Lebhaftes Echo auf die von Aldi angekündigte nächste Stufe der Haltungskennzeichnung

Aldi will zukünftig auch Fleisch- und Wurstwaren nur noch aus den höchsten Haltungsstufen anbieten und hat mit dieser Ankündigung ein lebhaftes Echo ausgelöst. „Das ist die Zukunft!“ So kommentiert Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir die Ankündigung von Aldi. Konsequent und folgerichtig ist der Schritt für den Bauernverband (DBV) und auch die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) spricht von einem konsequenten Schritt. Einen „Weckruf an die Bundesregierung“ nennt der Tierschutzbund die Aldi-Ankündigung und auch ProVieh „würdigt diesen Schritt und hofft, dass die Branche und die Politik endlich wieder an einem Strang ziehen, um Tierhaltung weitgehend umzubauen“.  

„ALDI Nord und ALDI SÜD gehen den nächsten großen Schritt beim #Haltungswechsel: Bis 2030 werden die Discounter auch gekühlte Fleisch- und Wurstwaren in Deutschland vollständig auf die beiden höchsten Haltungsformen 3 und 4 umstellen“, bezogen auf den Umsatz mit den Aldi-Eigenmarken aus den Bereichen gekühlte Fleisch-, Wurst- und Schinkenwaren sowie Frikadellen der größten Nutztiergruppen Rind, Schwein, Hähnchen und Pute, ausgenommen internationale Spezialitäten sowie Convenience und Fertiggerichte. Das verkündet die Aldi-Unternehmensgruppe und ermöglicht damit nach eigenen Worten nicht nur neue Absatzmöglichkeiten für Landwirtschaft und Lieferanten, sondern erweitert auch das Tierwohl-Sortiment für seine Kundinnen und Kunden.

Für die Umstellung der gekühlten Fleisch- und Wurstwaren nennt Aldi einen „klar definierten Stufenplan:

  • Bereits heute stammen 90 Prozent der Fleisch- und Wurstwaren aus Haltungsform 2 und höher.
  • Bis 2025 verzichtet ALDI vollständig auf Ware aus Haltungsform 1.
  • Bis 2026 soll ein Drittel der Fleisch- und Wurstwaren aus Haltungsform 3 und 4 stammen.
  • Bis 2030 soll vollständig auf Ware aus den höheren Haltungsformen 3 und 4 umgestellt werden1.“

Mit dem #Haltungswechsel habe sich ALDI „auf den Weg gemacht, gemeinsam mit allen Beteiligten der Wertschöpfungskette die deutsche Nutztierhaltung hin zu mehr Tierwohl zu transformieren“ und aufgrund dieses klaren Bekenntnisses zu mehr Tierwohlware und der damit einhergehenden marktseitigen Planungssicherheit komme dieser Schritt vor allem Landwirtinnen und Landwirten entgegen, für die verlässliche Perspektiven essenziell seien.

Özdemir: Der Lebensmitteleinzelhandel sendet ein wichtiges Signal

Anlässlich der Ankündigung von ALDI und unter Verweis auf eine Erklärung der Schwarz-Gruppe (Lidl und Kaufland), ihr Sortiment umzugestalten und die Anzahl an tierischen Produkten zu reduzieren, erklärt Bundesminister Cem Özdemir: "Ich begrüße ausdrücklich, dass der Lebensmitteleinzelhandel künftig auf Fleischprodukte aus höheren Haltungsformen setzt. Das ist die Zukunft! Der Markt verändert sich - wer das nicht wahrhaben will und anderes propagiert, ist ein falscher Freund der Landwirtinnen und Landwirte. Der Fleischkonsum sinkt beständig und gleichzeitig wollen die Verbraucherinnen und Verbraucher, dass Tiere besser gehalten werden. Darauf zu reagieren, ist Marktwirtschaft, nix anderes. Wer jetzt so tut, als könne alles so bleiben, wie es ist, setzt die Tierhaltung in Deutschland, viele Höfe, an denen Familien hängen, aufs Spiel.
Der Lebensmitteleinzelhandel sendet ein wichtiges Signal an unsere Landwirtinnen und Landwirte, dass die Nachfrage nach Produkten aus tiergerechterer Haltung steigt und sich damit Geld verdienen lässt. Das Bekenntnis der Unternehmen gibt unseren heimischen Höfen eine planungssichere Perspektive. Und daran werden wir gemeinsam weiterarbeiten.“

Özdemir will, dass auch in Zukunft gutes Fleisch aus Deutschland auf den Tisch kommt. „Weniger Tiere besser halten, das ist der Weg in die Zukunft. Bäuerinnen und Bauern, die sich nun mit unserer Hilfe auf den Weg machen und ihre Ställe tiergerechter umbauen, haben einen klaren Wettbewerbsvorteil. Wir als Ampelkoalition lassen unsere Landwirtschaft nicht allein und unterstützen mit einem Gesamtkonzept zum Umbau der Tierhaltung.“

DBV: Bundesregierung darf solche Initiativen nicht konterkarieren

„Wer es mit der Umstellung auf Haltungsformen 3 und 4 ernst meint, muss die Fleisch- und Wurstwaren einbeziehen. Der Schritt von Aldi ist daher konsequent, folgerichtig und entspricht unserer Forderung. Jetzt gilt es, gemeinsam zu verhindern, dass die Bundesregierung solche Initiativen mit einem schlecht gemachten Tierwohlkennzeichen konterkariert. Bestehende Programm wie die ‚Initiative Tierwohl‘ müssen integriert werden. Außerdem muss der Umbau von Ställen überhaupt möglich gemacht werden, baurechtlich wie fördertechnisch“, erklärt der DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken.

ISN: Entscheidend ist das Bekenntnis zur deutschen Herkunft

Das Vorgehen von ALDI ist nur konsequent, kommentiert auch ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack die neue ALDI-Initiative. „Wir haben immer gefordert, dass u.a. auch die verarbeitete Ware in gleicher Weise wie das Frischfleischsegment in die Kennzeichnung einbezogen werden muss. Immerhin macht der Mengenabsatz von in Deutschland erzeugtem Schweinefleisch über den Weg der Verarbeitung mehr als das Doppelte von dem aus, was an Frischfleisch bei privaten Einkäufen über die Ladentheke geht. Mit der Ausweitung der höheren Haltungsstufen auf dieses wichtige Marktsegment macht ALDI insbesondere auch Druck auf den Verarbeitungsbereich, der sich so nicht weiter wegducken kann“, so Staack.

Ganz entscheidend werde aber sein, wie ehrlich das gleichzeitige ALDI-Bekenntnis zum Fleisch aus deutscher Herkunft ist. Es dürfen keine Hintertüren offen bleiben – beispielsweise für Aktionsware. Es würde nämlich den deutschen Schweinehaltern ein Bärendienst erwiesen, wenn die umsatzstarken Aktionen mit auch zukünftig nicht kennzeichnungspflichtigem, ggf. sogar mit geringeren Standards erzeugtem Fleisch aus dem Ausland bestückt werden können.

Staack mahnt: „Und ein weiterer Punkt muss Aldi klar sein: Wer die Musik bestellt, der muss sie auch bezahlen. Denn es ist nun einmal Fakt, dass die Umstellung der Ställe nicht zum Nulltarif geht – im Gegenteil, derart hohe Investitionen sind für Schweinehalter nicht ohne Planungssicherheit und langfristig auskömmliche Erlöse möglich. Auch ein Landwirt ist ein Unternehmer, der Gewinne machen muss, um seinen Betrieb weiter entwickeln zu können.“

Das ALDI-Ziel ist nicht nur diesbezüglich sehr ambitioniert, erläutert Staack: „Denn die deutschen Schweinehalter müssen überhaupt erst einmal genehmigungsrechtlich in die Lage versetzt werden, ihre Ställe umbauen zu dürfen. Abschließend bleibt aber auch festzuhalten, dass die Wirtschaft wieder einmal viel weiter ist, als der Bundeslandwirtschaftsminister mit seiner zu Recht viel kritisierten Haltungskennzeichnung, so Staack.

Tierschutzbund: Nun ist Cem Özdemir gefordert

Auch der Deutsche Tierschutzbund begrüßt die Ankündigung von ALDI. „Offensichtlich reagiert der Handel auf den gesellschaftlichen Wunsch nach mehr Tierschutz. Das muss ein Weckruf für die Bundesregierung sein, jetzt die Weichen zu stellen, um bessere Tierschutzstandards zu erreichen“, erklärt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.

„Das heutige Signal von ALDI bestätigt erneut: Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen mehr Tierschutz, das erkennt der Handel und handelt. Nun ist Cem Özdemir mit seinem Ministerium gefordert, endlich die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen und so Verbesserungen für alle Tiere zu erreichen.  Das geplante Tierhaltungskennzeichen trägt dazu nicht bei“, so Schröder. Die Verbraucherinnen und Verbraucher benötigten eine echte und transparente Orientierung, wie sie mit ihrer Kaufentscheidung zu mehr Tierschutz beitragen können. „Unser Label ,Für mehr Tierschutz‘ zeigt, wie es geht. Der bislang vorliegende Entwurf aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium verfehlt diese Anforderungen leider meilenweit.“

Schröder appellierte an Bund und Länder, hier rasch nachzuarbeiten und so den überfälligen Umbau der Tierhaltung voranzubringen. Dazu gehöre auch eine klare, verlässliche Strategie, wie es mit der landwirtschaftlichen Tierhaltung insgesamt weitergehen soll. Die Prämisse müsse lauten: Weniger Konsum und weniger Produktion tierischer Lebensmittel - und damit einhergehend sinkende Tierbestände. Dazu gebe es aus dem Ministerium bisher nichts Konkretes.

Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes erinnerte zudem daran, dass Haltungsform 3 und 4 nicht automatisch ein Höchstmaß an Tierschutz bedeuteten. „Es entstehen aktuell viele Programme, die sich innerhalb der Stufen einen Unterbietungswettbewerb liefern, mit nur wenigen Kriterien und einer unzureichenden Kontrolldichte. Der Handel muss da sehr genau hinschauen, wer für was die 3 oder 4 bekommt, wenn er wirklich und dauerhaft mehr Tierschutz fördern will.“

PROVIEH: Deutliche Anreize für den Umbau setzen

Auch die Tierschutzorganisation PROVIEH begrüßt den Aldi-Vorstoß und fordert Lidl, Edeka, Rewe & Co. auf, jetzt nachzuziehen, um marktseitig deutliche Anreize für den Umbau der Tierhaltung zu setzen.

„Trotz der Krisen, dem aktuellen Rückgang im Kauf von „Tierwohl“-Produkten und dem fehlenden Konzept für einen flächendeckenden Umbau der Tierhaltung durch die Politik hält ALDI an seinem Vorhaben fest, ab 2030 vorwiegend nur noch Fleisch von Tieren aus Außenklima- und Premium-Haltungen anzubieten. PROVIEH würdigt diesen Schritt und hofft, dass die Branche und die Politik endlich wieder an einem Strang ziehen, um Tierhaltung weitgehend umzubauen“, zeigt sich Anne Hamester, Fachreferentin bei PROVIEH erfreut.

PROVIEH kämpft nach eigenen Angaben für einen Politik-Mix zum Umbau der Tierhaltung: Von der gesetzlich verpflichtenden Haltungskennzeichnung, über eine ausreichende und verlässliche Finanzierung bis hin zu Änderungen in der Baugesetzgebung hinke die Politik aktuell hinterher.
PROVIEH fragt abschließend: „Die Ankündigung von ALDI macht ein neues Momentum auf: Ziehen Politik und die Branche nach, um die Transformation endlich zusammen anzugehen?“