Jetzt Chance nutzen und Umbau der ganzjährigen Anbindehaltung anpacken!

Am Freitag hat der Bundesrat anlässlich der Vorlage des Kabinettsentwurfs zum Tierschutzgesetz einer Übergangsfrist von zehn Jahren für den Umbau ganzjähriger Anbinde-Betriebe zugestimmt. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) begrüßt diese Entscheidung und fordert, sie mit verlässlichen Rahmenbedingungen wie Planungssicherheit und wirtschaftlich langfristige Perspektiven zu flankieren. Für den Tierschutz ist der Beschluss nach Ansicht der Tierschutzorganisation PROVIEH hingegen ungenügend trotz einzelner Verbesserungsvorschläge.

Lucia Heigl, stellvertretende AbL-Bundesvorsitzende und Milchbäuerin in Ostbayern, sagt: "Die AbL begrüßt wenigstens die Übergangsfrist von zehn Jahren für den Umbau der ganzjährigen Anbindehaltung, die nun auch vom Bundesrat unterstützt wurde. Im bisherigen politischen Verlauf um die Tierschutznovelle drohte immer wieder eine Frist von nur fünf Jahren. Das wäre überhaupt nicht praxistauglich gewesen. Die Betriebe müssen vernünftig planen können. Für die Anbinde-Betriebe tut sich ein Zeitfenster auf, das es zu nutzen gilt. Für die Weiterentwicklung der Höfe braucht es verlässliche politische Rahmenbedingungen: Das heißt Planungssicherheit und wirtschaftliche Perspektiven für uns Bäuerinnen und Bauern, um solche großen Investitionen zu tätigen."

Damit die Betriebe wissen, wie sich umbauen müssen, ist nach Ansicht der AbL das staatliche verpflichtende Tierwohllabel für Rinderhaltung einzuführen. „Die Weidehaltung darf nicht wie bei der privaten Tierwohlinitiative für Laufställe in der Stufe 3 einsortiert sein, sondern gehört in Stufe 4. Die von Özdemir angeregte Mehrwertsteuererhöhung von 2-3 Prozent zur langfristigen Finanzierung des Umbaus begrüßt die AbL als einen Einstieg in die Finanzierung nach den Borchert-Plänen“, so Heigl. Damit könnten neben den Investitionskosten auch die laufenden höheren Kosten für Tierwohl mindestens für zehn Jahre bezuschusst werden. „Das kann und muss in Verträgen zwischen Staat und uns Bäuerinnen und Bauern festgelegt werden. Die Anbinde-Betriebe müssen in einer finanziell gut ausgestatteten Beratungsoffensive auf vielfältige Weise unterstützt werden, damit sie sich weiterentwickeln können. Ziel muss sein, einen Strukturbruch zu vermeiden und möglichst vielen Höfen eine wirtschaftliche Zukunft zu ermöglichen. Diese Höfe können eine zentrale Rolle spielen für den Aufbau regionaler Kreisläufe vom Kalb bis zur Kuh – beispielsweise das Mästen der männlichen Kälber in der Region, Fresseraufzucht und Weidemast."

PROVIEH: Bundesrat ohne Ambition beim Tierschutzgesetz

Zwar konnte sich die weitreichende Kritik der unionsgeführten Bundesländer an dem Entwurf zum Tierschutzgesetz im Bundesrat nicht durchsetzen, dennoch ist für PROVIEH der Beschluss für den Tierschutz ungenügend. PROVIEH fordert das Ende von Qualzucht, Anbindehaltung und der Verstümmelung von Tieren.

Mit Blick auf landwirtschaftlich genutzte Tiere macht der Bundesrat nach Ansicht von PROVIEH verschiedene Verbesserungsvorschläge. So soll die Bundesregierung sich für Tierschutz bei Transporten in Drittstaaten einsetzen und Fördermittel für den Umbau der Tierhaltung bereitstellen. Ferner zählen dazu ein Verbot der Amputation von Schnäbeln bei Legehennen, die Betäubungspflicht bei der Kastration von Lämmern, die Erweiterung betrieblicher Eigenkontrolle sowie Einfuhrbeschränkungen bei Futterküken ohne vorherige Geschlechtsbestimmung im Ei.

Allerdings will die Länderkammer, so ROVIEH, auch Verschlechterungen. Diese betreffen besonders die Vorgaben zum Amputieren der Ringelschwänze bei Schweinen und das Qualzuchtverbot. Des Weiteren wurde eine große Zahl von Vorschlägen der Fachausschüsse abgelehnt. Darunter waren Kernanliegen des Tierschutzes wie das Verbot der saisonalen Anbindehaltung oder des Exports von lebenden Tieren.

Dazu erklärt Andreas Schenk, Hauptstadtreferent von PROVIEH: „Die Stellungnahme ist besser als befürchtet und schlechter als erhofft. Insgesamt unterstützen die Länder den vorliegenden Gesetzesentwurf. Allerdings sind zwei der Beschlüsse besonders fragwürdig: Erstens will der Bundesrat die geplanten Einschränkungen der Amputation von Ringelschwänzen bei Schweinen aufweichen. Das ist unsinnig; seit 1994 gilt hier strenges europäisches Recht. Das muss endlich übernommen werden. Sonst droht ein teures Vertragsverletzungsverfahren. Das hat die parlamentarische Staatssekretärin Ophelia Nick im Bundesrat deutlich gesagt. Zweitens soll das Qualzuchtverbot nicht für anerkannte Zuchtorganisationen gelten. Das ist absurd. Genau diese Organisationen haben Qualzucht zur Normalität gemacht. Es darf keine pauschalen Ausnahmen vom Qualzuchtverbot geben.“

Voraussichtlich Ende September wird sich der Bundestag erstmals mit dem Gesetzentwurf befassen.