Eine neue Studie zeigt, dass Pollen des gentechnisch veränderten Mais MON810 negative Effekte auf Marienkäfer-Populationen haben kann. MON810 ist die einzige Gentechnik-Pflanze, die in der EU zum Anbau zugelassen ist. Sie produziert das Insektengift Cry1Ab, mit dem der Maiszünsler bekämpft werden soll. Die neue Publikation ist vor allem deshalb relevant, weil sie mögliche Langzeitfolgen für nützliche Insekten erforscht, die gegen das Gift eigentlich unempfindlich sein sollten. Das teilt das Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie Testbiotech mit.
Das Insektengift Cry1Ab kommt ursprünglich in Bodenbakterien (Bacillus thuringiensis) vor und soll nur für ganz bestimmte Mottenarten giftig sein, nicht jedoch z.B. für Käfer. Nach ihrer Herkunft aus den Bakterien werden diese Gifte auch Bt-Toxine genannt. In der Studie wurde eine spezielle Marienkäferart (Hippodamia variegata) mit Bt-Maispollen gefüttert. Diese ist ein im Mittelmeerraum häufiger und wichtiger Nützling und ernährt sich vor allem von Blattläusen. Als Nahrungsergänzung oder in Zeiten von Blattlausknappheit ernähren sich die Marienkäfer jedoch auch von Pollen, u.a. der Maispflanze. Somit ist es nach Angabe der AutorInnen sehr wahrscheinlich, dass Marienkäfer auch unter Freilandbedingungen mit Maispollen (z.B. in Anbaugebieten von Bt-Mais) in Berührung kommen.
Im Versuch zeigte sich, dass die Lebensdauer der Nachkommen von Marienkäferweibchen, die Bt-Pollen gefressen hatten, um 17–30 Prozent verringert war. Dieser Effekt wurde zum Teil durch eine erhöhte Reproduktionsleistung der mit Bt-Pollen gefütterten weiblichen Tiere ausgeglichen. Dennoch ergab sich insgesamt ein negativer Gesamteffekt auf die Population der Marienkäfer.
Unter Freilandbedingungen könnten solche Populationsrückgänge dazu führen, dass die Marienkäfer in ihrer Nützlingsfunktion eingeschränkt sind und es zu einem stärkeren Blattlausbefall bis hin zu einer vollständigen Störung der Räuber-Beute-Beziehung kommt.
Die Gründe für die Beeinträchtigung der Nachkommen der mit Bt-Maispollen gefütterten Tiere konnten nicht ausreichend geklärt werden. Laut der Studie wiesen die untersuchten Bt-Maispollen einen deutlich niedrigeren Gehalt an Cry1Ab auf als in zahlreichen anderen Publikationen. Die negativen Auswirkungen auf die Marienkäfer könnten also tatsächlich noch ausgeprägter sein als in der vorliegenden Untersuchung.
Auch Effekte, die aus der gentechnischen Veränderung resultieren, können nicht ausgeschlossen werden. In anderen Publikationen wurden bereits veränderte Nährstoffgehalte in Bt-Maispollen festgestellt, was bedeutet, dass auch Nährstoffmangel als Grund für die negativen Effekte auf die Marienkäferpopulation eine Rolle spielen könnte.
Für Testbiotech zeigt die vorliegende Studie erneut, dass relevante Risiken von Gentechnik-Pflanzen für die Umwelt nicht ausreichend erforscht werden.
Die EU-Anbauzulassung für den Mais MON810 ist 2008 ausgelaufen. Seit 17 Jahren erfolgt der Anbau der Maispflanzen daher ohne erneuerte Genehmigung. Nach Ansicht von Testbiotech zeigt sich darin ein Versagen der EU-Kommission, die für die entsprechenden Genehmigungsverfahren zuständig ist.
In den letzten Jahren ist der Anbau des Gentechnik-Mais in Europa deutlich zurückgegangen und findet aktuell nur noch in Spanien und Portugal statt. Wurde MON810 2014 in Spanien noch auf rund 140.000 Hektar angebaut, waren es 2024 nur noch 70.000 Hektar. In Portugal wird der Bt-Mais auf wesentlich kleinerer Fläche angebaut, ebenfalls mit deutlich sinkender Tendenz. In Deutschland ist der Anbau von MON810 seit dem Jahr 2009 verboten.
