Neue Gentechnik: Keine Einigung in Sicht

Noch wenige Tage vor dem Ende der polnischen Ratspräsidentschaft am 30 Juni hatte sich der polnische Agrarminister zuversichtlich gezeigt, den Trilog über den Regelungsvorschlag der Kommission zu neuen gentechnischen Verfahren (NGT) bei Pflanzen am vergangenen Montag erfolgreich abzuschließen. Doch dann wurde die Sitzung abgesagt. Die am 1. Juli beginnende dänische Ratspräsidentschaft will die offenen Streitpunkte bis Jahresende beilegen. Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) kündigte eine "sorgfältige Prüfung" an. Die Gentechnik-Expertin der AbL, Annemarie Volling, unterstreicht in diesem Zusammenhang die Bedeutung der gentechnikkritischen Bewegung und der grüne EU-Abgeordnete Martin Häusling fordert die Kommission auf, den Regelungsentwurf zurückzuziehen.

Der französische EP-Abgeordnete Christophe Clergeau warf der EU-Kommission und dem Rat der EU-Mitgliedstaaten eine Blockadehaltung bei den Verhandlungen vor. Während das Europäische Parlament (EP) im Frühjahr 2024 mehrheitlich für eine Kennzeichnung von NGT-Pflanzen votiert hatte, sehen die Vorlagen von Rat und Kommission diese nur für das Saatgut vor. Und da letztere sich bei den Trilog-Verhandlungen nicht bewegt hätten, habe die Berichterstatterin des EP beantragt, die Sitzung am Montag abzusagen, teilte der PSE-Abgeordnete am Freitag mit. Zuletzt fürchtete er gar, dass die bei der Europawahl im Juni 2024 erstarkte Rechte im EP den Mehrheitsbeschluss zur Kennzeichnung opfern könnte, um die Trilog-Verhandlungen über den NGT-Entwurf abschließen zu können.

Volling: Beharrlich für das Recht auf gentechnikfreie Erzeugung kämpfen

Zur Absage der Trilog-Verhandlungen über die geplante Verordnung zu neuen Gentechniken erklärt Annemarie Volling, Gentechnik-Expertin der AbL. „Damit gerät die Einigung von EU-Kommission, EU-Ministerrat und Europaparlament über die geplante Deregulierung neuer Gentechniken ins Stocken. Die Positionen von Rat, Parlament und Kommission liegen aber in wichtigen Punkten, wie zum Beispiel Kennzeichnungspflicht bis zum Endprodukt, Rückverfolgbarkeit, Koexistenzregelungen, opt/out sowie Patente, weit auseinander. Nun will die dänische Ratspräsidentschaft es richten, doch die Verhandlungen dauern bereits 2 Jahre und noch ist eine Einigung nicht in Sicht. Das ist der Verdienst einiger kritischer Mitgliedstaaten, Parlamentarier und der gentechnikkritischen Bewegung. Sie streuen nicht nur viel Sand ins Getriebe der Gentechnik-Industrie, sondern zeigen mit guten inhaltlichen Argumenten die Fallstricke der geplanten Deregulierung neuer Gentechniken auf. Es lohnt sich also weiterhin, beharrlich für das Recht auf gentechnikfreie konventionelle und ökologische Lebensmittelerzeugung zu kämpfen!“

Häusling: Entscheidungen dieser Tragweite verdienen eine intensive Diskussion

„Das abgesagte Trilog-Treffen unterstreicht einmal mehr, dass der Vorschlag für die Neuregulierung der Neuen Gentechnik unausgereift war“, resümierte der grüne EP-Abgeordnete Martin Häusling. Er forderte die EU-Kommission auf, ihn zurückzuziehen. „Entscheidungen dieser Tragweite verdienen eine intensive Diskussion und Austausch. Dieser ist bislang bei den Verhandlungen zu kurz gekommen…. Jeder Verbraucher muss wissen können, ob in seinem Essen … die neue Gentechnik zum Einsatz gekommen ist“, forderte Häusling. Unterschiedliche Auffassungen gibt es auch zur Patentierbarkeit von NGT-Pflanzen. Das Parlament will diese stark einschränken, Mitgliedstaaten und Kommission sehen dafür keinen Grund.

Nach einer Auftaktsitzung am 6. Mai hatten die Unterhändler:innen in zehn technischen Meetings nach Kompromissen gesucht, wie die polnische Ratspräsidentschaft dem Agrarministerrat am Dienstag vergangener Woche berichtete. Der polnische Landwirtschaftsminister Czesław Siekierski gab sich auf der Ratssitzung optimistisch, den Trilog heute noch erfolgreich zu Ende zu führen. Aus den Wortmeldungen verschiedener Minister:innen wurde jedoch deutlich, dass sie mit einer Einigung erst im zweiten Halbjahr unter dänischer Ratspräsidentschaft rechnen. Sie sprachen Kennzeichung, Patente und nationale Anbauverboten (Opt-out) als noch zu klärende Punkte an. Dänemark selbst schreibt im Arbeitsprogramm für seine am 1. Juli beginnende Präsidentschaft, man wolle darauf hinarbeiten, die NGT-Verhandlungen abzuschließen.

Keine klare Position von Rainer

Während in der EU hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, weigert sich in Deutschland Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer weiterhin, zur NGT-Kennzeichnung und zur Patentierung von NGT eine klare Position zu beziehen. Am Mittwoch der letzten Woche wich er im Bundestag in der Befragung der Bundesregierung einer direkten Frage des grünen Abgeordneten Karl Bär nach seiner persönlichen Haltung aus. „Warum sollen wir, wenn es in der Europäischen Union noch keine Entscheidung gibt, mit nationalen Entscheidungen schon vorgreifen“, antwortete der Minister und fügte hinzu, man werde sich „am Ende des Tages“ an „wissenschaftlichen Aussagen“ orientieren. In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte er tags drauf, das Thema sei komplex und müsse sorgfältig geprüft werden. Sollten die Dänen im zweiten Halbjahr 2025 ein Trilogergebnis erreichen, wird er sich im Rat positionieren müssen.

Was die Deutschen von ihrem Landwirtschaftsminister in Sachen Kennzeichnung erwarten, haben sie kürzlich den Meinungsforschern von Civey gesagt. Zwei Drittel der Befragten waren eindeutig dafür, dass sich Rainer für eine Kennzeichnung einsetzt.

Eine klare Ansage bekam Minister Rainer auch zum Thema NGT-Patente – von einem ungewöhnlichen Bündnis aus acht Verbänden. Es sei „unerlässlich, eine umfassende Einschränkung der Patentierung biologischen Materials zur Pflanzenzüchtung, welches auch in der Natur vorkommt, vorkommen könnte oder zufällig entstanden ist, vorzunehmen“, heißt es in deren Positionspapier.

Mit Material des Informationsdienst Gentechnik.