Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ „Einkommen der Landwirte brechen ein – Geld vernichtet mit Milch und Ackerbau“ (agrarheute). „Nach dem Rekordjahr 2022/23 hat bei den Einkommen der Höfe eine wirtschaftliche Normalisierung eingesetzt.“ (top agrar) Die Einschätzungen der wirtschaftlichen Lage der Landwirtschaft im Wirtschaftsjahr (WJ) 2023/24 im Lichte der Agrarpresse könnte kaum unterschiedlicher sein. Dabei liegen allen die gleichen Zahlen der Testbetriebe des Bundesagrarministeriums zugrunde. Aber offensichtlich sind auch Zahlen politisch – je nach parteilicher Couleur. Dabei reicht die Bewertung von „noch gut“ bzw. ca. 15% über dem Schnitt der letzten fünf Jahre einerseits bis zu drastischem Rückgang um 20% unter dem Vorjahr andererseits. Zwar liegt der Zeitraum der Erhebung schon mind. 9 Monate zurück und die Lage hat sich in einigen Produktionsbereichen nicht unerheblich verändert, dennoch beleuchten die Zahlen die unterschiedliche Situation auf den Höfen und in den Regionen.
Haupterwerbsbetriebe relativ stabil
Nach den Rekorderlösen im WJ 2022/23 musste man mit Abschlägen im letzten Jahr rechnen. Die wirtschaftlich bedeutendste Gruppe der Haupterwerbsbetriebe, die durchschnittlich 87 ha LF mit 2,3 AK (darunter 1,4 nicht entlohnte Familienarbeitskräfte) bewirtschaften, verlor etwa ein Fünftel ihres Einkommens. Knapp 50.000 € Einkommen je AK bzw. 86.500 € Gewinn je Unternehmen ergaben die Ergebnisse – der zweithöchste Wert jemals. Überhaupt waren die Einkommen der letzten drei Jahre im Verhältnis zu den zehn Jahren zuvor deutlich verbessert – trotz oft zu Recht beklagter Betriebskostensteigerungen (Futter, Energie, Personal). Aber ob ein vergleichbarer Bruttolohn je Arbeitskraft von ca. 3.500 bis 4.000 € im Monat angemessen ist (bei Arbeitszeiten deutlich über 40 Std.), mag jeder für sich entscheiden.
Schweine hui – Milch und Ackerbau pfui
Gewinner des Jahres waren einmal mehr die Veredelungsbetriebe (12% der Betriebe). Die Schweinehalter profitierten von guten Preisen und steigerten ihren Gewinn um 18% auf 148.000 € pro Unternehmen – nach einem schon guten Vorjahr. Sie haben wahrlich keinen Grund, sich über alles und jedes (vornweg die Bürokratie der Ampelregierung) zu beklagen.
Anders erlebten die Milchviehbetriebe (34% der Betriebe) einen Rückgang von 48%, womit das (einmalige?) Rekordergebnis des Vorjahres wieder zurückgeschraubt wurde. Der Rückgang des Milchpreises war verantwortlich, besonders bei den häufig eher kleineren Betrieben in Süddeutschland. Mit 46.000 € je AK im Schnitt bleibt es schwer, dem eigenen Hof bzw. einem Hofnachfolger eine ausreichende Perspektive zu bieten.
Betroffen wurden auch die durchschnittlichen Ackerbaubetriebe (20,5% der Betriebe). Ihr Gewinn fiel um 12%. Allerdings lag das Vorjahresergebnis wegen der ukrainekriegsbedingten hohen Getreide und Rapspreise außergewöhnlich gut, so dass sie immer noch über dem Durchschnitt wirtschafteten. Die im letzten WJ gefallenen Getreidepreise konnten durch gestiegene Verkaufserlöse von Kartoffeln und Zuckerrüben aber nicht ganz ausgeglichen werden.
Das niedrigste Ergebnis erzielten die Futterbaubetriebe mit Rindermast und Rinderaufzucht (11% der Betriebe). Ihr Einkommen je AK sank auf bedrohliche 33.000 €. Tröstlich ist für sie, dass das laufende Wirtschaftsjahr 2024/25 mit dem rekordhohen Rindfleischpreisen eine starke Erholung bringen wird.
Spitzenreiter: Sachsen-Anhalt und Niedersachsen
Zwischen den Bundesländern bestehen beim Agrareinkommen weiterhin große Unterschiede. Mit großem Abstand an der Spitze liegen die Landwirte aus Sachsen-Anhalt mit 40% über dem Schnitt und stabilen Gewinnen. Grund ist die Betriebsgröße mit im Schnitt 330 ha, der hohe Ackerbauanteil (70%) am Gewinn und nicht zuletzt die fruchtbaren Bördeflächen. Man sieht, mit Ackerbau kann man weiterhin auch Geld verdienen. Der Bundesschnitt liegt bei 23% Ackerbau und 93 ha – bei Haupterwerbsbetrieben wohlgemerkt.
An zweiter Stelle rangiert Niedersachsen. Hier haben sich gute Ergebnisse der Tierhaltung niedergeschlagen. 70% der Erlöse werden damit gewonnen – 30% Schweine, 21% Milchvieh, annähernd 10% die boomende Geflügelproduktion.
Verlierer sind (mal wieder) die bayerischen Landwirte mit 25% Einkommensrückgang - trotz oder wegen einer hohen Tierhaltungsquote. Hier schlagen die geringe Flächenausstattung der Betriebe und der hohe Milchviehanteil zu Buche. Vom Preisrückgang der Milch sind in erheblichem Maße auch die Landwirte in Schleswig-Holstein betroffen, die auf einen der letzten Plätze zurückgefallen sind. Am Ende der Skala finden sich wie fast immer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und das Saarland wieder.
Einkommen der Biolandwirte unterm Durchschnitt
Die Biolandwirtschaft kämpft weiterhin mit stagnierenden, unterdurchschnittlichen Einkommen und unbefriedigenden Preisen und Erlösen. Da nützten auch das leichte Umsatzwachstum der Branche und die vollmundigen Ankündigungen der Politik von 30% bis 2030 nicht. Die wirtschaftlichen Probleme sind offenkundig. Dabei sind die Biobäuerinnen und Bauern viel weniger abhängig als ihre konventionellen Kollegen von den stark schwankenden Preisen des (Welt-)Marktes. Ihr Einkommen ist mit etwa 42.000 € je AK seit neun Jahren stabil (bei zwei schlechteren Jahren vor Corona), aber eben stabil niedrig. Der Absatz vor allem Richtung LEH und Discount steigt zwar kontinuierlich an, aber bei niedrigeren Preisen als im Bio-Fachhandel.
Auffallend ist der hohe Anteil der Tierhaltung (73%) an den Erlösen. Das Image der Körner- und Obst/Gemüse-Branche stimmt nicht, hat wahrscheinlich nie gestimmt. Dabei spielt die Bedeutung des Grünlandes und der Milcherzeugung eine überragende Rolle. Auffällig ist weiterhin, dass die Bio-Markterlöse nur etwa die Hälfte der Umsätze der konventionellen ausmachen, aber auch die Kosten nur bei 60% liegen – u.a. wegen des Verzichts auf Pflanzenschutz- und „Kunstdünger“. Ausgeglichen werden fehlende Markterlöse durch deutlich höhere staatliche Subventionen. Deren Anteil ist inzwischen auf „bedenkliche“ 76% des Einkommens gestiegen.
Der Marktbeobachter sieht im vergangenen Wirtschaftsjahr eine wirtschaftliche Normalisierung der Einkommen der Haupterwerbsbetriebe, aber auf einem relativ niedrigen Niveau bei kleinen und mittleren Betrieben. Bei stark schwankenden Marktverläufen und unsicheren politischen Perspektiven sind rückläufige Investitionen und fehlende Planbarkeit die Folge. Die Unsicherheit ist ein hohes Hemmnis für eine Betriebsentwicklung - gerade auch für Hofnachfolger. Dabei sind die Erzeugerpreise aktuell nicht der entscheidende Faktor. Der Milchpreis ist wieder gestiegen, der Schweinepreis erträglich und das Rindfleisch auf Rekordniveau. Nur der Ackerbau schwächelt weltmarktbedingt, was aber bei Tierhaltern zu überschaubaren Futterkosten führt. Die „gefühlte“ Krise kommt mehr von den Preisschwankungen und den politischen Rahmenbedingungen – eine Chance für die neue Regierung, wenn sie hier Lösungen präsentieren kann.
Anders sieht es im Biolandbau aus. Der Markt mit der wachsenden Bedeutung des LEH/Discount und den zunehmend umkämpften Preisen verspricht keine rosige Zukunft. Und die staatliche Unterstützung ist fragil und kein Schwerpunkt im „neuen“ Berlin. Es spricht viel dafür, dass die Umstellung auf Ökolandbau kein Renner wird.