Bürgerrat: Kleinbäuerliche Betriebe bei der Umsetzung von Tierwohlstandards besonders fördern

Der Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ hat am 20. Februar 2024 in einem Bürgergutachten seine neun Empfehlungen zur Verbesserung der Ernährungspolitik an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und die Fraktionen des Bundestages übergeben. In der Empfehlung 7 „Verbrauchsabgabe zur Förderung des Tierwohls“ postuliert der Bürgerrat unter anderem, dass kleinbäuerliche Betriebe bei der Umsetzung von Tierwohlstandards besonders gefördert werden sollten.

Insgesamt lautet die Empfehlung 7: „Wir empfehlen eine zweckgebundene Verbrauchsabgabe auf tierische Produkte, um den Umbau der artgerechten Nutztierhaltung zu finanzieren. Die Einnahmen aus der Verbrauchsabgabe sollen für eine Tierwohlprämie genutzt werden, die landwirtschaftliche Betriebe kontinuierlich erhalten, wenn sie die Haltungsform verbessern.
Dabei soll gelten: je besser die Haltungsform, desto höher soll die Prämie sein. Neben einem einmaligen Zuschuss zu Um- und Neubau von Ställen im Zusammenhang mit der Verbesserung der Haltungsform, sollen landwirtschaftliche Betriebe ab Haltungsstufe 2 auch eine laufende Unterstützung erhalten.
Die Höhe der Abgabe soll sich an den Empfehlungen der Borchert Kommission orientieren, das entspricht in etwa 0,40 Euro pro kg Fleisch und fleischverarbeiteten Produkten, 0,02 Euro pro Ei und Liter Milch bzw. Frischmilchprodukten sowie 0,15 Euro pro kg Käse, Butter und Milchpulver.
Die Abgabe auf tierische Produkte aus niedrigen Haltungsstufen sollte höher ausfallen als bei tierischen Produkten aus höheren Haltungsstufen. Deshalb sollte der Staat möglichst bald die Tierhaltungskennzeichnung auch auf andere Tierarten als Schweine ausweiten.
Kleinbäuerliche Betriebe sollten bei der Umsetzung von Tierwohlstandards besonders gefördert werden. Diese Maßnahme soll die langfristige Planungs- und Rechtssicherheit für landwirtschaftliche Betriebe gewährleisten.“

Und zur Begründung schreibt der Bürgerrat: „Diese Maßnahmen sind notwendig, damit landwirtschaftliche Betriebe unterstützt werden und einen Anreiz haben, auf höhere Haltungsformen umzusteigen. Dies soll für landwirtschaftliche Betriebe eine langfristige Planungs- und Rechtssicherheit gewährleisten.
Ziel sollte sein, die Intensivtierhaltung zu reduzieren und die extensive Tierhaltung zu fördern und damit den Status quo zu verbessern. Eine Tierhaltung auf einem höheren Tierwohlniveau nützt langfristig auch dem Klima- und Umweltschutz.
Außerdem wird mit dieser Empfehlung erreicht, dass weniger Antibiotika eingesetzt werden müssten und damit Antibiotikaresistenzen vorgebeugt werden können.
Eine bäuerliche Landwirtschaft ist uns wichtig. Die notwendigen Investitionen in bessere Haltungsformen sind für kleinere Betriebe im Verhältnis teurer und schwieriger umzusetzen. Deswegen ist eine spezifische Förderung wichtig, damit mehr Tierwohl nicht zu einer noch stärkeren Konzentration in der Landwirtschaft führt.
Die Maßnahmen stellen sicher, dass die Paragrafen 2 und 2a des Tierschutzgesetzes (artgerechte Tierhaltung) eingehalten werden.“

In ihrem "Bürgergutachten" werden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Bürgerrats die folgenden Punkte für eine bessere Ernährung als wichtig benannt:

  1. Kostenfreies Mittagessen für alle Kinder: Bundesweit soll an allen Kindergärten und Schulen kostenfreies und gesundes Mittagessen angeboten werden
  2. Bewusstes Einkaufen leicht gemacht durch ein verpflichtendes staatliches Label: Für alle in Deutschland und der Europäischen Union verkauften Produkte soll es ein verpflichtendes staatliches Laben geben. Das Label soll die Bereiche Klima, Tierwohl und Gesundheit einzeln berücksichtigen und soll wissenschaftlich fundiert sein.
  3. Verpflichtende Weitergabe von genießbaren Lebensmitteln durch den Lebensmitteleinzelhandel: Supermärkte und andere Lebensmittelgeschäfte ab einer Größe von 400 Quadratmetern Verkaufsfläche sollen verpflichtet werden, noch genießbare Lebensmittel, die sonst weggeworfen würden, an gemeinnützige Organisationen weiterzugeben.
  4. Lebensbedingungen und Herkunft von Tieren transparent darstellen: Ein verpflichtendes und staatlich kontrolliertes, ganzheitliches Tierwohllabel soll den gesamten Lebenszyklus von Nutztieren abbilden.
  5. Neuer Steuerkurs für Lebensmittel: Die Definition von Grundnahrungsmitteln soll überarbeitet werden. Darunter sollen in Zukunft auch Produkte wie pflanzliche Milchersatzprodukte, Fleischersatzprodukte und alle nach Bio-Standards erzeugten Produkte fallen. Zucker soll hingegen nicht mehr als Grundnahrungsmittel gelten und damit die darauf erhobene Mehrwertsteuer auf 19 Prozent angehoben werden. Auf Produkte wie unverarbeitetes und tiefgefrorenes Obst und Gemüse in Bio-Qualität, Hülsenfrüchte, Nüsse und Vollkorngetreide sowie Mineral- und Tafelwasser soll keine Mehrwertsteuer mehr erhoben werden.
  6. Gemeinschaftsverpflegung in Pflegeeinrichtungen: In Krankenhäusern, Reha-, Senioren- und anderen Pflegeeinrichtungen soll der Zugang zu gesunder und ausgewogener Ernährung sichergestellt werden.
  7. Verbrauchsabgabe zur Förderung des Tierwohls: Mit einer zweckgebundenen Verbrauchsabgabe auf tierische Produkte soll der Umbau der Tierhaltung hin zu einer artgerechten Nutztierhaltung finanziert werden. Die Einnahmen aus der Verbrauchsabgabe sollen für eine Tierwohlprämie genutzt werden, die landwirtschaftliche Betriebe kontinuierlich erhalten, wenn sie die Haltungsform verbessern. Dabei soll gelten: je besser die Haltungsform, desto höher die Prämie.
  8. Altersgrenze für Energydrinks: Für den Kauf von Energydrinks und ähnliche Produkte soll ein Mindestalter von 16 Jahren eingeführt werden.
  9. Mehr Personal für Lebensmittelkontrollen und bessere Transparenz: Die Berufsordnung für Lebensmittelkontrolleure soll so so geändert werden, dass die Zugangshürden für diesen Beruf gesenkt werden. Kontrollergebnisse sollen der Öffentlichkeit auf einfache Weise zugänglich gemacht werden.

Zudem hat der Bürgerrat in einer übergreifenden Empfehlung festgestellt, dass Aufklärung und Bildung das Fundament für alle anderen Empfehlungen des Bürgerrats sind.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bürgerrates waren bundesweit aus allen Einwohnerinnen und Einwohnern ab 16 Jahren ausgelost worden. Der Bürgerrat sollte die Vielfalt der Gesellschaft möglichst gut abbilden und auch die Stimmen sichtbar machen, die sonst in der politischen Diskussion weniger präsent sind. Dafür wurden die 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einem mehrstufigen Verfahren per Zufallsauswahl ermittelt.
In einem ersten Schritt wurden 19.327 Personen zufällig über die Melderegister von 82 ausgelosten Gemeinden in ganz Deutschland ermittelt und angeschrieben. 2.220 davon bekundeten ihr Interesse an einer Teilnahme. Aus diesen Rückmeldungen wurden durch einen Computer-Algorithmus 1.000 mögliche Bürgerräte mit je 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zusammengestellt, von denen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas am 21. Juli 2023 einen ausgelost hat.

 

21.02.2024
Von: FebL

Das Bürgergutachten - Empfehlungen des Bürgerrates „Ernährung im