Statt Abschaffung: Tierhaltungskennzeichnungsgesetz wird weiterentwickelt

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ Die gute Nachricht vorweg: der Umbau der Tierhaltung wird unterstützt und das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (THKG) wird weiterentwickelt. Das ist ein Ergebnis der AG „Ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung, Umwelt“ im Rahmen der Koalitionsverhandlungen für die neue Regierung. Auch wenn die Pläne noch nicht final im Koalitionsvertrag stehen, gelten sie als geeint und damit als gesetzt. Noch im Wahlkampf hatte die Union verkündet, das Gesetz abschaffen zu wollen und stattdessen ein privatwirtschaftliches Label a la Initiative Tierwohl (ITW) zu favorisieren. Davon war in der Koalitionsrunde nichts mehr zu hören. Lobbyeinflüsse der Fleischindustrie, der Lebensmittelwirtschaft und der Landwirtschaft sollen sie umgestimmt haben, heißt es in Berlin.

Planbarkeit und viel Geld – aber woher?

Im Gegenteil: von 2025 bis 2028 sollen jährlich 1,5 Mrd. € in den Umbau zu mehr Tierwohl fließen. Inwieweit diese Gelder den Koalitionsvertrag und die Regierungswirklichkeit überstehen, kann hinterfragt werden. Aber erst einmal sollen tiergerechte Stallbauten auf Grundlage staatlicher Verträge „dauerhaft“ gefördert werden. Geplant ist ein Bestandsschutz für neu- und umgebaute Tierwohlställe für mindestens 20 Jahre. Beides erinnert an die Empfehlungen der Borchert- Kommission, auch wenn weiterhin nicht erklärt wird, wie es finanziert werden soll.

Tierwohl weiterentwickeln

Im Ziel wollen Union und SPD das Gesetz „praxistauglich und mehr aufs Tierwohl ausgerichtet“ weiterentwickeln. Damit soll es auf den gesamten Lebenszyklus (bei Schweinen z.B. auch auf Sauen und Ferkel, die bisher nicht integriert sind), auf andere Tierarten wie Rinder oder Geflügel und auf weitere Vermarktungswege wie die Außer- Haus-Verpflegung (Gastronomie, Kantinen usw.) ausgeweitet werden.

Unter Weiterentwicklung und Planbarkeit verstehen die Verhandler zudem

- die praxistaugliche Umgestaltung der Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes für die landwirtschaftliche Tierhaltung,

- die Einführung eines Prüf- und Zulassungsverfahrens für Stallsysteme,

- einen „unkomplizierten Tierartenwechsel“ im Baugesetzbuch,

- keine Verschärfung durch ein Tierschutzgesetz sowie

- den Wolf „umgehend“ ins Jagdrecht zu übernehmen.

Offen bleibt, wie man mit dem THKG kurzfristig umgehen will. Denn das Gesetz tritt zum 1. August in Kraft – noch mit erheblichen Schwächen in der Umsetzung. Einiges ist kurzfristig lösbar. Eine Novellierung vor Gesetzesbeginn wäre zeitlich ein schwieriges Unterfangen. Die neue Regierung wird klären müssen, ob man das Gesetz als „lernenden Prozess“ begreifen kann, in dem übergangsweise Schwächen (Registrierung, Kontrolle, Schnittstellen in der Lieferkette, Etikettierung) toleriert bzw. überwunden werden.

Der Marktbeobachter wertet die Ergebnisse der Arbeitsgruppe als guten Zwischenschritt für eine notwendige Weiterentwicklung des Umbaus der Tierhaltung, auch wenn sie (noch) nicht im Koalitionsvertrag stehen und auch noch weit von einer Umsetzung in Beschlüsse und Gesetze entfernt sind. Sicherlich kommt auch vieles eher unverbindlich als Wunsch oder Sollen oder als Prüfauftrag daher, was kritisch zu begleiten ist.

Dennoch machen die Pläne deutlich, dass über den Grundgedanken der Differenzierung der Erzeugung und Vermarktung mittels Tierwohl in Gesellschaft und Politik Einigkeit herrscht. Ein Rollback in alte undifferenzierte Standardprodukte (Motto: „Fleisch ist ein Stück Lebenskraft“ oder „Milch macht müde Männer munter“) steht nicht mehr auf der Tagesordnung.

Tierwohl ist keine Modeerscheinung, sondern unabdingbarer Teil der zukünftigen Tierhaltung. Eine Ablehnung von „Tierschutzgedöns“ und die Ausrichtung allein auf Versorgungssicherung ist aus der Zeit gefallen.

Tierwohlbefürworter von Landwirtschaft bis Handel sind am Zug, das Zeitfenster intensiv zu nutzen.

Unter der Überschrift "Zügig verbessern und umsetzen!" hat der Marktbeobachter einen ausführlichen Beitrag zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz in der April-Ausgabe der Unabhängigen Bauernstimme.

2023 stellte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir die Tierhaltungskennzeichnung auf der Grünen Woche vor. Foto: Schievelbein