Lebensmittelpreise auf Rekordniveau – was haben die Erzeuger davon?

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde

Die Preise für Nahrungsmittel in Deutschland liegen weiterhin sehr hoch. Im Januar lagen sie um durchschnittlich 20,2% höher als im Vorjahr. Damit war ihre Teuerungsrate mehr als doppelt so hoch wie die Gesamtinflation. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) letzte Woche berichtete, hat sich der Preisauftrieb bei den Nahrungsmitteln somit zuletzt kaum verändert. Erneut wurden im Januar bei allen Nahrungsmittelgruppen Preiserhöhungen beobachtet. Erheblich teurer als im Vorjahresmonat waren Molkereiprodukte und Eier, nämlich im Mittel um 35,8%. Einen deutlichen Preisanstieg gab es auch bei Brot und Getreideerzeugnissen mit 22,7%.

Viele Agrarpreise auf Rekordhöhe

Im gesamten Jahr 2022 waren für die Verbraucher die Lebensmittelpreise hinter der Energie der Inflationstreiber Nr. 2. Aber auch die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise stiegen in geradezu schwindelnde Rekordhöhen. Laut Destatis sind sie im Jahresmittel um 32,9% gewachsen – die stärkste Veränderung seit Erhebungsbeginn 1961. Dabei legten die pflanzlichen Erzeugnisse um 27,7% und die tierischen um 36,8% zu.

Sieht man sich die einzelnen Produktgruppen an, werden Unterschiede noch deutlicher. Der Weizenpreis stieg um 42%, Kartoffeln um 66% - Gemüse aber nur um 8%, während der Preis für Obst sogar um 10% nach unten rutschte.

Die tierischen Produkte lagen noch klar über dem Durchschnitt. Milch erzielte beim Erzeuger einen Zuwachs von 45%, Rindfleisch 27%, Schweinefleisch 34%, Geflügel 31% und Eier 24%. Auch im Dezember und Januar übertrafen die tierischen Produkte das Vorjahresniveau noch einmal kräftig, während Getreide und Co. die „Agrarinflation“ eher bremsten. Gute Ernten in vielen Ländern und Getreideexporte aus der Ukraine und Russland ließen die Weltmarktpreise für Weizen, Mais und Gerste gegenüber Mitte 2022 auf Vorkriegsniveau purzeln.

Preise sind noch längst nicht gleich Einkommen

Nun müssen Preisstatistiken, vor allem wenn sie Durchschnittspreise ermitteln, noch nicht viel über die Lage auf den verschiedenen Höfen aussagen. Preise sind aber eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von Einkommen und mit steigenden Preisen wächst auch der Anteil der Markterlöse gegenüber den staatlichen Prämien. Für viele Bäuerinnen und Bauern senkt sich dadurch die Abhängigkeit von Brüsseler Subventionen, was sie mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen. Schließlich hatte die „Staatsknete“ in den letzten Jahren bei vielen Betrieben einen Einkommensanteil über 25% bis nicht selten 50%. Das meiste davon kam (und kommt) aus der ersten EU-Säule der Flächenprämien. Und die werden ab 2023 von der EU-Agrarpolitik abgebaut bzw. teilweise umgebaut, was zunächst einmal für große Unruhe sorgt.

Ordentliche Ergebnisse im Vorjahr trotz explodierender Kosten

Für das Wirtschaftsjahr 2021 (Juli)/2022 (Juni) hat der Situationsbericht des Bauernverbandes bereits positive Zahlen vorgelegt. Dabei lagen erstmals die Milchviehbetriebe (Futterbau) mit einem Unternehmensgewinn von 95.000 € an der Spitze der Betriebsergebnisse vor den Ackerbau- und Ökobetrieben. Deutlich zurück wurden Schweinemäster und erst recht Sauenhalter platziert, denen häufig nur die (teils üppigen) Coronabeihilfen vor (tief-)roten Zahlen retteten.

Die im zweiten Halbjahr stark gestiegenen Erzeugerpreise dürften auch die Einkommen im laufenden Wirtschaftsjahr entscheidend beeinflussen. Im Unterschied zur Preisbewertung spielen bei den Einkommen auch die betrieblichen Aufwendungen, d.h. die gestiegenen Kosten für Energie- und Baukosten sowie für Futtermittel usw. eine bedeutende Rolle. Deshalb sagen die Ergebnisse erst „unter dem Strich“ etwas aus über die Lage der Betriebe.

Die Betriebskosten sind weiterhin hoch in Relation zu 2021, aber in den letzten Monaten sinken gegenüber 2022 einige Kosten wie Dünger und Energie. Die Futtermittelindustrie hält sich noch bedeckt, die gesunkenen Preise weiterzugeben. Auch die Baukosten sind kaum zu bezahlen, was die Investitionen hemmt.

Außerdem machen offensichtlich diverse Unternehmen im vor- und nachgelagerten Sektor derzeit „ordentlich Kasse“. Die ersten Veröffentlichungen der Bilanzen von Konzernen wie Yara (Dünger), Südzucker oder BASF (Chemie) „glänzen“ mit Supergewinnen. John Deere verdoppelte den Profit. BASF weist für die Agrarsparte ein Ergebnis der Betriebstätigkeit (EBIT) von 1,2 Milliarden Euro aus, plus 70% zum Vorjahr. Auch FrieslandCampina und Arla sprechen von sehr guten Gewinnzuwächsen. Wenn die Unternehmen in den nächsten Wochen ihre Bilanzen veröffentlichen, wird man sich die Zahlen genau ansehen müssen.

Vorschätzungen für das laufende Wirtschaftsjahr

In NRW hat sich die Landwirtschaftskammer mit einer Vorschätzung für das Wirtschaftsjahr 2022/2023 aus der Deckung gewagt. Man kann es mutig oder voreilig nennen. Schließlich kann bis zum Juni noch viel passieren. Außerdem basieren die Berechnungen nur auf 689 Jahresabschlüssen in NRW bzw. die Vorschätzung für sie im Vergleich zum Vorjahr. Gemessen an den durchschnittlichen Betrieben in NRW lagen die ausgewählten (Haupterwerbs-)Betriebe im letzten Jahr deutlich über dem Level. Daher sind die Ergebnisse zu relativieren. Mit Einkommen ist der steuerliche Gewinn gewertet. Das Unternehmensergebnis unterscheidet sich natürlich vom Ergebnis je „nicht entlohnter Familienarbeitskraft“ erheblich. Der DBV-Bericht rechnete im letzten Jahr mit 56.700 € pro AK brutto, wovon noch Sozialversicherungen und Investitionen beglichen werden müssen. Unternehmen verbuchten im Schnitt 80.000 €.

Steigen die Einkommen weiter?

Diese Erklärungen berücksichtigend erwarten die Betriebswirtschaftler der Kammer für die gewählten Betriebe einen Anstieg der Unternehmensgewinne um 33%. Die spezialisierten Ackerbauern (Getreide, Hackfrucht) schneiden mit über 50% plus am Besten ab. Trotz Kostensteigerungen von 35% Saatgut, 15% Dünger und 20% Pflanzenschutz erreichen sie sehr wahrscheinlich ein sechsstelliges Unternehmenseinkommen.

Absolut gesehen verdienen sich die Milchviehbetriebe mit ebenfalls über 100.000 € den Spitzenplatz. Bei beiden Unternehmensgruppen übertreffen die höheren Erlöse die gestiegenen betrieblichen Aufwendungen (Energie, Futter, Personal usw.). Besonders die Rekord-Milchpreise sind dafür verantwortlich. Da die Milchpreise aktuell stark fallen, kann der erwartete Durchschnittswert von 55 ct/kg incl. aller Zuschläge für das gesamte Wirtschaftsjahr vielleicht doch zu optimistisch ausfallen. Und gerade in der Milchviehhaltung macht eine Schwalbe noch keinen Sommer. Langfristig sehen die Milchbäuerinnen und -bauern noch keine stabile Perspektive.

Schweine knapp, Preise im Aufwind

Auch für die spezialisierten Schweinehalter vermuten die Berater ein um 30% höheres Einkommen, wobei in diesem Jahr (selten genug) die Sauenhalter die Mäster wohl leicht hinter sich lassen könnten. Sollten sich die aktuellen Preise für Ferkel bzw. für Schweine in den nächsten Monaten stabilisieren, wofür manches spricht, könnte sogar noch ein besseres Ergebnis als 65.000 Euro erwirtschaftet werden können. Die Berechnungen kalkulieren mit 56 €/Ferkel und 2,06 €/kg SG netto. Dafür ist zurzeit kein Schwein und kein Ferkel zu kaufen, da sie „nicht zu reichlich“ und Ferkel sogar sehr begrenzt verfügbar sind. Die heutigen Preise liegen deutlich über der Kalkulation, haben aber noch Rückstände aus den letzten Monaten auszugleichen. Der Preisdruck aus der Industrie kann derzeit bei engem Angebot ausgehalten werden. Und auch der LEH bewegt sich zwischen verschärftem Preiskampf angesichts der Kaufzurückhaltung vieler Kunden und Sorgen um eine ausreichende zukünftige Verfügbarkeit. Es macht sich offensichtlich bemerkbar, dass in den letzten zwei Jahren 20% weniger Ferkel erzeugt wurden und viele Höfe die Schweinehaltung eingestellt haben. Endlich haben die Schweinehalter mal das “Marktmomentum“ auf ihrer Seite. Hoffentlich verspielen sie es nicht durch Aufstockungen. Aber der Strukturbruch der Ferkelerzeugung von 2021/2022 kann sicherlich nicht so schnell aufgefangen werden.

Aus dem EU-Ausland werden wohl nur begrenzte Mengen importiert werden, da in allen Ländern in 2022 die Schweinezahlen im Mittel um 6% sanken. Dänemarks Schweinehalter sind in einer besonderen Notlage, da die notwenigen Exporte nach China/Ostasien mengen- und preismäßig schrumpfen, so dass die Erzeugerpreise dramatisch hinterherhinken (aktuell minus 40€ !). Schon im letzten Jahr ging die Zahl der Tiere um 12% zurück. Den dänischen Bauern könnte eine Vermarktungsoffensive mit Preisdumping durch den Quasi- Monopolisten „Danish Crown“ (80% Marktanteil) teuer zu stehen kommen.

Der Marktbeobachter sieht bei allen Unsicherheiten und den „Volatilitäten“ der Märkte durchaus Frühlingstendenzen im Agrarbereich. Aber die sprunghaften Preisveränderungen (Milch erst stark rauf, jetzt runter; Schweinefleisch lange Zeit unten, jetzt rauf; Dünger 2022 unbezahlbar, jetzt auf Vorkriegsniveau usw.) zerren an den Nerven. Immer muss man den richtigen Zeitpunkt für Ein- bzw. Verkauf treffen und wird fast zum Spekulanten, beschwerte sich gestern ein Landwirt. Dabei stehe doch Ackerbau und Viehzucht für einen Hoferhalt im Generationenvertrag.

28.02.2023
Von: Hugo Gödde

Der LEH rühmt sich gerne seiner Unterstützung für die Bauern, wie hier in einem Prospekt des Discounters Netto. Foto: FebL