozent. Dagegen werden 69,6 Prozent des Frischfleisches inzwischen mit der HF2 angeboten“, heißt es in dem Supermarktcheck.

Beim besonders klimaschädlichen Rindfleisch tue sich noch immer am wenigsten. Allerdings gibt es hier den höchsten Zuwachs beim Angebot der Haltungsform 4 /Bio. Insgesamt ist der Anteil der HF4 beim Rindfleisch im Vergleich zum Vorjahr von 11,5 Prozent auf 14,4 Prozent angestiegen. Bis auf Kaufland und Lidl haben inzwischen alle Unternehmen einen konkreten Zeitplan zur Umstellung des Frischfleisch-Sortiments vorgelegt, mit Ausstiegsdaten und teilweise Zwischenschritten für den Wechsel von HF1 und HF2 auf HF3 und HF4. Kaufland und Lidl halten sich nach Ansicht von Greenpeace ohne konkreten Ausstiegsplan leider weiterhin noch eine Hintertür offen.

Mit Blick auf notwendige Schritte seitens der Politik heißt es in dem Supermarktcheck: „Die neue Regierung darf nun den Umbau und den Rückbau der Tierhaltung nicht alleine der Wirtschaft überlassen: Sie muss, anders als in ihrem Vorschlag für eine gesetzlich verpflichtende Haltungskennzeichnung vorgesehen, eine Regelung für alle – auch die Gastronomie, den Großhandel und die fleischverarbeitende Industrie – einführen sowie einen strengen gesetzlichen Rahmen schaffen, der tierschutzwidrige und klimaschädliche Produktion unterbindet.“