Die Schweinehalter in der Europäischen Union stocken ab. Die jetzt vom Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) veröffentlichten Viehzählungsergebnisse zeigen nach Ansicht der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) einen deutlichen Struktureinbruch im gesamten europäischen Schweinesektor. Infolge des gesunkenen Lebendangebots seien die Schlachtschweinepreise in der EU im Februar auf Rekordhöhen gestiegen und die Viehzählungsergebnisse legen nach Ansicht der ISN den Schluss nahe, dass Schlachttiere weiter knapp bleiben werden.
Die jetzt veröffentlichten Zahlen kommen für die ISN nicht unerwartet. „Die zurückliegenden knapp drei Jahre unter wirtschaftlich schwierigen Bedingungen hinterlassen deutliche Spuren – ganz besonders in Deutschland und Dänemark. Für die noch aktiven Schweinehalter zeichnet sich aber durch die schrumpfenden Schweinebestände und die derzeit deutlich anziehenden Schweinepreise die Möglichkeit ab, die riesigen finanziellen Löcher der vergangenen Jahre wieder nach und nach zu schließen“, teilt die ISN mit.
Die Schweinebestände in der EU sind Ende 2022 laut Eurostat auf den tiefsten Stand seit mehr als zwei Jahrzehnten gesunken. Bei den teilweise noch vorläufigen Daten fehlen die Angaben für Malta und die Ergebnisse für Italien sind aufgrund einer neuen Erhebungsmethodik nicht mit den Vorjahren zu vergleichen. In den so verbleibenden 25 Mitgliedstaaten wurden im Dezember 2022 noch 125,5 Millionen Schweine gehalten; das waren 7,68 Millionen oder 5,8 % weniger als zwölf Monate zuvor. Solch einen starken Rückgang hat es in diesem Jahrhundert noch nicht gegeben, so die ISN.
In absoluten Zahlen haben die deutschen Schweinehalter ihre Bestände am deutlichsten abgestockt, und zwar um 2,43 Millionen Tiere oder 10,2 % auf 21,33 Millionen Stück. Jeweils gut ein Zehntel weniger Schweine wurden im Vorjahresvergleich auch in Dänemark, Tschechien und Litauen gehalten. Für Bulgarien wird sogar ein Bestandsminus von 26,4 % auf 511 .60 Schweine gemeldet. In den fünf größten schweinehaltenden Ländern wurden die Bestände deutlich abgestockt. In Dänemark und Deutschland waren die Rückgänge mit -12,2 % bzw. -10,2 % am stärksten
Die wirtschaftlichen Einbußen der Schweinehalter durch die höheren Produktionskosten machten sich auch bei Europas Schweineprimus Spanien bemerkbar, so die ISN. Erstmals seit 2011 nahm der Bestand dort wieder ab, und zwar um 1,1 % auf 34,08 Millionen Tiere. Auch aufgrund von Tiergesundheitsproblemen im Sauenbestand wurden im vergangenen Jahr 2,5 % weniger Schweine in Spanien als 2021 geschlachtet.
Etwa im Bereich des EU-Durchschnittes wurden die Schweineherden gegenüber der Vorjahreserhebung in Belgien, Frankreich, Österreich, Rumänien und Polen mit zwischen 4,8 % und 6,0 % verkleinert. Nur moderat nahm der Bestand in den Niederlanden mit 1,5 % auf 10,71 Millionen Schweinen ab. Für Italien wurde ein Zuwachs von 3,9 % auf 8,74 Millionen Tiere ausgewiesen, doch lag dies an der dort geänderten statistischen Erfassung. Schweden war das einzige Land mit einem tatsächlich größeren Schweinebestand als im Dezember 2021; er legte um 3,2 % auf 1,42 Millionen Tiere zu.
Der Sauenbestand in den 25 Mitgliedstaaten ist im Vergleich zu Dezember 2021 um 642.800 beziehungsweise 6,2 % auf 9,69 Millionen Tiere gesunken. Damit dürfte laut ISN der Nachschub an Ferkeln für die Mast in den nächsten Monaten deutlich geringer als im Vorjahr. Im Dezember 2022 gab es im Vorjahresvergleich 5,9 % weniger Ferkel bis 20 kg und 6,3 % weniger Läufer bis 50 kg in der EU. Prognosen von Analysten sehen laut ISN die EU-Schweinefleischerzeugung im ersten Halbjahr 2023 gegenüber der Vorjahresperiode um mehr als 5 % abnehmen; in der zweiten Jahreshälfte könnte der Rückgang etwas gemäßigter ausfallen.
Nach Ansicht der ISN rollt in der Schweinehaltung eine dramatische Aufgabewelle. die so schnell nicht aufzuhalten sein wird. „In allen EU-Ländern wird der Abbau der Schweinebestände immer deutlicher – ganz besonders aber in Deutschland und Dänemark. Die zurückliegenden knapp drei Jahre unter wirtschaftlich schwierigen Bedingungen zeigen deutliche Folgen, aber hinsichtlich der deutschen Schweinehaltung genauso auch die mangelnde Planungssicherheit und das fehlende Vertrauen in die Politik. Das, was aktuell aus Berlin und speziell aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium kommt, sorgt jedoch für das Gegenteil, deutsche Schweinehalter werden immer mehr im Wettbewerb benachteiligt. Das muss sich schnell ändern, wenn es zukünftig noch Schweinehaltende Betriebe in Deutschland geben soll, die den gesellschaftlich gewollten Wandel in der Schweinehaltung überhaupt noch umsetzen könnten“, teilt die ISN mit.
Ein Lichtblick ist für die ISN sicherlich die aktuelle Entwicklung der Lage an den europäischen Schweinemärkten. „Durch das knappe Angebot gepaart mit geringen Lagerbeständen an Schweinefleisch, steigen die Notierungen für schlachtreife Schweine EU-weit an und erreichen teilweise Rekordwert. Bei Kosten, die sich ebenfalls nahe am Rekordniveau befinden, ist es nun aber wichtig, dass die höheren Preise im weiteren Verlauf der Wertschöpfungskette umgesetzt werden können, sodass ein nachhaltig auskömmliches Preisniveau erreicht werden kann und die Schweinehalter die finanziellen Löcher, die in den letzten drei Jahren entstanden sind, endlich stopfen können“, so die ISN.